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Wo Grillen heilig ist: Vegetarier sind auch im Fleischland Argentinien auf dem Vormarsch

Metzger laden in Buenos Aires Fleisch von einem LKW.

Metzger laden in Buenos Aires Fleisch von einem LKW.

Buenos Aires. Fleisch gegen Gemüse: Um die kulinarische Seele Argentiniens tobt ein Kampf. Eine wachsende Zahl von Vegetariern und Veganern steht den Fleischessern gegenüber, die schon immer da waren. Schließlich ist das südamerikanische Land berühmt für seine üppige Rinderproduktion, Gauchos und Grillkultur.

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Tatsächlich gelten die an Wochenenden zelebrierten Grillfeste als eine Art nationales Heiligtum: "Asado" (Gegrilltes) nennen die Argentinier ihre Partys, bei denen Familien und Freunde sich um den Rost versammeln. Für viele sind die Festmahle sogar eine Quelle des Nationalstolzes - nicht zuletzt, weil sie sich mit dem benachbarten Uruguay traditionell einen Wettkampf liefern, wer in der Welt pro Kopf am meisten Rindfleisch verschlingt.

In Argentinien kommen beim traditionellen Asado Rinderhälften auf den Grill.

In Argentinien kommen beim traditionellen Asado Rinderhälften auf den Grill.

Tierschützer entern Bauernmesse

Nun aber scheint der Appetit auf Deftiges ausgerechnet in Argentinien abzunehmen. Gerade junge Leute finden vermehrt Geschmack an Gemüse, Tofu und Co. Und eine wachsende Zahl von Aktivisten schreibt sich den Kampf gegen Fleischkonsum auf die Fahne. Fast martialisch anmutende Szenen bei einer Messe der Bauerngesellschaft von Buenos Aires machten den Ernst der Lage deutlich: Als eine Gruppe von Gegnern von Tierquälerei in die Veranstaltung platzte, gingen Viehzüchter - teils in traditioneller Gaucho-Tracht - zu Pferde und mit Peitschen auf die Aktivisten los.

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Mehr zum Thema: Veganismus: Wie gesund ist vegane Ernährung und was müssen Veganer beachten?

Viele Farmer in Argentinien haben es in Zeiten einer Wirtschaftskrise ohnehin nicht leicht - und schlagen angesichts einer jüngsten Umfrage vollends Alarm: Die private Online-Studie unter 1100 Befragten ergab, dass jeder sechste von zehn Argentiniern geneigt sei, den Rindfleischkonsum einzustellen. Die Fehlerquote der Umfrage lag bei drei Prozentpunkten.

Die junge Generationen "sind aufgewacht inmitten der Debatte über Abtreibung im Kongress, Inklusion, Gendergerechtigkeit", erklärt Adrián Bifaretti, Marketingchef am Institut für die Förderung von Rindfleisch. "Diese kollektiven Fragen beginnen nun, Gewicht bei Entscheidungen über den Kauf von Lebensmitteln zu bekommen." Nach einem Julibericht der argentinischen Handelskammer für Erzeugnisse von Rindern konsumieren die Bürger inzwischen durchschnittlich 50 Kilogramm Rindfleisch pro Jahr - der niedrigste Wert in der Geschichte des Landes.

Lesen Sie hier: Studie untersucht: Ist Fleischverzicht besser für die Umwelt?

Rund sieben Prozent sind vegan oder vegetarisch

Offizielle Zahlen über die Zahl der Veganer und Vegetarier in Argentinien liegen nicht vor. Doch Bifarettis Institut geht von sieben bis acht Prozent der Bevölkerung aus. Die Bedenken rund um Tierquälerei und Schlachtmethoden machten sich im Land bemerkbar, sagt der Experte. Trends in anderen Weltregionen kämen eben nun auch in Argentinien an.

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Zum Kampf gegen das Rindfleisch blasen dort vor allem Veganer wie Melisa Lobo. Die 28-Jährige liegt auf dem Gras und streichelt das Maul von Apollo, einem ein paar Wochen alten schwarzen Kalb von der Größe eines Labrador-Retrievers. In der Nähe tummeln sich Ziegen, Schafe, Hühner und Enten im Gnadenhof, einem zwei Hektar großen Stück Land, das eine Autostunde von Buenos Aires entfernt ist. In dem Zufluchtsort könnten Tiere ihr ganzes Leben ausleben, sagt Lobo.

Jedes der 300 Tiere in dem Areal nennt sie beim Namen - außer die Hühner, "weil die alle ziemlich ähnlich sind". Leute, die keine Nähe zu Tieren hätten, "wissen nicht oder wollen nicht wissen, dass sie empfindsame Wesen sind". Über den Fleischkonsum, dem sie früher auch frönte, sagt Lobo: "Man bekommt Fleisch auf den Teller und denkt nicht darüber nach, wie es da drauf kam".

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Erste fleischlose Restaurants eröffnen in Buenos Aires

Viel von dem Fleisch für die traditionellen "Asados" in Restaurants und Häusern von Buenos Aires kommt aus Mataderos, einem Bezirk der Hauptstadt. Der Morgen ist noch nicht angebrochen, doch die weißen Kittel der Arbeiter in den gekühlten Fleischverarbeitungsanlagen sind schon blutrot. "Gott sei Dank essen Leute in Argentinien und in diesen Vierteln an Wochenenden noch immer "Asados", aber in Zukunft könnte es ein bisschen kompliziert werden", weiß auch Diego Salvo, Geschäftsführer einer Metzgerei.

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In Buenos Aires gibt es schon erste kulinarische Alternativen. Im "La Reverde", dem ersten veganen Grilllokal der Metropole, wird ein Gericht angeboten, das an "Bife de Chorizo" erinnert, ein Rinderfilet vom Grill. Auf den Teller kommt aber tatsächlich ein "Seitansteak" aus Weizengluten und einem Mix aus Rübenpüree und Gewürzen, der einen rindfleischähnlichen Farbton zaubern soll. "Tiere essen mag ich nicht", sagt die 25 Jahre alte Melissa Aruj, nachdem sie sich das Seitangericht mit Fritten als Beilage hat schmecken lassen. "Ohne Zweifel schätze ich, dass in zehn bis 15 Jahren ein großer Teil (der Bevölkerung) Vegetarier sein wird". Ob man vegan sein werde, wisse sie nicht. Aber die Veränderung werde "nach und nach" kommen.

AP/RND

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