Quengelt das Baby oder hat es Schmerzen? Den Unterschied müssen Eltern erst lernen
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Wenn Babys weinen, müssen Eltern auf Ursachensuche gehen. Drücken körperliche Beschwerden oder hat das Kleine einfach nur schlechte Laune?.
© Quelle: Mascha Brichta/dpa-tmn
Saint-Étienne. Hat das Baby Schmerzen oder quengelt es nur? Das wissen junge Eltern doch sicher intuitiv – oder? Anders als wohl von vielen angenommen, ist diese Fähigkeit keineswegs angeboren, berichten Forschende im Fachmagazin „Current Biology“. Babygeschrei interpretieren zu können, müsse erlernt werden. Nur einer bestimmten Gruppe gelingt es demnach vielfach, nicht nur bei bekannten, sondern auch bei fremden, zuvor noch nie gehörten Babys herauszuhören, ob sie wegen Schmerzen schreien oder nur unzufrieden sind.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Nicolas Mathevon von der Universität Saint-Étienne (Frankreich) hatten Menschen mit unterschiedlich viel Erfahrung im Umgang mit Babys in ihre Analyse einbezogen. Dazu zählten Personen ohne jegliche Erfahrung, Eltern von Kindern unterschiedlichen Alters, Menschen mit gelegentlicher Erfahrung etwa als Babysitter und Nicht-Eltern mit umfassenderer beruflicher Erfahrung in der Betreuung von Kleinkindern.
Eltern von Kleinkinder erkennen auch fremde Babys
Für alle gab es zunächst ein kurzes Training mit acht verschiedenen, jeweils einige Sekunden langen Aufnahmen von Geschrei eines einzelnen Babys: entweder Schreie leichten Unbehagens beim Baden zu Hause oder Schmerzensschreie beim Impfen in einer Kinderarztpraxis. Anschließend wurde die Fähigkeit der Teilnehmer getestet, neue Schreisequenzen des ihnen vertrauten Babys und von einem unbekannten Baby Unbehagen oder Schmerz zuzuordnen.
Männer und Frauen ohne Erfahrung im Umgang mit Babys konnten die Aufnahmen nicht häufiger als nach dem Zufall zu erwarten korrekt deuten. Besser schlugen sich Eltern mindestens fünf Jahre alter Kinder und Fachleute – mit Abstand am besten aber die Eltern von Kleinkindern unter zwei Jahren. Sie waren in der Lage, die Schreie eines Babys selbst dann häufig korrekt zu interpretieren, wenn sie das Kind noch nie zuvor gehört hatten.
Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Eltern älterer Kinder und auch den Menschen mit Berufserfahrung gelang das weniger gut. Bei den professionellen Betreuern sei das zunächst überraschend gewesen, sagte Mitautorin Camille Fauchon, ebenfalls von der University of Saint-Étienne. „Aber es stimmt mit der Annahme überein, dass erfahrene Zuhörer eine Resistenz entwickeln, ihre Empfindlichkeit für akustische Schmerzsignale verringert sich.“ Unterschiede zwischen Männern und Frauen gab es in keiner der Gruppen.
Die Ergebnisse zeigen dem Team um Mathevon zufolge, dass Babygeschrei Informationen enthält, die in der akustischen Struktur kodiert sind. Dass die Interpretation der Schreie bekannter Säuglinge gut erlernbar ist, macht demnach aus evolutionärer Sicht Sinn: Beim Menschen betreue oft ein über die Kernfamilie hinaus reichendes Netzwerk den Nachwuchs, das zum Beispiel auch die Großeltern und weiter entfernte Verwandte sowie nicht verwandte Bezugspersonen wie Kinderbetreuer umfasse.
RND/dpa
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