Zero Waste: Kochkunst ohne Abfall – dafür mit radikal regionalen Konzepten
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Zu den regionalen Lebensmitteln gehört für Sternekoch Sascha Stemberg das Fleisch vom Wagyu-Rind, das in einem Sud aus Shiitake-Pilzen und Räucheraal-Abschnitten serviert wird.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa
Düsseldorf. Einen frisch geschlachteten Pferdekopf hatte man in zehn Jahren des Kochfestivals „Chefsache“ noch nicht auf der Bühne gesehen. Es war Max Stiegl aus vom Gut Purbach im Burgenland, der den Pferdekopf jetzt beim elften Fachtreffen der internationalen Avantgarde-Kochkunst in Düsseldorf präsentierte, um seine Innereien-Küche vorzuführen.
Möglichst alle Teile der Tiere werden verwertet
Als „Meister der inneren Werte“ kocht der Österreicher Pferdehirn-Terrine, gewürzt mit geraspelten Kirschkernen und grünen Holunderbeeren. Nachhaltig, einfach, regional und traditionell sollen seine Gerichte sein. Möglichst alle Teile der Tiere werden verwertet. Aus dem Fleisch im ausgekochten Pferdekopf entsteht später eine Sülze. Zu Streifen vom rohen Pferdeherz legt Stiegl Scheibchen von vergorenen Enteneiern und Stücke von gebratenem Biberschwanz – im Burgenland dürfen die Nagetiere getötet werden.
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Zu Streifen vom rohen Pferdeherz legt Max Stiegl Scheibchen von vergorenen Enteneiern und Stücke von gebratenem Biberschwanz.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa
Kochkunst mit radikal regionalen Konzepten
Der eine oder andere Sensible unter den mehreren Hundert Zuschauern fühlte sich sichtbar unwohl, als der Koch dann noch in Bier, Rotwein und Honig gedünstete Schweineschnauzen anrichtete. Mit den zwei Nasenlöchern stehen sie als „Steckdosen“ auf der Karte. Ganz ähnlich derb regional bereitet Max Stiegl Schweineschwänzerl in Biersauce zu. „Wer in mein Restaurant kommt, ist darauf vorbereitet“, scherzte er. „Und wer nicht, der sagt dann, er sei Vegetarier.“
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Regional sind die in Bier, Rotwein und Honig gedünsteten Schweinschnäuzchen von Max Stiegl.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa
Zu den regionalen Lebensmitteln gehört für den Sternekoch Sascha Stemberg vom Haus Stemberg in Velbert im Bergischen Land auch das Fleisch von Wagyu-Rindern. Ein Tierarzt aus dem nahen Wülfrath züchtet die aus Japan stammenden Tiere. Stemberg reibt die mit Fett marmorierten Fleischstücke mit Salz ein und flämmt sie mit dem Bunsenbrenner. Feine Scheiben werden in einem Sud aus Shiitake-Pilzen, Soja und Räucheraal serviert.
Zero Waste: Kochen ohne Abfall
Viele Spitzenrestaurants wollen heute ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickeln. Schlagartig hat sich Norbert Niederkofler vom St. Hubertus aus dem Gadertal in Südtirol von fremden Zutaten wie Gänseleber und importiertem Fisch verabschiedet. Für sein Konzept „Cook the Mountain“ (Koch den Berg) verbannte er sogar Olivenöl und Zitrusfrüchte. Er benutzt stattdessen Traubenkernöl und die Säure von Weinbeeren. Statt Ketchup gibt es fermentiertes Zwetschgenmus. „No Waste“, kein Abfall heißt das Motto des Kochs, der für sein Konzept drei Michelin-Sterne erreicht hat. Viele Zutaten muss er für die langen Wintermonate einmachen und auch tiefkühlen.
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„No Waste“ heißt das Motto von Norbert Niederkofler, der statt Ketchup fermentiertes Zwetschgenmus, hier als Broftaufstrich, reicht.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa
Die Alleinstellungsmerkmale der Köche sind vielfältig
Tristan Brandt vom Opus V aus Mannheim ist weniger streng regional. Der Koch mit den zwei Michelin-Sternen verfremdet vertraute Zutaten mit asiatischen Gewürzen: Ein Burger mit gegrilltem Aal wird mit Wasabi gewürzt, eine in Kohlenstoff vereiste Kokos-Kugel umschließt vietnamesische Tom Ka Gai-Suppe. Zu kleinen Tintenfischköpfen gibt es Kaviar, Tapioka-Risotto, Kartoffeltaler und Sepiafond.
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Vertraute Zutaten werden bei Tristan Brandt vom Opus V in Mannheim mit asiatischen Gewürzen verfremdet. So entsteht eine Mimolettecreme im mexikanischen Taco mit Chilipaste, Koriandercreme, gepufftem Chinoa und Amaranth und einer scharfen Jalapeno-Sauce.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa-t
Den Mahlzeiten beim Kochen neue Aromen entlocken
Marco Müller vom Zwei-Sterne-Restaurant Rutz in Berlin arbeitet wie andere Kollegen eng mit kleinen Produzenten aus dem Umland zusammen und will seine ganz eigene kulinarische Welt entwickeln. So bekommt er frische Forellen, die mit selbst gemachtem Lardo-Speck belegt und mit eingelegten Kiefernnadeln gespickt werden. Tauben packt Müller in Kiefernholz und hängt sie zum Garen über einem Grill auf. In die Sauce kommt Misopaste, dazu Kleckse einer Creme aus frischem Schweineblut.
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Bei Marco Müller werden frische Forellen mit selbst gemachtem Lardo-Speck belegt und mit eingelegten Kiefernnadeln gespickt.
© Quelle: Guido Schröder/CHEF-SACHE/dpa
Der Gast ist nicht mehr König
Marco Müller vom Zwei-Sterne-Restaurant Rutz in Berlin
Der Koch will den Produkten immer neue Aromen entlocken. Beim Dessert aus Waldkräutern und Sakeeis wird Buchweizen und „Birkentee“ benutzt, das im Frühjahr abgezapfte Wasser aus Birkenstämmen. Müller mag sich nicht dem Publikumsgeschmack anpassen. Nur sein eigener Geschmack sei ausschlaggebend. Man könne sich ja vorher informieren, ob einem das Küchenkonzept zusage, sagt er etwas schroff: „Der Gast ist nicht mehr König.“
RND/dpa