Hochrechnung für europäische Städte

Zahl der Hitzetoten hat sich durch Klimawandel verdreifacht

Ältere Menschen sind durch Hitzewellen besonders gefährdet.

Mit über 40 Grad Celsius wurden an vielen Orten Temperaturrekorde gebrochen: Erst vor wenigen Tagen traf die erste Hitzewelle des Jahres Europa. Die Bevölkerung wurde zwar vor den Gefahren gewarnt. Dennoch sind wegen des extremen Wetters wohl tausende Menschen gestorben. Durch den Klimawandel hat sich die Zahl der zu erwartenden Hitzetoten verdreifacht. Das haben Berechnungen Forschender vom Imperial College London und der London School of Hygiene & Tropical Medicine ergeben.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die Wissenschaftler schätzten durch eine Modellierung ab, wie viele Menschen aufgrund der letzten Hitzewelle in zwölf europäischen Städten von Madrid über Frankfurt bis Zagreb gestorben sind. Ihre Analyse bezog sich auf die zehn besonders heißen Tage in diesem Jahr vom 23. Juni bis zum zweiten Juli. Die Zahlen verglichen sie mit Hochrechnungen früherer Jahre.

In 12 Städten 2300 Tote

Außerdem zogen sie Daten dazu heran, wie stark sich die Temperaturen durch den Klimawandel erhöht hatten − um dann abzuschätzen, wie viele Menschen dadurch gestorben waren. Offizielle Zahlen zu den Hitzetoten gibt es noch nicht. Auch bei denen handelt es sich aber stets nur um Schätzungen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die Modellierung ergab, dass wahrscheinlich 2.300 Menschen infolge der Hitzewelle in den zwölf untersuchten Städten gestorben sind. Und dass ohne die durch den Klimawandel gestiegenen Temperaturen nur etwa 800 Hitzetote zu erwarten gewesen wären. Was bedeutet, dass in den zwölf untersuchten Städten wahrscheinlich 1.500 Menschen (65 Prozent der Hitzetoten) infolge des Klimawandels gestorben sind, und sich dadurch also die Zahl der Hitzetoten verdreifacht hat.

Die Karte zeigt den Temperaturanstieg währende der letzten Hitzewelle in Europa und die Zahl der Hitzetoten in den einzelnen Städten, die auf den Klimawandel zurückzuführen ist.

Das würde bedeuten, dass die Hitzewelle mehr Todesopfer gefordert hat, als etwa die Überschwemmungen in Valencia im vergangenen Jahr und 2021 im Nordwesten Europas, die 224 und 243 Menschen das Leben gekostet hatten.

Bei den einzelnen Städten gab es Unterschiede: So sind in Madrid rund 90 Prozent der Hitzetoten auf den Klimawandel zurückzuführen. Und zwar deshalb, weil die Sterblichkeit bei besonders hohen Temperaturen steil ansteigt. Die Hitzewelle ist laut Studie durch den Klimawandel in den meisten Städten zwei bis vier Grad wärmer geworden. Eine Ausnahme war Lissabon, wo die Hitzewelle nur um etwa ein Grad wärmer war. Dies sei der Lage am Atlantik geschuldet, die der Überhitzung entgegenwirke.

Die Zahl der Hitzetoten in europäischen Städten hat sich laut einer Modellierung durch den Klimawandel verdreifacht.

88 Prozent der Hitzetoten sind laut Studie ältere Menschen über 65 Jahre, da vor allem Personen mit bereits vorliegenden Grunderkrankungen bei Hitze frühzeitig sterben. Grundsätzlich sei aber jeder und jede gefährdet, betonen die Forschenden. So gehen sie von 183 Hitzetoten in der Altersgruppe zwischen 20 und 64 Jahren aus.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die Berechnungen würden zeigen, dass schon ein scheinbar geringer Anstieg der Temperaturen Todesopfer fordert. Und zwar dann, wenn Menschen mit Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes oder Atemwegserkrankungen durch die Hitze überlastet werden. „Der Klimawandel tötet“, sagte Garyfallos Konstantinoudis, einer der beteiligten Forschenden, bei der Präsentation der Veröffentlichung. „Er intensiviert Hitzewellen und bringt gefährdete Personen an ihre Grenzen. Diese Studie zeigt, dass jeder Bruchteil von einem Grad Erwärmung einen Unterschied macht – seien es 1,4, 1,5 oder 1,6 Grad Celsius.“

Mit mehr Grün in den Städten vorbeugen

Ein Temperaturanstieg von nur zwei oder drei Grad Celsius könne bereits über Leben oder Tod von tausenden Menschen entscheiden, sagte sein Kollege Ben Clarke. „Bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Welt erwärmt, werden Hitzewellen nicht verschwinden und wir müssen uns auf die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit einstellen, sagte Pierre Masselot von der London School of Hygiene & Tropical Medicine. „Städte können sich anpassen, indem sie mehr Bäume pflanzen, den Platz für Autos reduzieren und sich um die am meisten gefährdeten Personen kümmern“, so Masselot. Er und die anderen Autorinnen und Autoren der Studie fordern aber auch, die Ursache für den Klimawandel anzugehen. Sie betonen die Rolle fossiler Brennstoffe als „primärer Auslöser“ der Erderwärmung.

So sei das beste Mittel, um schlimme Folgen zu vermeiden, eine drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen, sagte Masselot. „Diese Studie verdeutlicht eine einfache Tatsache: Mehr Öl, Kohle und Gas zu verbrennen, wird mehr Menschen töten“, sagte Friederike Otto, Professorin für Klima-Wissenschaften am Imperial College London. „Der einzige Weg, um Hitzewellen in Europa nicht noch tödlicher werden zu lassen, sei es, aufzuhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen.