Rheumatoide Arthritis: wie Parodontose zur Entstehung beiträgt
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Rheumatoide Arthritis beginnt oft in den Fingergelenken.
© Quelle: Adobe Stock/ hriana
Parodontose kann zu rheumatoider Arthritis (RA) beitragen und die Autoimmunerkrankung bei empfänglichen Menschen möglicherweise sogar auslösen. Die Mechanismen dieses schon lange vermuteten Zusammenhangs hat nun ein US-Forschungsteam detailliert ermittelt. „Die Arbeit stellt auf einem sehr hohen und modernen Niveau einen immunologischen Zusammenhang her“, sagt Ulf Wagner, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), der nicht an der Studie beteiligt war. Offen ist, ob eine bessere Mundhygiene bereits bestehende Gelenkentzündungen bessern kann.
In Deutschland haben etwa ein Prozent der Erwachsenen eine rheumatoide Arthritis. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer. Meist entwickeln sich die Gelenkbeschwerden – oft an Fingern, Zehen, Ellbogen oder Knien – nach dem 50. Lebensjahr. Bei der Erkrankung greift das Immunsystem die Gelenke aus bislang ungeklärter Ursache an.
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Hälfte der Bevölkerung von Parodontose betroffen
Schon lange besteht der Verdacht, dass solche Autoimmunreaktionen durch Infektionen entstehen können. Parodontose, eine Entzündung des Zahnhalteapparats, betreffe fast die Hälfte der Bevölkerung und sei bei Menschen mit rheumatoider Arthritis auffällig häufig, schreibt nun das Team um den Immunologen William Robinson von der kalifornischen Stanford University im Fachblatt „Science Translational Medicine“.
Demnach können durch diese dauerhaften Entzündungen Bakterien aus der Mundhöhle in den Blutkreislauf gelangen. Auch dass Arthritispatientinnen und -patienten mit akuten Zahnfleischproblemen oft eine Verschlimmerung der Beschwerden erleiden, spreche für eine Beteiligung von Parodontose an Gelenkentzündungen.
Vermutet wurde bereits eine zentrale Beteiligung bestimmter Antikörper. Diese sogenannten ACPAs (Anti-Citrullinated Protein Antibodies) richten sich gegen bestimmte Proteine, die infolge von Entzündungen durch Enzyme verändert sind – im Fachjargon: citrulliniert. Solche ACPAs gehen dem Beginn von Symptomen oft um Jahre voraus und gehen mit einem besonders schweren RA-Verlauf einher.
Mundbakterien gelangen in Blutkreislauf
Um einen möglichen Zusammenhang zu klären, untersuchte das Team um Robinson Blutproben von fünf RA-Patientinnen über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren – im Mittel gab jede Teilnehmerin 67 Proben ab.
Nach einer ganzen Reihe von Analysen und Laborversuchen zeichnet sich folgendes Bild ab: Bei Menschen mit Parodontose gelangen Mundbakterien – bei den untersuchten Frauen waren es überwiegend Streptokokken – in den Blutkreislauf. Diese Bakterien aktivieren im Blut verschiedene Gruppen von Immunzellen. Im Rahmen dieser Immunreaktion können Antikörper entstehen, die sich eigentlich gegen citrullinierte Proteine der Mundbakterien richten. Doch diese ACPAs kreuzreagieren mit citrullinierten Proteinen in menschlichem Gewebe und sorgen so für die entzündliche Gelenkerkrankung.
Die Präsenz von Bakterien aus dem Mundraum könne Immunreaktionen auslösen, die wahrscheinlich im Laufe der Zeit bei empfänglichen Menschen zur Entstehung von rheumatoider Arthritis beitragen, schreibt die Gruppe. Da Parodontose 47 Prozent der Bevölkerung betreffe, rheumatoide Arthritis aber nur ein Prozent, müssten aber noch zusätzliche Faktoren an der Entstehung der Krankheit beteiligt sein.
Mundhygiene rückt stärker in den Blickpunkt
Zu diesen Faktoren zählten unter anderem bestimmte genetische Merkmale, erläutert der deutsche Experte Wagner. Die Studie liefere über die genaue Charakterisierung von an der Erkrankung beteiligten Immunzellen neue Zielstrukturen zur Entwicklung von Medikamenten.
Zudem, so der Leiter der Rheumatologie am Uniklinikum Leipzig, dürfte die Mundhygiene bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nun stärker in der Blickpunkt der Forschung rücken. „Die Studie stärkt die Notwendigkeit guter Mundhygiene, auch wenn der Nachweis für einen Nutzen bei rheumatoider Arthritis nicht leicht zu erbringen sein wird.“ Es sei fraglich, ob Mundhygiene jenen Patientinnen und Patienten helfen könne, bei denen die Autoimmunerkrankung bereits ausgebrochen sei.