Am „Ort ohne Wiederkehr“: Wie gefährlich sind Schwarze Löcher?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/WAZOIJOORJAOPCTTHEQWEAKMIY.jpeg)
HANDOUT - Supermassive black holes, which lie at the centers of galaxies, are voracious. They periodically "sip" or "gulp" from the swirling disks of gas and dust that orbit them, which can result in massive outflows that affect star formation locally and farther afield. When the James Webb Space Telescope begins observing galaxies' cores, its infrared instruments will pierce through the dust to deliver images and incredibly high-resolution data that allow researchers to learn precisely how one process sets off another, and how they create an enormous feedback loop. Credit: ESA/AOES Medialab ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits. Foto: ESA/AOES Medialab
© Quelle: ESA/AOES Medialab
Es ist eine Entdeckung, die am Donnerstag weltweit für Aufsehen gesorgt hat: Internationalen Astronominnen und Astronomen ist es gelungen, ein Foto des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße, unserer Galaxie, zu machen. Es trägt die Bezeichnung Sagittarius A* – benannt nach dem Sternbild Schütze, in dem es am Firmament steht.
Superteleskop zeigt Schwarzes Loch in der Milchstraße
Wissenschaftler haben am Donnerstag erstmals ein Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße vorgestellt.
© Quelle: dpa
Das supermassereiche Schwarze Loch ist 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt – und hat eine Masse, die 6,5 Milliarden Mal so groß ist wie die der Sonne. Ihre Ergebnisse haben die Astronominnen und Astronomen in einer Sonderausgabe des Fachmagazins „Astrophysical Journal Letters“ zusammengefasst. „Wir haben etwas erreicht, das noch vor einer Generation für unmöglich gehalten wurde“, sagte Projektleiter Sheperd S. Doeleman vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es ein weiterer wichtiger Schritt bei der Erforschung Schwarzer Löcher. Doch wie entstehen diese Massemonster im All überhaupt? Und wieso gibt es von ihnen bislang nur so wenige Bilder? Ein Überblick.
Wie entsteht ein Schwarzes Loch?
Schwarze Löcher im Universum sind Orte der Extreme. Sie haben keine Oberfläche wie ein Planet oder ein Stern, sondern sind Regionen im Weltraum, an denen sehr große Masse auf kleinem Raum konzentriert ist. Die Anziehungskraft ist so hoch, dass nicht einmal Licht einem schwarzen Loch entkommen kann. Daher ist das Schwarze Loch schwarz.
Es gibt unterschiedliche Arten von Schwarzen Löchern, die jeweils eine andere Entstehungsgeschichte haben. Stellare Schwarze Löcher entstehen zum Beispiel aus Sternen. Am Ende der Entwicklung von massereichen Sternen explodieren sie als sogenannte Supernova. Das Innere der Sterne stürzt zusammen und kollabiert zu einem Schwarzen Loch.
Der Ursprung Schwarzer Löcher mittlerer Masse ist hingegen wohl eine Kollision mehrerer Sterne. Forscherinnen und Forscher vermuten, dass sich diese Art von Schwarzen Löchern in Sternenhaufen und Zwerggalaxien befindet. Einen konkreten Beweis für die Existenz dieses Typs gibt es bislang aber noch nicht. Auch bei Supermassereichen Schwarzen Löchern wie Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße ist noch unklar, wie sie genau entstehen.
Wie viele Schwarze Löcher gibt es?
Diese Frage hat ein Forscherteam um Alex Sicilia von der italienischen Forschungseinrichtung „Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati“ umgetrieben. In ihrer Studie, die Ende Januar im Fachmagazin „The Astrophysical Joural“ erschienen ist, berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie viele Stellare Schwarze Löcher es im Universum geben muss. Sie gingen dabei davon aus, dass das Universum einen Durchmesser von etwa 90 Milliarden Lichtjahren hat.
Ihr Ergebnis ist eine Zahl mit 19 Nullen: Allein im beobachtbaren Universum gebe es den Berechnungen zufolge etwa 40 Trillionen Stellare Schwarze Löcher. „Dies ist eine der ersten und robustesten Berechnungen der Massen Stellarer Schwarzer Löcher in der kosmischen Geschichte“, wird Studienautor Sicilia in einer Pressemitteilung seiner Forschungseinrichtung zitiert. Die genaue Anzahl der Schwarzen Löcher im Universum dürfte jedoch weiter ein Geheimnis bleiben.
Was befindet sich in einem Schwarzen Loch?
Illustrationen von Schwarzen Löchern ähneln oftmals einem galaktischen Wirbelsturm. Das eigentliche Schwarze Loch wird als Singularität bezeichnet. Gemeint ist der Punkt, an dem die gesamte Masse des Objekts auf kleinem Raum komprimiert ist und eine extrem starke Anziehungskraft ausübt. Raum und Zeit verbiegen sich. Licht und Materie folgen dieser Krümmung und werden so stark abgelenkt, dass sie Schwarze Löcher nicht mehr verlassen können. Die Massemonster sind also quasi kosmische Einbahnstraßen.
Was sich im Inneren eines Schwarzen Lochs befindet, darüber kann keine Aussage getroffen werden. Denn um das Schwarze Loch herum gibt es eine Grenze: den sogenannten Ereignishorizont. Alles, was dahinter liegt, ist nicht mehr sichtbar. Es ist der „Ort ohne Wiederkehr“. Materie, die den Ereignishorizont überschreitet und ins Innere des Schwarzen Lochs gelangt, kann nicht mehr nach außen zurückkehren. Meist sammelt sich zudem heiße Materie wie Gase um rotierende Schwarze Löcher. Astrophysikerinnen und Astrophysiker sprechen von der Akkretionsscheibe, auf Illustrationen häufig als farbiger, leuchtender Ring dargestellt.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/BWWKUXUTQNCVNKJB6L4CMO25EE.jpeg)
In dieser Abbildung ist das Supermassive Schwarze Loch im Zentrum von Materie umgeben, die in einer sogenannten Akkretionsscheibe auf das Schwarze Loch zufließt. Diese Scheibe bildet sich, wenn der Staub und das Gas in der Galaxie auf das Loch fällt und von dessen Schwerkraft angezogen wird.
© Quelle: NASA/JPL-Caltech
Wie können Schwarze Löcher gefunden werden?
Schwarze Löcher zu finden ist tatsächlich eine Herausforderung für die Wissenschaft. Da sie weder Licht noch sonstige Strahlung freisetzen, sind sie im schwarzen Weltall geradezu unsichtbar. Hinzu kommt, dass sie sehr weit von der Erde entfernt sind. Kein Teleskop der Welt hat eine Auflösung, die ausreicht, um ein Schwarzes Loch zu fotografieren. Wie kam dann die Aufnahme von Sagittarius A* zustande?
Die Forscherinnen und Forscher haben acht Radioteleskope auf vier Kontinenten zusammengeschlossen. So entstand ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde, das „Event Horizon Telescope“ (EHT). Es besitzt eine Detailschärfe, mit der von Berlin aus eine Zeitung in New York gelesen werden könnte. Das konnten sich die Astronominnen und Astronomen zunutze machen, um ins Zentrum der Milchstraße vorzudringen.
Sie haben dabei ihren Fokus nicht auf das Schwarze Loch selbst gerichtet, sondern auf seine unmittelbare Umgebung. Die heiße Materie, die das Schwarze Loch umgibt, wandert mit der Zeit hinter den Ereignishorizont – also ins Innere –, wobei Energie freigesetzt wird. Dieser Vorgang, als Akkretionsfluss bekannt, ist auf dem veröffentlichten Bild von Sagittarius A* zu erkennen. Der feuerrote Kreis ist rotierende Materie, die gerade ins Schwarze Loch gesogen wird. Die Strahlung, die dabei entsteht, können die Forschenden auf der Erde messen.
Als würde man versuchen, ein scharfes Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinen Schwanz jagt.
Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie über die Herausforderung des Sagittarius A*-Bildes
Es ist nicht die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Im Jahr 2019 hatten die EHT-Forscherinnen und -Forscher ein Bild des weit größeren und massereicheren Schwarzen Lochs im Zentrum der rund 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87 präsentiert. Es ist zwar weiter von der Erde entfernt, war aber sogar leichter zu fotografieren als Sagittarius A*.
„Die Strahlung des Schwarzen Lochs von M87 ist über Stunden hinweg konstant“, erläuterte Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Das Objekt im galaktischen Zentrum dagegen verändert sich schon im Verlauf weniger Minuten. Wir mussten deshalb völlig neue Methoden für die Auswertung entwickeln.“ Es sei „ein bisschen so, als würde man versuchen, ein scharfes Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinen Schwanz jagt“.
Kann ein Schwarzes Loch zur Gefahr für die Erde werden?
Dass die Erde von einem Schwarzen Loch verschluckt werden könnte, ist extrem unwahrscheinlich. Es bleibt eher Science-Fiction. Schwarze Löcher sind vor allem dann gefährlich, wenn man ihnen zu nahe kommt. Die meisten von ihnen befinden sich jedoch in sicherer Entfernung zur Erde. Das nächstgelegene Schwarze Loch, das Astronominnen und Astronomen der Europäischen Südsternwarte Anfang 2020 entdeckt haben, ist rund 1000 Lichtjahre entfernt. Zur Verdeutlichung: Ein Lichtjahr entspricht einer Entfernung von mehr als 9,4 Billionen Kilometern.
Eine Kollision mit einem Schwarzen Loch würde die Erde in jedem Fall nicht überstehen. Sie würde auseinanderbrechen. Anders wäre es, wenn sich plötzlich die Sonne in ein Schwarzes Loch verwandeln würde: Dann „würde unser Planet keine Änderung der auf ihn wirkenden Gravitationskraft feststellen und auf derselben Umlaufbahn bleiben“, erklärte der inzwischen pensionierte Physik- und Astronomieprofessor Paul Delaney von der York University vergangenes Jahr in einem Beitrag der Universität. „Es würde natürlich sehr dunkel und sehr kalt werden, aber die Schwerkraft des Schwarzen Lochs in unserer Entfernung wäre kein Problem.“
RND/mit Material der dpa
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter