Mode nach der Pandemie: der Glanz der kommenden Tage

Los Angeles: Carey Mulligan, Schauspielerin, kommt zu der 93. Verleihung der Academy Awards in der Union Station am roten Teppich an.

Los Angeles: Carey Mulligan, Schauspielerin, kommt zu der 93. Verleihung der Academy Awards in der Union Station am roten Teppich an.

Ein Jahr in Daunenjacken und Leggings – viel mehr muss man zur Mode während der Pandemie eigentlich nicht sagen. Wenn die Welt im Lockdown verschwindet, passiert auf Laufstegen und im Streetstyle zwangsläufig auch nicht mehr viel. Auch aus dieser Perspektive ist es eine Erleichterung, dass viele Länder angesichts sinkender Inzidenzen lockern. Die Welt da draußen erwacht zu neuem Leben und die Influencer auf Instagram können endlich wieder richtige Outfits zeigen anstatt lavendelfarbene Jogginganzüge zu selbst gebackenem Brot.

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In Großbritannien, wo bereits mehr als 60 Prozent der impffähigen Bevölkerung ein Vakzin erhalten haben, will Premierminister Boris Johnson die Rückkehr zur Normalität mit einem Tag der Befreiung begehen. Die Rückkehr zur Normalität wird ein Fest.

Was allein die Aussicht darauf bewirken kann, war in den letzten Wochen in Großbritannien zu beobachten: Dort kurbelte die Ankündigung über das Ende des Lockdowns den britischen Einzelhandel in Bereichen an, die monatelang brachgelegen hatten: Nach Toilettenpapier und Hefe waren nun wieder High Heels, Handtaschen und Lippenstift begehrt. Die Nachfrage nach Mascara, Selbstbräuner und Make-up stieg dem „Guardian“ zufolge gar um 50 Prozent innerhalb von nur einer Woche. Das US-Wirtschaftsmagazin „Economist“ sagt schon jetzt eine neue Ära der „wirtschaftlichen Dynamik“ voraus. Der US-Unternehmer Tilman Fertitta erklärte gegenüber dem US-Sender CNBC: „Der Konsument kommt zurück ... es werden die wilden Zwanzigerjahre werden – man kann es jetzt schon sehen.“

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Mit den Lockerungen stieg die Nachfrage nach dekorativer Kosmetik – wie Lippenstift.

Mit den Lockerungen stieg die Nachfrage nach dekorativer Kosmetik – wie Lippenstift.

Doch was bedeutet das für die Art und Weise, wie wir uns künftig kleiden werden? „Fakt ist, dass wir uns schick machen werden, dass wir den Moment genießen werden. Dass wir wieder das Glück erleben werden, uns wirklich für ein Meeting, eine Party, einen Abend im Restaurant anzuziehen“, sagte etwa Caroline Krouwels, Direktorin der niederländischen Modemesse Modefabriek und Trendforscherin, dem Magazin „Fashion United“.

Es kann sehr exzessiv werden. Es kann gefährlich explosiv sein.

Raf Simons, belgischer Modedesigner

Viele von uns streifen zurzeit die Angst ab wie einen alten Pullover. Weg mit den Jogginghosen, den bequemen Socken, rein in die Sommerhemden, Kleider, Slipper und Sandalen. Der Wunsch nach Leben, das Verpasste nachzuholen, wird sich auch in der Art, wie wir uns kleiden, zeigen. Zu sehen ist diese Entwicklung bereits bei den Modewochen, bei denen unter anderem Gold, Pailletten und Pelze den Ton angaben. So wild, so schillernd und extravagant waren die Kollektionen lange nicht. „Wenn sich die Geschichte wiederholt, und das passiert öfter, befinden wir uns jetzt in den 1920er-Jahren. Und wir alle wissen, wie die 20er-Jahre aussahen: eine Explosion von Mode, Party und Sex. Es kann sehr exzessiv werden. Es kann gefährlich explosiv sein.“ Mit dieser Aussage aus einem Interview mit der Zeitung „De Morgen“ wird der belgische Modedesigner Raf Simons zurzeit immer wieder zitiert.

Eskapismus zum Anziehen

Schon während der Spanischen Grippe in den Jahren 1918 bis 1920 stand die Welt nahezu still. In der Mode gab es, was Materialien und Silhouetten betrifft, in diesen zwei Jahren so gut wie keine Innovationen, mit der einzigen Ausnahme, dass – und auch das erinnert an Corona – die Männer anstelle von steifen Anzügen alltags häufiger Sportmode trugen.

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Die 1920er-Jahre waren wild und sexy – hier eine Szene aus der Serie „Babylon Berlin“.

Die 1920er-Jahre waren wild und sexy – hier eine Szene aus der Serie „Babylon Berlin“.

Als die Pandemie vorüber war, blieben die Zeiten wild: Draußen tobten Kämpfe in der jungen Republik und die Weltwirtschaft zerbrach, drinnen in den Cafés, Tanzsalons und Clubs glitzerten die extravaganten Kleider der Besucherinnen und Besucher mit den Kronleuchtern um die Wette. Die Mode war damals wie heute ein Vehikel, um der Tristesse, ja, der Resignation des Alltags oder gar des persönlichen Lebens zu entfliehen, Eskapismus lässt sich anziehen.

Nun ist es wieder einmal so weit. Nach mehr als einem Jahr kommender und gehender Lockdowns, nach Angst, Leid, Stress und Trauer ist es für viele Zeit für Ekstase. „Alles, woran ich für die Zeit nach dem Lockdown denken kann, sind endlose Partys“, sagt etwa die britische Influencerin und Moderatorin Alexa Chung. Die Modesuchmaschine Lyst konstatiert einen neuen Wagemut, expressive Farben, reiche Ornamente und Applikationen. Auch modisch sind viele bereit, die ausgetretenen Pfade mit reichen Ornamenten, expressiven Farben und neuen Silhouetten zu verlassen.

Sicherlich wird die Mode der 2020er-Jahre kein genaues Abbild der Goldenen Zwanziger ein Jahrhundert zuvor. Dennoch sind Anleihen an die Vergangenheit sichtbar – mit nach unten gerutschten Taillen, Flapper-Kleidern, Pailletten, Pelz und Federn. Gold und Lurex prägen den Look, Pailletten, Lack, Fell und Federn waren auf den Laufstegen bereits zu sehen. Das Luxuslabel Miu Miu etwa präsentierte für die kommende Skisaison Jacken aus Daunen mit changierendem Glanz, nostalgisch anmutende Pelzblousons, Skihosen aus Glitzergarn und kniehohe Fellstiefel. Dazu trugen die Models apart-elegante Wollkappen, die an die Hutmode der 1920er-Jahre erinnern.

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Dass Gold als Farbton in der Post-Pandemie-Ära weit vorn liegt, zeigte sich bereits auf dem roten Teppich der Oscarverleihung, wo nicht nur Carey Mulligan in ihrer ausladenden, komplett goldenen Abendrobe die Blicke auf sich zog. Und die Kostüme des Eurovision Song Contests im Mai glitzerten gefühlt so sehr wie niemals zuvor.

Ergänzt wird die luxuriöse Opulenz von kostbaren Materialien wie Seide, Kaschmir und Wolle. Denn auf den Komfort, den Jogginganzüge und Hosen mit Gummi im Bund in den vergangenen Monaten geboten haben, werden viele nicht mehr verzichten wollen. Die Post-Pandemie-Mode, da sind Experten sich einig, werde daher irgendwo zwischen Ekstase und Winterschlaf liegen. Victoria Beckham, renommierte Designerin und ehemaliges Spice Girl, etwa erklärte jüngst im „Guardian“, sie freue sich schon, ihre bequemen Vintage-Jeans, in denen sie seit Monaten „wohne“, endlich wieder mit High Heels anstelle von Turnschuhen auszuführen.

Im Jahr 2021 kann man das Korsett nicht mehr abstreifen, die Skinny­jeans aber schon.

Fashion United

Luxuslabels wie Fendi, aber auch Filialketten wie Arket und Zara haben längst umgesteuert: Ihre Kollektionen enthalten eine nie da gewesene Auswahl an Pyjamas und Homeware. Dasselbe gilt für den BH: Viele Frauen haben in den vergangenen Monaten das Prinzip „Braless“ für sich entdeckt. Sie verzichten auf Büstenhalter oder sind auf moderne, bequeme und fast nicht mehr spürbare Modelle ohne viel Spitze, Polster oder einzwängende Bügel umgestiegen. Sie werden an dieser Gewohnheit möglicherweise nichts mehr ändern. „Im Jahr 2021 kann man das Korsett nicht mehr abstreifen, die Skinny­jeans aber schon“, schreibt ganz ähnlich auch Fashion United.

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Auf welche Art wir also Abschied nehmen werden vom Pandemielook der vergangenen Monate, ist sehr unterschiedlich. Sollte man den Eklektizismus der kommenden Tage in einem einzigen Produkt zum Ausdruck bringen, so sind wohl die gemütlichen Croqs, mit denen Questlove, musikalischer Leiter der Oscars, jüngst auf dem roten Teppich Furore machte, recht passend: Die Schuhe sind gemacht aus weichem Gummi und damit passend für Haus und Garten. Ihre Färbung aber ist aus glänzendem Gold.

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