Strom aus dem Weltall: Science-Fiction oder bald schon Wirklichkeit?
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Die europäische Weltraumagentur Esa erforscht die Möglichkeit, Solarstrom im Weltall zu gewinnen und zur Erde zu schicken.
© Quelle: ESA
Science-Fiction-Autor Isaac Asimov hatte die Idee schon vor über 80 Jahren: In seiner Kurzgeschichte „Reason“ (erschienen 1941) fängt eine Station im Weltall die Sonnenenergie ein und verteilt sie durch Mikrowellenstrahlung auf verschiedene Planeten. Nun könnte dieses Szenario Realität werden. Im November will der Ministerrat der europäischen Weltraumorganisation Esa entscheiden, ob intensiver an einer Technik geforscht werden soll, mit der sich Solarenergie im Weltraum gewinnen lässt. Von dort soll sie in Form von Mikrowellen zur Erde geschickt werden.
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Auch die USA, China und Japan erforschen schon länger ein solches Verfahren. Nur galt die Energiegewinnung im Weltraum lange Zeit als zu teuer und technisch schwierig. Es war bisher unwahrscheinlich, dass wirklich eine Solarstation im All errichtet würde. Durch Entwicklungen der vergangenen Jahre glauben nun jedoch immer mehr Experten und Expertinnen an die Umsetzbarkeit eines solchen Projekts. Auch wenn es nach wie vor technische Hürden gibt.
Satelliten mit Solarpanels
Um Sonnenenergie aus dem Weltraum zu nutzen, müssten Satelliten mit Solarpanels in den geostationären Erdorbit (GEO) gebracht werden, eine Umlaufbahn auf Höhe des Äquators in etwa 36.000 Kilometern Entfernung zu unserem Planeten. Sonnenstrahlung im geostationären Orbit einzufangen hat zwei Vorteile: Anders als Solarstationen auf der Erde würden Satelliten in dieser Umlaufbahn fast 24 Stunden lang von der Sonne bestrahlt. Zudem ist die Sonnenstrahlung im Weltall stärker als auf der Erde.
Die Energie, die von den Satelliten eingefangen wird, müsste in einer Weltraumsolaranlage in Mikrowellen umgewandelt werden. Diese Mikrowellen sollen dann zur Erde geschickt und dort von Solarpanels oder Antennen eingefangen werden.
Um für die Industrie oder Privathaushalte nutzbar zu werden, müssen die Mikrowellen auf der Erde in einem letzten Schritt erneut in Elektrizität umgewandelt werden. Der Energietransfer aus dem Weltraum zur Erde gehört zu den Schwächen des Modells. Obwohl die Energieausbeute im All eigentlich größer ist, ginge ein großer Teil davon durch die Umwandlungsprozesse und beim Transport verloren, was das Verfahren wieder weniger effizient macht.
Geschätzt 418 Milliarden Euro Kosten
Wie aus einer Machbarkeitsstudie hervorgeht, die die Esa beim Unternehmen Frazer-Nash in Auftrag gegeben hatte, gibt es noch ein weiteres Problem: Es würden viel zu viele Weltraumflüge nötig, um die benötigte Technik ins All zu bringen. Um nur einen Satelliten mit Solaranlage ins Weltall zu schießen, würde es derzeit vier bis sechs Jahre dauern. Es müssten aber mindestens 21 und bis zu 54 Anlagen entstehen, damit es sich lohnt, die Solarenergie aus dem Weltraum zu nutzen. Um die größtmögliche Strommenge zu liefern, müsste die Zahl der Weltraumflüge um das 200-Fache erhöht werden, so Frazer-Nash. Daher seien „erhebliche Investitionen in neue Weltraumtransportstandorte und Trägerraketen erforderlich“. Frazer-Nash bringt dabei den Bau eines neuen „europaeigenen“ Raumfahrtzentrums ins Spiel. Insgesamt sei bei einem Ausbau der Technologie mit einem Bedarf an Hunderten oder sogar Tausenden Raketenstarts pro Jahr zu rechnen.
In der Studie von Frazer-Nash wurden auch die Kosten für die Installation der Solaranlagen geschätzt. Rund 15,7 Millionen Euro werden dabei für ein 18 Jahre dauerndes Entwicklungsprogramm und die Entwicklung eines Prototypen veranschlagt. Weitere 9,8 Milliarden Euro kämen dann für die erste voll funktionsfähige Station hinzu sowie 3,5 Milliarden jährliche Betriebskosten. Je mehr Anlagen installiert würden, desto niedriger wäre der Preis pro Anlage. Die Gesamtkosten für 54 Satelliten, die bis zum Jahr 2070 ins All geschossen werden könnten, schätzt das Unternehmen auf 418 Milliarden Euro. Die Energieausbeute könnte dann bei bis zu 800 Terawattstunden (TWh) pro Jahr liegen. Das wäre mehr als der jährliche Energieverbrauch von Deutschland, dieser lag laut Bundesumweltamt im vergangenen Jahr bei 565 TWh.
Frazer-Nash kommt zu dem Schluss, dass sich die Investition trotz der enormen Kosten lohnen könnten, auch um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Bis zum Jahr 2040 könne Solarenergie aus dem Weltraum zur Erde geliefert werden, fossile Brennstoffe ersetzen und zum Mix aus erneuerbaren Energien beitragen. Einen Vergleich, wie viel Strom aus erneuerbaren Energien mit den gleichen Investitionen auf der Erde gewonnen werden könnte, enthält die Machbarkeitsstudie allerdings nicht.
Viel Auffangfläche benötigt
Weitere Fragen, die noch geklärt werden müssen, sind laut Esa mögliche Auswirkungen auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und die Vereinbarkeit mit internationalen Weltraumabkommen. So ist zum Beispiel jetzt schon klar, dass sehr große Flächen auf der Erde benötigt würden, um die Energie aufzufangen. Für zehn Satelliten würde laut der Studie eine Fläche auf der Erde von 649 Quadratkilometern benötigt.
Im inneren Bereich wäre die Mikrowellenstrahlung dort so intensiv, dass Menschen vor ihr geschützt werden müssten. Im äußeren Bereichen hält die Esa hingegen einen gleichzeitigen Anbau von Nutzpflanzen für möglich. Auch würden durch die Technologie zwar auf der Erde Ressourcen geschont. Im All könnte dafür aber noch mehr Weltraumschrott entstehen, der ohnehin zu einem immer größeren Problem wird.
Elon Musk ist nicht überzeugt
Bei dem für November geplanten Ministerratstreffen der Esa in Paris soll nun zunächst entschieden werden, ob die Umsetzbarkeit des Projekts weiter geprüft wird. Im Jahr 2025 könnte dann die Entscheidung fallen, ob die Esa tatsächlich in den Bau einer Solarstation im All investieren will.
Das private Weltraumunternehmen SpaceX ist übrigens nicht an einer Nutzung von Solarenergie aus dem Weltraum interessiert. SpaceX-Inhaber Elon Musk sagte 2018 in einem Interview, er halte das für „die dümmste Sache überhaupt“. Solarenergie im Weltraum zu gewinnen sei nur dann sinnvoll, wenn dies effizienter möglich sei als auf der Erde. Weil die Energie dabei zweimal transformiert werden müsse, sei das aber nicht realistisch. Es sei „superoffensichtlich“, dass das Konzept nicht funktionieren werde, so Musk.