Vertrauen statt Vorwürfe: So schaffen Eltern in der Pubertät ein harmonisches Miteinander
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In Verhandlung treten: Wenn die Kinder älter werden, ist es wichtig, regelmäßig mit ihnen über die Aufgabenverteilung in der Familie zu sprechen.
© Quelle: Florian Küttler/Westend61/dpa-t
Köln. Es fühlt sich an, als hätten sie vor kurzem noch buddelnd im Sandkasten gesessen. Nun kleben die Kinder vor dem Computer fest. Wenn ihre Kinder in die Pubertät kommen, fragen sich Eltern oft, was sie falsch gemacht haben - und ob sie Versäumnisse in der Erziehung nachholen können.
"Wir haben ja alle keine Ausbildung als Eltern und sind auch keine Roboter, die alles richtig machen - zum Glück", sagt die Kölner Diplom-Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf. Sie leitet Gruppen für Eltern pubertierender Jugendlicher.
Pubertät ist nicht immer schön
Der Erziehungsberater und Autor Jan-Uwe Rogge rät, sich auf das zu besinnen, was man richtig gemacht hat. Für Jugendliche sei es weder gut, wenn Eltern auf den eigenen Versäumnissen herumreiten - noch, wenn sie sich zu selbstgefällig geben.
Wenn sich das eigene Kind in sich zurückzieht, beleidigend wird, klaut oder Drogen nimmt, kann das Selbstzweifel nähren. Mangelnde oder übertriebene Hygiene, Aufmüpfigkeit, Unpünktlichkeit, Alkoholkonsum, schlechte Schulnoten - dies alles seien Begleiter der Pubertät. "Ihre Kraft verwenden sie nicht auf Noten, sondern auf die Umwandlung ihres Kinderkörpers in einen Erwachsenenkörper", sagt Rogge.
Eltern sollten nicht alles persönlich nehmen
Grenzüberschreitungen gehören in dieser Phase dazu, sagt die Hamburger Pädagogin, Autorin und Erziehungsberaterin Angela Kling. "Es hat mit hirnphysiologischen Entwicklungen zu tun, dass Jugendliche nach Kicks suchen."
In Workshops ermutigt sie Eltern, sich an die eigene Teenager-Zeit zu erinnern. “Dann merken sie, dass sie genau das Gleiche erlebt haben.”
Elisabeth Raffauf empfiehlt Eltern grundsätzlich, nicht persönlich gekränkt zu sein: "Das ist das Wichtigste und zugleich das Schwierigste überhaupt." Gleichzeitig dürfe man nicht einfach alles schlucken. "Bei Beleidigungen ist es erst einmal wichtig zu sagen: So reden wir nicht miteinander."
Mit älteren Kinder sollte verhandelt werden - statt nur anzuordnen
Vermeiden sollten Eltern Vorwürfe, Verhöre und Vorträge. Wichtig hingegen seien drei andere Begriffe mit "V": Vertrauen, Vorbildfunktion und Verstehen. Eltern, die glauben, für Erziehung sei es in der Pubertät zu spät, macht sie Mut. "Ich bin da optimistisch."
Es sei durchaus möglich, mit dem Kind offen über Versäumnisse zu sprechen - ohne die Probleme als Vorwurf zu präsentieren. Eltern könnten beispielsweise sagen: "Ich habe dich früher zu wenig in den Haushalt einbezogen, aber es ist viel zu tun. Was könntest du übernehmen?"
Wenn Kinder älter werden, müssen Eltern in Verhandlung treten, statt einfach Dinge anzuordnen, sagt Angela Kling. Sie empfiehlt, sich einmal pro Woche mit allen Familienmitgliedern zusammenzusetzen und Aufgaben zu besprechen. Dabei sei es wichtig, dass Eltern sich nicht mit vagen Zugeständnissen abspeisen lassen. In solchen Familienkonferenzen lernen die Jugendlichen zu argumentieren, statt bloß das Gesicht zu verziehen und abzuhauen, sagt Kling.
Trauer über den “Verlust” zulassen
Die Pubertät sei nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern ein herausfordernder Prozess. Schließlich müssen sie lernen, dass sie die Kinder nicht mehr vor allem schützen können. "Eltern können nicht mehr über das Leben der Kinder bestimmen, sie können nur noch Begleiter sein. Das ist mit Trauer, Schmerz und großer Unsicherheit verbunden", betont Kling.
Die Trauer zuzulassen, dass es mit der Kindheit vorbei ist, sei ein erster Schritt. Jan-Uwe Rogge rät, sich auf die Zeit der Pubertät einzulassen, statt sich dagegen zu sträuben. Nicht erzieherische Techniken seien entscheidend, sondern die Grundeinstellung.
"Die Haltung heißt: Es kann auch etwas passieren, das ich nicht möchte - und das ist okay." Die Aufgabe der Eltern ist, ihm einen Rahmen zu geben, in dem es sich sicher und angenommen fühlt.
RND/dpa