Forschende untersuchen, wie Gedränge und Massenpaniken entstehen können
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In Notsituationen laufen Menschen eher der Gruppe hinterher, halten Forschende in einer Studie fest.
© Quelle: -/kyodo/dpa
Die Zahl der Toten nach einem Gedränge bei einer Halloweenparty im südkoreanischen Seoul ist weiter gestiegen: Jüngsten Angaben zufolge sind über 153 Menschen gestorben. Zu Massenpaniken mit Todesopfern kommt es immer wieder: Anfang Oktober in einem Stadion in Indonesien, im Januar beim Afrika-Cup in Kamerun – und vor zwölf Jahren auch in Deutschland bei der Loveparade in Duisburg.
Wie es zu solchen Katastrophen kommt, versuchten Forschende des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, des Disney Research Zürich, der ETH Zürich und der Rutgers University in New Jersey bereits in einer Studie herauszufinden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten 36 Probandinnen und Probanden in einen virtuellen Raum gebracht, in denen sie einen Avatar von einem Computer aus steuerten. Die Studienteilnehmenden wurden hierbei mit einigen Aufgaben unter Stress gesetzt, um zu simulieren, wie sie sich in einer Notsituation verhalten würden.
Vermeidungsverhalten: Fast alle Probanden laufen nach rechts, um Menschen auszuweichen
Zum Beispiel sollten die Probandinnen und Probanden in einem sehr engen Flur aneinander vorbeigehen, ohne sich zu berühren. „Das Vermeidungsverhalten im virtuellen Raum war dabei das gleiche, wie es bereits Experimente in der realen Welt zeigten: 95 Prozent der Probanden wählten die rechte Seite, um aneinander vorbeizukommen“, schrieben die Forschenden in einer Mitteilung.
In einer weiteren Untersuchung innerhalb der Studie beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Verhalten der Probanden während einer simulierten Evakuierung in einem Gebäude mit vier Ausgängen, das unter anderem wegen der schlechten Beleuchtung für Verwirrung sorgte. Einige Studienteilnehmende wurden mit einem Richtungspfeil zur richtigen Tür geführt, doch die anderen wussten nicht, welche Tür die richtige ist. Die Forschenden erhöhten ihren Stress zusätzlich, indem sie sie unter zeitlichen und finanziellen Druck setzten: Das Gebäude sollte in 50 Sekunden verlassen werden, ansonsten bekamen die Probanden weniger Bonuszahlungen.
Enge, Sackgassen, Rückstau: Dann wird es besonders gefährlich
Unter diesen Voraussetzungen nahmen Gedränge und Zusammenstöße unter Stress schnell zu. Besonders gefährlich war es dort, wo die Probandinnen und Probanden wichtige Entscheidungen treffen mussten. Die Gefahr war auch dann größer, wenn sie in Sackgassen liefen, sich Rückstau bildete und es eng wurde. Die Forschenden fanden in der Studie zudem heraus, dass die Studienteilnehmenden in der Stresssituation eher von der Gruppe beeinflusst wurden. Sprich: Menschen laufen in Notsituationen eher der Gruppe hinterher, was zu gedrängtem Herdenverhalten und Unfällen führen könnte.
Im Zuge der 2016 im Fachjournal „Journal of the Royal Society Interface“ veröffentlichten Studie hielten die Forschenden fest, dass das Verhalten in der Simulation weitgehend übertragbar auf das Verhalten in der realen Welt sei. „Wir konnten zeigen, dass das menschliche Verhalten im virtuellen Raum dem im realen Leben gleicht, was nicht nur der Verhaltensforschung neue Möglichkeiten bietet. So könnten in Zukunft auch Städteplaner oder Architekten solche virtuellen Umgebungen nutzen, um zum Beispiel Evakuierungspläne zu testen“, sagte Mehdi Moussaïd, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, in der Mitteilung.
RND/bk