Nach Island-Studie zur Vier-Tage-Woche: DIW-Chef hält flexiblere Arbeitszeiten für sinnvoller
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Hält es für falsch, die Vier-Tage-Woche gesetzlich festzulegen: DIW-Chef Marcel Fratzscher.
© Quelle: picture alliance / dpa
Lieber individuell angepasste Arbeitszeiten anstatt einer Vier-Tage-Woche: Dafür hat sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ausgesprochen. „Die Vier-Tage-Woche kann nicht alle bestehenden Probleme lösen“, sagte er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Eine isländische Studie hatte herausgefunden, dass sich das Wohlbefinden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dem Modell drastisch verbessert. Über mehrere Jahre hinweg reduzierten insgesamt 2500 Isländerinnen und Isländer ihre Wochenarbeitszeit – mehr als ein Prozent der dortigen Berufstätigen.
„Im Vergleich zu Island recht privilegiert“
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie fühlten sich weniger gestresst und seltener von einem Burn-out bedroht, hatten überhaupt mehr Zeit. Jack Kellam wertete die Studie mit aus. Die positiven Effekte seien nicht nur ein kurzfristiger Effekt, sondern würden mit der Zeit sogar noch sichtbarer werden, sagte er in einem Interview mit der „Zeit“.
Für Fratzscher trotzdem kein Grund, dass Modell zwingend auch in Deutschland einzuführen. Für manche Menschen möge das gut funktionieren. „Wir sollten die Diskussion aber nicht darauf verengen, sondern auch andere Modelle zulassen.“
Deutschland gehöre mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von rund 1400 Stunden für eine Vollzeitstelle zu den Ländern, in denen am wenigsten gearbeitet werde. Es gebe in kaum einem anderen Land so viele Urlaubs- und Feiertage wie hier. „Im Vergleich zu Island sind wir also recht privilegiert.“
Vier-Tage-Woche ohne vollen Lohnausgleich
Wenn Menschen finanziell nicht über die Runden kommen würden, „wollen sie ein ordentliches Gehalt“. In einer Vier-Tage-Woche das gleiche Geld zu verdienen wie zuvor, sei aber eine Illusion. „Vielleicht arbeitet man produktiver, aber man schafft dennoch weniger als in einer Fünf-Tage-Woche.“ Das wirke sich wiederum auf den Lohn und das Einkommen aus.
Bereits im Herbst 2020 hatte sich Fratzscher gegen eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ausgesprochen, das Modell generell aber für machbar gehalten. Das berichtete unter anderem die „Tagesschau“. Die IG Metall brachte das Thema damals ins Gespräch. Die Vier-Tage-Woche sei „die Antwort auf den Strukturwandel in Branchen wie der Autoindustrie. Damit lassen sich Industriejobs halten, statt sie abzuschreiben“, sagte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, seinerzeit.
Blick auf Arbeitsstunden reicht nicht
Rund ein Jahr später hält Fratzscher es für falsch, die Vier-Tage-Woche gesetzlich vorzuschreiben oder sich darauf festzulegen, dass das Modell für die Mehrheit der Menschen gelten soll. Dennoch sei er nicht dagegen, stellte er klar. Menschen würden unterschiedlich viel arbeiten wollen. „Ich arbeite oft sogar mehr als fünf Tage in der Woche“, sagte Fratzscher.
Zu einer gesunden Balance zwischen Arbeit und Privatleben würden viele Elemente gehören. Ein Blick auf die Arbeitsstunden reiche nicht. Wichtig fände Fratzscher etwa das Recht auf Rückkehr in Vollzeit. „Vielen Frauen wäre geholfen, wenn es bessere Kinderbetreuung geben würde – sowohl in Kitas, als auch in Schulen.“ Auch Homeoffice sei ein wichtiger Punkt. Die pandemiebedingte Pflicht dazu lief am 1. Juli aus.