Paartherapeut: Wer wegen Corona nicht raus kann, sollte in sich gehen
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Aufgrund der aktuellen Corona-Krise haben die Menschen teilweise viel Zeit. Anstatt sich selbst unter Druck zu setzen, sollte man versuchen, in aller Ruhe in sich zu gehen, empfiehlt Paartherapeut Christian Hemschemeier.
© Quelle: Jon Ly/ Unsplash
Die “Corontäne” hat auf politischer, wirtschaftlicher, sozialer - aber auch auf persönlicher Ebene einige Herausforderungen im Gepäck. Die gewohnten Treffen mit Freunden, die Tätigkeit in Vereinen und das Ausüben von Hobbys liegen brach. Vielerorts fällt sogar der Arbeitsweg weg, da das Arbeiten von zu Hause an der Tagesordnung liegt. Das bedeutet also, dass wir nun von einem Gut, über dessen Mangel wir uns sonst gerne beschweren, viel mehr haben als üblich. Zeit.
“Corontäne”: Endlich mehr Zeit - oder?
Zeit mit der wir so viel anzufangen wissen - zumindest in den Phasen, in denen wir scheinbar zu wenig davon haben. „Wenn ich mal richtig viel Zeit hätte, würde ich all meine Bücher lesen, den Keller ausmisten, die komplette Wohnung aufräumen, Sport machen und mich mit dem Thema gesunder Ernährung beschäftigen.“ Wer kennt diese Aussagen nicht. An sich spielt uns die derzeitige Situation demnach zumindest hinsichtlich der neugewonnenen Zeit in die Karten. Eigentlich.
Denn egal mit wem ich mich austausche, die meisten Menschen machen nichts von dem, was sie sich vorgenommen hatten. Vielmehr beschäftigen wir uns damit, die aktuelle Situation tot zu analysieren, den minütlichen Corona-Ticker zu checken oder einfach damit, uns in unseren endlosen To-Do Listen zu verlieren, in denen wir akribisch festhalten, was wir nun alles während der “Corontäne” machen wollen.
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Christian Hemschemeier ist Paartherapeut in Hamburg und Experte in Sachen Dating, Partnerschaft und Liebe.
© Quelle: Privat/Patan
Unser Selbstwert hängt von vielen Faktoren ab
Ganz nebenbei bauen wir so einen enormen Druck für uns selbst auf - denn die neugewonnene Zeit sollte ja auch produktiv genutzt werden. Unsere Liste ist schließlich lang. Doch müssen wir uns und unsere Zeit denn wirklich immerzu optimieren, immer alles geben, fleißig sein, etwas erschaffen? Sind wir nur dann in Ordnung, wenn wir etwas tun?
Leider definieren wir uns heutzutage viel zu oft über unsere Leistungen, unseren Körper und das Aussehen oder über materielle Güter wie Häuser oder Autos. Unser Selbstwert hängt oft von äußeren Faktoren ab, die wegbrechen können und somit nicht beständig sind.
Viele Teile des Lebens sind von “Außen” abhängig
Ein Grund, warum es momentan vielen neben der gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Sorge nicht sonderlich gut geht, ist auch die Tatsache, dass wir uns nicht mehr “draußen” ablenken können. „If you can´t go outside, go inside“. Klingt einfach, ist es aber nicht. Zumindest nicht, wenn wir unser Leben oder große Teile davon dahingehend ausgerichtet hatten.
Zum einen werden wir auf Ängste, Sorgen und Probleme stoßen, die nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben, sondern in unserer Vergangenheit liegen. Zum anderen kostet der Schritt nach Innen jede Menge Mut und Überwindung. Da ist es doch viel einfacher, sich nach Außen zu orientieren. Wenn es denn ginge.
Ein Lächeln kann man auf Distanz verschenken
Ich denke, wir sollten diese Krise auch als Chance für eine Innenschau nutzen. Wir müssen uns ja nicht um 180 Grad drehen. Jedoch schadet es sicherlich nicht, wenn wir das ein oder andere Thema mal näher beleuchten, ganz alleine für uns. Vielleicht gelingt es uns dadurch, etwas weicher zu uns selbst zu werden und uns nicht mehr so viel im Außen abzuverlangen, um uns wertvoll zu fühlen.
Denn das Schöne ist ja: Wir sind wertvoll, ganz ohne etwas dafür zu tun. Dieses neue, weichere Ich können wir übrigens schon jetzt zum Einsatz bringen - etwa beim Einkaufen, Spazieren gehen oder Müll rausbringen. Ein Lächeln verschenken oder freundlich grüßen geht auch auf Distanz - garantiert ohne Ansteckung. Dafür mit viel Freude - für uns und die Anderen.
Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen über www.liebeschip.de. Sein Buch „Der Liebescode“ (Luther Verlag) ist 2019 im Handel erschienen.