Ölbohrungen im Naturschutzgebiet: Namibia und Botswana in der Kritik

Das Gebiet rund um das Kavongo-Becken ist nicht nur Heimat der Volksgruppe San, sondern auch wichtiger Teil der Wasserversorgung.

Das Gebiet rund um das Kavongo-Becken ist nicht nur Heimat der Volksgruppe San, sondern auch wichtiger Teil der Wasserversorgung.

Es ist das zweitgrößte Landschutzgebiet auf der Welt: die Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (Kaza TFCA) im südlichen Afrika, die sich über Simbabwe, Botswana, Namibia, Angola und Sambia ausdehnt. Es ist nicht nur als Schutzgebiet errichtet worden, um die große Population von Elefanten zu schützen – 250.000 Tiere sollen es sein, es ist auch eines der feuchtesten Gebiete in Namibia und Botswana, sorgt für die Frischwasserversorgung von einer Million Menschen, bietet dem Urvolk der San eine Heimat. Die Kreditbank für Wiederaufbau gibt für den Schutz des Gebiets 20 Millionen Euro.

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Doch nun ist das Areal bedroht. Offenbar ohne Einbeziehung der Umweltbehörden hat eine kanadische Ölfirma die Genehmigung erhalten, im sensiblen Kavango-Becken nach Erdöl zu suchen. Reconafrica, wie die Frackingfirma heißt, hat die Lizenz, im gesamten Kavango-Gebiet auf 25.341,33 Quadratkilometern nach Öl- und Gasvorkommen zu suchen, heißt es in einer Pressemitteilung. „Das Kavango-Becken hat eine dicke Perm-Sequenz, von der wir glauben, dass sie ein riesiges konventionelles Ölspiel liefern wird.“ In neun Kilometern Tiefe vermute man wertvolle maritime Mineralien und Gesteine. Erste Analysen hätten ergeben, dass die Erfolgschancen hoch sind.

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Experten sehen Frischwasserversorgung bis in die Hauptstadt Windhuk gefährdet

Ina-Maria Eshito Shikongo organisiert die Fridays-for-Future-Bewegung (FFF) in Namibia und bezeichnet das Vorhaben als „Desaster für die Umwelt“. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte sie: „Dieses Projekt wird nichts Gutes bringen. Die Bohrungen sollen neben dem Omatako-Fluss gebaut werden, dessen Wasser bis ins Zentrum des Landes fließt und auch Windhuk mit Frischwasser versorgt.“

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Shikongo fragt sich, was passieren wird, wenn der Fluss tatsächlich durch Fracking und Bohrungen verunreinigt würde. Gefährdet ist auch der Kavango-Fluss, der einzige Wasserlieferant für das Okavangodelta. Er bringt nicht nur Trinkwasser zu den Menschen, sondern sorgt auch dafür, dass sie Nahrung und Arbeit haben. „Mit diesem Projekt vergiften wir nicht nur unser eigenes Wasser in Namibia und Botswana – sondern auch das von Menschen in Simbabwe, Sambia und Angola, die kein Fracking betreiben“, sagt Shikongo. Vor allem in Namibia gibt es immer wieder schwere Dürreperioden – die Gefahr der Versiegelung der letzten Frischwasserquellen wird real.

„Die Biodiversität in diesem ohnehin fragilen Ökosystem wird verändert werden, sie wird sterben“

Bereits im Dezember sollen die Bohrungen im namibisch-botswanischen Grenzgebiet beginnen – sofern der derzeit coronabedingt verhinderte Transport von Gerätschaften wie einer Bohrinsel, die aktuell in Houston renoviert wird, bis dahin möglich ist. Bis 2026 darf Reconafrica bohren, finden sich Ölvorkommen, gilt die Lizenz für 25 Jahre.

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Doch das erst jüngst ausgewiesene Gebiet ist nicht umsonst ein Schutzgebiet. Drei Nationalparks grenzen an das Fördergebiet, darunter der Khaudum-Nationalpark und das Okavangodelta. Dazu gehören elf kommunale Reservate zu dem Areal. „Diese Infrastruktur, die nun innerhalb eines Nationalparks entstehen wird, ist eine Gefahr und ein Desaster für das Wildlife. Die Biodiversität in diesem ohnehin fragilen Ökosystem wird verändert werden, sie wird sterben“, sagt FFF-Initiatorin Shikongo. Sie fürchtet, dass mit dem Vorhaben eine ganze Industrie sterben wird – denn innerhalb des Caprivizipfels, benannt nach dem preußischen Offizier und Kolonialherrn Leo von Caprivi, leben viele vom Tourismus, es gibt zahlreiche Lodges.

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Fracking in der letzten Heimat der gefährdeten Volksgruppe der San?

Das Gebiet ist allerdings auch eines der letzten Rückzugsgebiete der Volksgruppe Kalahari-San und beherbergt Weltkulturstätten. In der nahen Umgebung des Weltkulturerbes Tsodilo Hills mit 4500 Felsmalereien, die über menschliches Leben und Umweltveränderungen in den vergangenen 100.000 Jahren erzählen, soll einer der Bohrstandorte sein. Die in Namibia geborene südafrikanische Sozialwissenschaftlerin Annette Hübschle wird in einem Artikel von der südafrikanischen Zeitung „Daily Maverick“ zitiert: „Besonders besorgniserregend ist, dass in der Region die First Nations leben, die San. Sie leben bereits am Rande der Gesellschaft – dies wird sich negativ auf ihre Lebensweise und ihre Heimat auswirken.“

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Auch Shikongo befürchtet Schlimmes. „Die San sind ohnehin die am meisten marginalisierte Volksgruppe in Namibia, was passiert, wenn sie nicht mehr ernten oder jagen können, weil das Ökosystem kaputt gemacht wurde?“, fragt sie – und klingt ratlos. Sie spricht von einem „Genozid und Ökozid“, von einem „destruktiven Prozess“ in einem bewohnten Gebiet: „Ich verstehe unsere Regierung einfach nicht. Wir reden auch von einem Weltkulturerbe. Zählt unser kulturelles Erbe gar nichts mehr?“

Ölförderfirma Reconafrica: Namibia ist ein „ölfreundliches Land“

Von all diesen Dingen findet sich auf der Website von Reconafrica nichts, auch Anfragen des RND ließen die Firma sowie die namibische Umweltbehörde unbeantwortet. Stattdessen ist man stolz darauf, den Frackingpionier Nick Steinsberger ins Boot geholt zu haben. Laut Scot Evans, CEO von Reconafrica, ist Steinsberger mit der Leitung der Bohrungen in Namibia beauftragt worden. In einem Interview mit der Branchen-Plattform oilprice.com spricht Steinsberger davon, dass Namibia eines der Länder sei, in denen solche Bohrungen aufgrund geringer Auflagen am einfachsten durchzuführen seien. Dass Namibia ein „ölfreundliches Land“ sei, sagte kurz zuvor bereits Daniel Jarvie, der für Reconafrica arbeitet und einen Bericht zum Kavango-Becken veröffentlicht hatte – und davon ausgeht, dass man dort mit 120 Milliarden Barrel Öläquivalent rechnen könne, was einer der größten Funde der vergangenen Jahrzehnte wäre.

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Auf das Vorhaben aufmerksam gemacht hat die Umweltschutz-Organisation Alliance Earth, die 2015 einen mehrfach ausgezeichneten Umweltfilm herausgebracht hat, der sich der Probleme des Frackings im südlichen Afrika annimmt.

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Sozialwissenschaftler sind besorgt über die Auswirkungen auf Gesundheit

Fracking ist eine äußerst umstrittene Form der Ölgewinnung. Dabei werden unter Verbrauch von Millionen Litern Wasser kilometertiefe Löcher in die Erde gebohrt. In der Tiefe werden durch Wasserdruck Risse im Gestein erzeugt und geweitet, damit Gase und Flüssigkeiten wie Öl, die sich darin befinden, leichter entweichen können. Das stark verschmutzte Wasser bleibt dann oft in der Umwelt zurück, auch Grundwasser wird dauerhaft verschmutzt.

In den USA hat eine Studie der Regierung ergeben, dass Hunderte von Städten verschmutzt sind, nachdem die Frackingunternehmen abgewandert sind. Aufgrund der schlechten sozialen und ökologischen Bilanz kritisiert Hübschle auch die Kommunikation in dem Projekt. „Wir sollten sehr besorgt sein über die langfristigen Auswirkungen auf Lebensgrundlagen, die Gesundheit, die Ökosysteme, die Erhaltung der Artenvielfalt und insbesondere den Klimawandel“, sagte sie „Daily Maverick“.

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Umweltkammer erhielt keinen Auftrag zur Prüfung der Umweltverträglichkeit

Chris Brown, Geschäftsführer der namibischen Umweltkammer, versicherte in ebenjener Zeitung, dass eine Genehmigung für Bohrungen eigentlich hätte über seinen Tisch gehen müssen – sei sie aber nicht. Es hätte zwar während der Corona-Krise Möglichkeiten gegeben, gewisse Prozesse zur Prüfung der Umweltverträglichkeit zu umgehen, aber es sei unmöglich, diese ganz abzuschaffen.

Erst einmal, beschwichtigen auch die Regierungen in Botswana und Namibia, seien nur Probebohrungen geplant – es habe keine Erlaubnis für Fracking gegeben, schreibt das Umweltministerium von Namibia. Zuvor hingegen hatte selbst Namibias Energieminister Tom Alweendo gesagt, Öl- und Gasbohrungen in dem Gebiet seien kein Problem.

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Reconafrica vermutet in dem Gebiet das letzte große Ölfeld auf dem Kontinent

Shikongo denkt allerdings einen Schritt weiter: „Wenn sie das Öl finden, über das sie sprechen – dann wird das Projekt ausgeweitet. Ich mein, die Erkundungen allein sind schon ein Problem, immerhin werden Chemikalien ins Wasser und in die Erde gepumpt, aber was wird erst sein, wenn die Bohrungen erfolgreich sind?“

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Und wenn man sich die Aussagen von Reconafrica anschaut, sind die Befürchtungen nicht von der Hand zu weisen: Steinsberger sagte bereits, dass er davon ausgehe, dass das Vorkommen in Botswana und Namibia größer sein könnte als das Eagle-Ford-Schieferbecken in Texas, eines der größten terrestrischen Öl- und Gasfelder der Welt. Es könnte, so Steinsberger, der letzte große Ölfund an Land sein. In Namibia und Botswana formierte sich bereits Widerstand. Angelehnt an die Protestbewegung Frack Free South Africa hat eine in Walvis Bay lebende Deutsche, die unter dem Namen Chris Sand agiert, einen Ableger für Namibia gegründet, die Gruppe hatte schnell mehr als 400 Mitglieder, eine Petition wurde bisher mehr als 800 Mal unterschrieben.

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Fridays for Future: „Das ist der Anfang der Instabilität in unserem Land“

Craig Steinke, Hauptaktionär von Reconafrica, sieht sich und sein Unternehmen missverstanden. Gegenüber dem Magazin „Energy Voice“ sagte er, dass das Ufer des Kavango Flusses 50 Kilometer vom Bohrloch entfernt sei und man ohnehin nur bohre, um das Gestein zu verstehen. „In unserem Bestreben, das Ausgangsgestein zu verstehen, haben einige lokale Zeitungen behauptet, wir würden Fracking betreiben“, sagte Steinke dem Magazin. Man habe vor, sich an Regeln zu halten.

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Ausgehend jedoch von der ersten Pressemitteilung von Reconafrica und dem Interview ihres Frackingchefs glauben Umweltschützer in Namibia und Botswana den Worten nicht. Shikongo sieht schwierige Zeiten auf ihr Land zukommen. „Das ist der Anfang der Instabilität in unserem Land.“

RND

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