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Studie: Ausweitung der Landwirtschaft bis 2050 auf Kosten Tausender Tierarten

Symbolfoto: Auf einem Feld von einem Landwirtschaftsbetrieb wird Mais für eine Biogasanlage und als Futter für Kühe gehäckselt.

Symbolfoto: Auf einem Feld von einem Landwirtschaftsbetrieb wird Mais für eine Biogasanlage und als Futter für Kühe gehäckselt.

Leeds. Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten die Lebensräume Tausender Tierarten voraussichtlich stark einschränken. Wenn sich das globale Lebensmittelsystem nicht ändere, schrumpften einer Studie zufolge bis zum Jahr 2050 die Habitate von fast 90 Prozent der terrestrischen Wirbeltierarten. Fast 1300 der knapp 20.000 untersuchten Spezies – Säugetiere, Vögel und Amphibien – würden mindestens ein Viertel ihres Habitats verlieren, etwa 350 Arten mindestens die Hälfte.

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Jedes fünfte Landwirbeltier gilt als gefährdet

Inzwischen stufe die Weltnaturschutzunion (IUCN) ein Fünftel aller Landwirbeltiere als „gefährdet“, „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“ ein, schreibt das internationale Forscherteam in der Zeitschrift „Nature Sustainability“. Die Artenvielfalt schwinde weltweit, die größte Bedrohung für die Lebensräume sei die Ausweitung der Landwirtschaft. Davon wären Tiere in Afrika südlich der Sahara sowie in Mittel- und Südamerika am stärksten betroffen, so die Wissenschaftler.

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„Unsere Studie deutet darauf hin, dass ohne große Veränderungen der Lebensmittelsysteme bis zum Jahr 2050 Millionen Quadratkilometer natürlicher Lebensräume verschwinden könnten“, wird Erstautor David Williams von der Universität Leeds in einer Mitteilung seiner Hochschule zitiert. Das Team erstellte für die voraussichtliche Entwicklung von Natur und Landwirtschaft eine globale Karte in einer hohen Auflösung von 1,5 auf 1,5 Kilometer. Als Rahmendaten für die Prognosen flossen unter anderem ein:

  • die Entwicklung von Bevölkerung und Wohlstand in einer Region
  • die Flächen mit landwirtschaftlichem Potenzial
  • natürliche Lebensräume und Schutzgebiete
  • die Lebensräume von fast 20.000 Landwirbeltieren – etwa 4000 Amphibien, fast 11.000 Vögeln und knapp 5000 Säugetieren
  • die landwirtschaftliche Entwicklung von 2001 bis 2013
  • verschiedene Szenarien für die Zukunft

Tiere müssen mehr Landwirtschaftsfläche weichen

Mit einem Weiter-so-Szenario würde die landwirtschaftliche Fläche weltweit bis 2050 im Vergleich zu 2010 um 26 Prozent oder umgerechnet 3,35 Millionen Quadratkilometer zunehmen. Das entspricht fast der zehnfachen Fläche Deutschlands (357.000 Quadratkilometer). Betroffen davon wären vor allem Afrika südlich der Sahara, Süd- und Südostasien sowie Mittelamerika und Teile von Südamerika, etwa im Norden von Argentinien. In Nordamerika würden vor allem im Süden von Kanada und im Südwesten der USA neue Agrarflächen entstehen. In Teilen Europas rechnen die Forscher mit einer geringen Abnahme von Agrarflächen.

In diesem Szenario würden bis 2050 für gut 17.400 der 19.859 Arten (87,7 Prozent) der Lebensraum schrumpfen. Etwa 6 Prozent der Tiere hätten mehr Lebensraum – drei Viertel davon wären Vögel, die auf Agrarflächen leben können. In Afrika südlich der Sahara würden die Lebensräume der untersuchten Arten im Mittel um mehr als 14 Prozent schrumpfen – besonders betroffen wären etwa Säugetiere in Ostafrika.

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Knapp 1300 Arten weltweit würden mindestens ein Viertel ihres Lebensraums verlieren, fast 350 mindestens die Hälfte und 96 mindestens 75 Prozent. Gerade von diesen gelten mehr als 50 Prozent ohnehin schon als bedroht. „Eine Ausdehnung der Landwirtschaft könnte in den kommenden Jahrzehnten zur regionalen oder globalen Ausrottung vieler Arten führen“, schreiben die Forscher. Das gelte insbesondere für Regionen mit hoher Artenvielfalt.

Ernährungsgewohnheiten müssen angepasst werden

Die Forscher sehen ihre Prognose als Aufforderung an die Politik, die Landwirtschaft gezielter zu steuern. Dazu könne etwa eine Umstellung auf gesündere Ernährung beitragen, geringere Verluste von Lebensmitteln etwa bei Transport und Lagerung sowie eine bessere Koordinierung von Agrarflächen und Schutzgebieten.

Würde man alle solchen Maßnahmen nutzen, lasse sich die Agrarfläche bis 2050 im Vergleich zu 2010 sogar um fast 3,4 Millionen Quadratkilometer verringern – um 6,7 Millionen Quadratkilometer im Vergleich zum Weiter-so-Szenario. Die natürlichen Lebensräume würden dann in allen Regionen im Mittel um maximal ein Prozent schrumpfen – etwa in Afrika südlich der Sahara.

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„Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Lebensraumverluste für die am schwersten betroffenen Arten bei Weitem weniger gravierend wären als beim Weiter-so-Szenario“, schreibt das Team. Letztlich würde dann für 33 Arten der Lebensraum um mehr als ein Viertel schrumpfen, nicht für 1280.

Die Forscher betonen, dass ihre Studie zwar eine hohe räumliche Auflösung biete, tatsächlich könne der Artenschwund aber wesentlich größer ausfallen: So berücksichtige die Prognose weder den Klimawandel noch die Umweltverschmutzung, den Einfluss invasiver Arten oder die Zersplitterung der Lebensräume.

RND/dpa/fwt

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