Nach dem Tsunami in Südostasien 2004: Was wurde aus den Opfern?
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Menschen trauern um die Toten des Tsunamis von 2004 (Archivbild von 2019).
© Quelle: imago images/Xinhua
Am 26. Dezember 2004 löste ein gigantisches Erdbeben einen schweren Tsunami aus, der die Küsten Südostasiens überschwemmte. 230.000 Menschen in 14 Staaten rund um den Indischen Ozean starben an diesem verhängnisvollen Weihnachtstag vor mehr als 16 Jahren. Die Küsten Indonesiens, Thailands und Malaysias wurden von hohen Flutwellen getroffen, doch die Wassermassen trafen auch noch auf Indien, Sri Lanka, die Malediven und sogar das vom Epizentrum weit entfernte Somalia.
Besonders stark betroffen war die indonesische Provinz Aceh am nördlichen Ende der Insel Sumatra. Dort wurden mehr als 160.000 Menschen – fast 5 Prozent der lokalen Bevölkerung – getötet. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten wurden ganze Gemeinden zerstört. Die Überlebenden verloren ihre Lebensgrundlage.
Wie hat sich das Leben der Menschen nach dem Tsunami entwickelt?
Eine Gruppe US-amerikanischer und indonesischer Forschender hat seitdem Überlebende aus den betroffenen Regionen begleitet, um zu sehen, wie sich ihr Leben und ihre Gesundheit in der Folgezeit entwickelt haben. Die Erkenntnisse wurden in verschiedenen Studien publiziert, vor Kurzem haben die Forscher und Forscherinnen sie auf der Plattform „The Conversation“ zusammengefasst.
Unter den Menschen, mit denen sie gesprochen haben, waren zwei junge Männer, die ihre Frau und jeweils ein Kind verloren haben. Der erste Mann verlor zudem 27 weitere Familienmitglieder in den Fluten. Er sagte, dass die Zeit seit dem Tsunami ihn gelehrt habe, dass das Leben manchmal Glück bringe und manchmal nicht, aber dass gegenseitige Zuneigung entscheidend sei. Beide Männer haben in der Zwischenzeit wieder geheiratet. Der zweite Mann dagegen berichtete, dass die Zeit seit dem Tsunami keine positiven Veränderungen in seinem Leben gebracht habe, obwohl er hart arbeite, um die Ausbildung seiner beiden kleinen Kinder zu finanzieren.
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Thailand, Ban Nam Khem: Eine Szene der totalen Verwüstung zeigt sich nach dem Tsunami, der am 26. Dezember 2004 über die Region hinwegzog.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Unterschiedliche Folgen bei Männern und Frauen
Insgesamt kommen die Forscher und Forscherinnen zu dem Ergebnis, dass die Katastrophe noch weitaus mehr als die 230.000 Opfer forderte, die durch den Tsunami und das Erdbeben ums Leben kamen. Andere Todesfälle traten „im Laufe der Jahre“ auf, da „die anhaltende Stressbelastung ihren Tribut“ forderte, wie die Forscher und Forscherinnen schreiben. Die Sterblichkeitsrate der Überlebenden hing dabei von der Widerstandsfähigkeit der jeweiligen Menschen ab. „Die durch den Tsunami verursachten Verwüstungen können ‚Narben‘ bei den Menschen hinterlassen und zu ihrem vorzeitigen Tod führen“, heißt es. Ebenso könnten die Überlebenden aber auch schützende Eigenschaften entwickeln, die mit Langlebigkeit und guter Gesundheit in Verbindung gebracht werden.
Beispielsweise waren männliche Überlebende, die zum Zeitpunkt der Katastrophe 50 Jahre oder älter waren, fünf Jahre nach dem Tsunami noch eher am Leben, wenn sie aus stark betroffenen Gebieten stammten, als solche, die aus relativ unberührten Gebieten stammten. „Dies zeigt, dass in diesem Zeitraum bestimmte Schutzmerkmale der Überlebenden (vielleicht die allgemeine Fitness) einen stärkeren Einfluss auf die Langlebigkeit hatten als die Bereiche des Ereignisses, die ‚Narben‘ hinterließen“, schlussfolgern die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Bei Frauen über 50 war jedoch genau das Gegenteil der Fall: So hatten Überlebende aus stark betroffenen Gebieten in den ersten fünf Jahren nach dem Tsunami ein höheres Sterberisiko als Frauen aus nicht betroffenen Gebieten.
Kinder holten wieder auf
„Diese Grundmuster waren auch zehn Jahre nach der Katastrophe noch erkennbar“, so die Forschenden. An diesem Punkt zeigte sich jedoch, dass im Falle der älteren Männer posttraumatischer Stress und bei älteren Frauen der Verlust des Ehepartners die Wahrscheinlichkeit verringerte, dass sie noch lebten. Außerdem zeigten die Daten der Forscher, dass 13 Jahre nach dem Tsunami Erwachsene, die die Katastrophe direkt erlebt hatten, einen größeren Taillenumfang hatten, es vermehrt Schwierigkeiten bei der Regulierung des Glukosespiegels gab sowie höhere Entzündungswerte vorlagen – etwas, das auf eine Infektion oder Krankheit im Körper hinweist. Außerdem hatten Überlebende ein höheres Risiko für chronische Krankheiten wie Herzkrankheiten und Diabetes.
Kinder, die den Tsunami überlebten, hatten in den Folgejahren ein eingeschränktes Wachstum. Auch Kinder, die sich noch im Bauch der Mutter befanden, waren bei der Geburt klein und selbst mit drei Jahren noch mal deutlich kleiner als andere Kinder. Bei vielen der Kinder wurden diese Defizite in den Folgejahren jedoch aufgeholt, und sie erreichten schließlich die gleiche Größe wie andere Gleichaltrige. Unklar ist bisher jedoch, ob ein schnelles Aufholwachstum erhöhte Risiken für eine schlechtere Gesundheit im Erwachsenenalter bedeuten könnte.
Die Forschenden untersuchten auch die Todesfälle, die eine direkte Folge der Katastrophe waren. Eine Analyse der Opfer ergab dabei, dass vor allem ältere Erwachsene und kleine Kinder im Tsunami ums Leben kamen. Bei den Erwachsenen hatten Frauen weniger Überlebenschancen als Männer. Eine weitere Erkenntnis war, dass Hilfsmaßnahmen, wie wieder eine stabile Wohnung für Katastrophenopfer zu schaffen und Möglichkeiten für bezahlte Arbeit zu bieten, posttraumatischen Stress mildern können.