Umstrittenes Projekt: Australien plant Flughafen in der Antarktis
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Der Bau eines Flughafens könnte dramatische Folgen für die Flora und Faune des Kontinents haben.
© Quelle: Liu Shiping/XinHua/dpa
Australien will einen Flughafen in der Antarktis bauen und dafür eine 2,7 Kilometer lange und 40 Meter breite Landebahn aus Beton anlegen. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, wäre es eines der größten Infrastrukturprojekte in der Antarktis, die als eine der letzten unberührten Wildnisse der Erde gilt.
Offiziell darf gemäß des Antarktisvertrages aus dem Jahr 1959 kein Land territoriale Ansprüche auf den Südkontinent anmelden. Die Antarktis ist damit ein staatsfreies Gebiet. Doch etliche Nationen, darunter Deutschland, China, Russland, die USA, Großbritannien und Australien, betreiben Forschungsstationen auf dem Kontinent.
Die geplante Landebahn wäre Teil eines Flugplatzes, der in der Nähe der australischen Station Davis gebaut werden soll, einer von drei permanenten Stützpunkten Australiens in der Antarktis. Es wäre die erste Betonpiste auf dem Kontinent. Bisher sind alle Landebahnen aus Eis oder Schotter konstruiert.
Gefährdung für Seen, Fjorde, Fossilien und wild lebende Tiere
Laut eines wissenschaftlichen Aufsatzes der Universität von Tasmanien aus dem vergangenen Jahr ist das Gebiet um die Station möglicherweise „das bedeutendste eisfreie Küstengebiet der Antarktis“. „Es verfügt über einzigartige Seen, Fjorde, Fossilien und wild lebende Tiere“, schrieben die Forscher Shaun Brooks und Julia Jabour. Weiter heißt es: „Weddellrobben ziehen in rund 500 Meter Entfernung von der geplanten Landebahn ihren Nachwuchs groß.“ Der Staub vom Bau und der nachfolgende Lärm von niedrig fliegenden Flugzeugen würde diese Kolonien stören.
Ein Artikel des „Guardian“ weist zudem darauf hin, dass für das Projekt Sturmvogelkolonien gesprengt und Pinguinkolonien gestört werden müssten. Außerdem würden mehr als 115.000 Tonnen Beton in der Natur landen. In den 1980er-Jahren habe ein einziger Postabwurf durch ein niedrig fliegendes Flugzeug zu einer Stampede innerhalb einer Kolonie von Königspinguinen geführt, bei der 7000 Tiere ums Leben kamen. Laut Oppositionspolitikern würde die australische Regierung mit dem Projekt auch gegen ihre eigenen Richtlinien verstoßen, wonach Flugzeuge nicht innerhalb von 2,1 Kilometer Entfernung von einer Pinguinkolonie fliegen und sich keine Landebahn innerhalb von 500 Metern von einer Robbenkolonie befinden sollte.
Rund 100 Eisbrecherfahrten notwendig
Die Konstruktion in der Antarktis wäre zudem zeitaufwendig, kompliziert und teuer. Der Versand der Materialien von Hobart auf Tasmanien aus würde voraussichtlich mehr als ein Jahrzehnt dauern und rund 100 Transportfahrten mit einem Eisbrecher erfordern. Das Projekt macht zudem den Bau eines Lagerraums für Sprengstoffe, einen neuen Kai, neue Tanks für Flugkraftstoff und eine vier Kilometer lange Zufahrtsstraße nötig.
Vonseiten der australischen Regierung heißt es jedoch, das geplante Projekt sei notwendig, um Wissenschaftlern und Notfallteams das ganze Jahr über Zugang zur Forschungsstation Davis zu gewähren. „Ein zuverlässiger, ganzjähriger Zugang der Luftfahrt in die Antarktis würde das australische Antarktisprogramm für die kommenden Jahrzehnte unterstützen“, schrieb das Australian Antarctic Program in einem Statement vom Dezember, in dem die Regierung Angebote von Baufirmen anfordert. Des Weiteren heißt es, dass auf diese Weise auch „die Führungsrolle und die langfristigen Interessen Australiens in der Region“ verbessert werden sollen. Indirekt will Australien mit dem Flughafen also auch der wachsenden Präsenz anderer Länder, vornehmlich wahrscheinlich dem chinesischen Einfluss auf dem Kontinent, entgegenwirken.
Große Kritik von Wissenschaftlern
Derzeit sind die einzigen australischen Flüge in die Antarktis über eine Landebahn aus Eis und Schnee – dem Wilkins Aerodrome – in der Nähe der Forschungsstation Casey möglich. Erst Ende Dezember zeigte eine komplexe medizinische Evakuierung eines erkrankten Forschers aus der Station Davis, wie schwierig es ist, die Antarktis schnell zu erreichen. Die Rettung gelang schließlich dank einer aufwendigen, fünftägigen Aktion, bei der Australien mit den USA und China zusammenarbeitete. Die derzeitige Landebahn ist zudem anfällig für die zunehmende globale Erwärmung. Hohe Temperaturen destabilisieren schon jetzt die Pistenoberfläche.
Obwohl der neue Flughafen in erster Linie der Wissenschaft zugutekommen soll, sind es Wissenschaftler, die das Projekt am stärksten kritisieren. Nur wenige Forscher seien „begeistert“ von dem Projekt, sagte der Umweltwissenschaftler Shaun Brooks von der Universität von Tasmanien dem Guardian. Er hält das Projekt für eine Art „Fahneschwingen“, mit dem man den territorialen Anspruch Australiens „verfestigen“ wolle. Der Plan setze einen „falschen Präzedenzfall“. Denn: „Wie kann man eine Landebahn im Wert von mehreren Milliarden Dollar für eine Basis mit nur 19 Personen im Winter rechtfertigen, die seit 1957 problemlos gewartet wird?“
Die Pläne für eine betonierte Landebahn werden in Australien derzeit noch einer Umweltprüfung unterzogen. Eine endgültige Entscheidung wird vermutlich nicht vor 2022 fallen. Doch sollte das Projekt genehmigt werden, würde der Bau wohl bereits 2023 beginnen.
RND