Reine Übungssache?

Was messen Intelligenztests – und wie aussagekräftig sind sie wirklich?

Intelligenztests gelten als sehr zuverlässig.

Intelligenztests gelten als sehr zuverlässig.

„Die zeigen doch nur, wie gut jemand die Aufgaben im Test lösen kann!“ So lautet ein gängiges Vorurteil gegenüber Intelligenztests. Ebenfalls populär ist die Annahme, dass besonders intelligente Kinder oft in der Schule als Klassenkasper auffallen. Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt: An beiden Aussagen ist wenig dran.

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Intelligenztests zählen zu den zuverlässigsten diagnostischen Tests, die die Psychologie zu bieten hat. Wieso verursacht der Gedanke daran dennoch bei vielen Menschen Unbehagen? Und wann lohnt es sich, die Intelligenz des eigenen Kindes messen zu lassen? Antworten auf Fragen rund um Intelligenztests für Kinder.

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Was ist überhaupt Intelligenz?

Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Seit dem Ende der 1990er-Jahre stimmen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Definition zu:

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Intelligenz ist eine sehr allgemeine geistige Fähigkeit, die unter anderem die Fähigkeiten zum schlussfolgernden Denken, zum Planen, zum Problemlösen, zum abstrakten Denken, zum Verstehen komplexer Ideen, zum raschen Auffassen und zum Lernen aus Erfahrung einschließt.

Die Definition stammt von Linda Gottfredson. Die US‑amerikanische Intelligenz­forscherin weist darauf hin, dass Intelligenz mehr sei, als aus Büchern zu lernen oder gute Ergebnisse in Wissenstests erzielen zu können.

Wie funktionieren Intelligenztests?

Fachleute können mit Intelligenztests ermitteln, wie intelligent eine Person im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen ist. Zumindest dann, wenn man sich zum Beispiel auf die Definition von Gottfredson beruft, in der Intelligenz als „geistige Fähigkeit“ bezeichnet wird, die unter anderem das schlussfolgernde Denken und eine schnelle Auffassungsgabe beinhaltet.

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Denn Intelligenztests messen die Fähigkeiten von Personen in Bereichen wie dem Sprachverständnis, der Leistung des Arbeits­gedächtnisses, der Schnelligkeit der Verarbeitung von Informationen im Gehirn oder dem räumlichen Denken. Eine Reihe von Zahlen vervollständigen, Worte mit ähnlichen Bedeutungen erkennen oder Figuren logisch aneinanderreihen: Das sind Beispiele typischer Aufgaben in Intelligenztests.

„Verschiedene Intelligenztests erfassen unterschiedliche Ausschnitte aus dem Bereich der intellektuellen Fähigkeiten. Es gibt einige Tests, die ein vergleichsweise breites Spektrum der intellektuellen Fähigkeiten abdecken“, schreibt das Bildungs­ministerium. Solche Tests ermöglichten es, die allgemeine Intelligenz einer Person abzuschätzen. Aber: „Kein Test wird jemals alle Bereiche der Intelligenz messen können.“

Welche Figur der unteren Reihe setzt die obere Reihe sinnvoll fort? Ein typisches Beispiel eines Matrizentests, richtige Lösung: d.

Welche Figur der unteren Reihe setzt die obere Reihe sinnvoll fort? Ein typisches Beispiel eines Matrizentests, richtige Lösung: d.

Woher weiß ich, dass der Intelligenz­test zuverlässig misst?

Die Liste der in der Fachwelt anerkannten Intelligenztests ist lang. Doch sie alle haben etwas gemeinsam: Sie gelten als sehr objektiv, reliabel und valide.

Was bedeutet das? Ist ein psychologischer Test objektiv, ist das Ergebnis eines bestimmten Probanden stets das gleiche oder sehr ähnlich – egal, welche Fachkraft den Test durchgeführt hat. Weil Menschen nicht jeden Tag genau gleich leistungsfähig sind, schwanken die Ergebnisse im Intelligenztest in der Regel je nach Tagesform um wenige Punkte.

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Reliabel sein bedeutet, dass der Test zuverlässig misst. Die gleiche Person sollte im gleichen Test stets ein sehr ähnliches Ergebnis erzielen können. Ist ein Test valide, misst er tatsächlich das, was er soll. Ein Beispiel: Ein Thermometer ist ein valides Messinstrument für die Temperatur. Wie groß ein Mensch ist, lässt sich damit aber nicht erfassen. Um die Objektivität, die Reliabilität und die Validität eines Intelligenztests zu überprüfen, haben Forschende den Test in der Entwicklungs­phase an sehr vielen Menschen ausprobiert.

Besonders wichtig sei es, dass eine in der Diagnostik ausgebildete Fachperson den Test durchführt und auswertet. Darauf weist die Psychologin Elsbeth Stern gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „Quarks“ hin. Die Fachperson könne den Teilnehmenden im Anschluss zudem dabei helfen, das Ergebnis einzuordnen, und sie beraten, ob oder welche Schritte im Anschluss sinnvoll sind.

Was sagt ein IQ‑Wert aus?

Die Abkürzung IQ steht für Intelligenz­quotient. Das klingt mathematisch und ist es auch, zumindest ein bisschen. Denn wie intelligent ein Mensch ist, das lässt durch den IQ in Zahlenwerten ausdrücken. Wichtig ist es, zu verstehen: Der IQ‑Wert zeigt an, wie begabt ein Mensch und wozu er oder sie potenziell fähig ist. Oder, wie es das Bildungs­ministerium formuliert: „Potenzial entwickelt sich nicht automatisch zu Leistung.“

Ein Intelligenzquotient von 100 entspricht exakt dem Durchschnitt. Das heißt: Die meisten Menschen erhalten beim Testen einen Wert, der irgendwo im Bereich um die 100 liegt. Je weiter der Wert von 100 abweicht, desto weniger Menschen erreichen diese Punktzahl.

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IQ-Tests sind so konstruiert, dass die Ergebnisse für eine hinreichend große Bevölkerungsstichprobe annähernd normalverteilt sind. Man spricht auch von einer glockenförmigen Verteilung.

IQ-Tests sind so konstruiert, dass die Ergebnisse für eine hinreichend große Bevölkerungsstichprobe annähernd normalverteilt sind. Man spricht auch von einer glockenförmigen Verteilung.

Als durchschnittlich gelten Werte zwischen 85 und 115. Von einer Hochbegabung wird ab einem Wert von 130 gesprochen. Laut der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind gelten etwa 2 Prozent der Kinder in Deutschland als hochbegabt.

Sind Menschen mit Hochbegabung oft sozial auffällig?

Einige Studienergebnisse weisen eher in die andere Richtung. Sie zeigen, dass besonders intelligente Kinder und Jugendliche weniger Probleme bezüglich sozialer Fähigkeiten und dem Regulieren ihrer Emotionen als ihre Altersgenossen haben. Das Stereotyp des zappelnden, den Unterricht störenden Kindes mit Hochbegabung sollte man also kritisch sehen – und auch andere Ursachen in Betracht ziehen, zum Beispiel die Aufmerksamkeits­defizit- und Hyperaktivitäts­störung (ADHS).

Junge sitzt an einem Tisch und schreibt in einem Heft.

Hochbegabung? Daran erkenne ich, dass mein Kind einen hohen IQ haben könnte

Immer öfter hört man von Kindern, die schon in jungen Jahren ihr Abitur machen oder gar ein Studium beginnen. Doch woran erkennen Eltern eigentlich, dass ihr Kind eine Hochbegabung hat? Manchmal kann das Kind erst einmal wegen negativen Verhaltens auffallen.

Kann sich ein IQ‑Wert im Laufe des Lebens verändern?

Ja. Zwar hat die Forschung ergeben, dass ein Teil der Intelligenz genetisch bedingt ist. Doch auch die Umwelt hat einen Einfluss auf den IQ‑Wert. „Erst ab einem Alter von etwa fünf Jahren erlauben Intelligenz­tests relativ zuverlässige Vorhersagen für die spätere Intelligenz. Ab zirka acht bis zehn Jahren werden die Vorhersagen dann nochmals deutlich besser“, schreibt das Bildungs­ministerium und fügt hinzu: „Besonders bei Kindern kann es vorkommen, dass be­stimmte Fähigkeiten schon weiter entwickelt sind als andere; und wenn genau diese im Test erfragt werden, wird das Ergebnis höher liegen, als wenn das nicht der Fall ist.“ Während der gesamten Grund­schul­zeit seien individuell noch Schwankungen von bis zu 20 IQ‑Punkten möglich.

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Was ist dran an der Kritik zu Intelligenz­tests?

In einem aktuellen Paper haben sich der Psychologie­professor Jörn Sparfeldt und Kollegen mit Miss­verständnissen rund um Intelligenz­tests auseinander­gesetzt. Die oft vorgebrachte Kritik, ein Intelligenztest messe nur, wie gut jemand die Aufgaben in dem Test löse, stimme so pauschal nicht. „Kurzfristige Steigerungen der Ergebnisse in einem spezifischen Intelligenztest“ um sechs bis sieben IQ‑Punkte ließen sich durch Üben erreichen. Der durchs Üben erreichte Effekt verschwindet aber mit der Zeit wieder.

Andere Kritikerinnen und Kritiker sehen ein Problem im Bezug auf Sprache und Intelligenztests. Wer die im Test benutzte Sprache nicht sicher beherrscht, schneidet schlechter ab. Es existieren aber auch Tests, die fast oder ganz ohne Sprache auskommen. Doch hier kann es ebenso Hürden geben. Viele Intelligenztests sind vor allem auf die Denkweise und die Problem­löse­strategien von Menschen aus westlichen Kulturen zugeschnitten, schreibt Richard Gerrig in seinem Standardwerk „Psychologie“. Wer gut in solchen Intelligenztests abschneide, habe wahrscheinlich Erfolg in einer westlich geprägten Gesellschaft.

Einfach mal entspannen: Auch Eltern brauchen Zeit, um sich zu regenerieren.

Warum es für Eltern mehr kindliche Leichtigkeit braucht

Viele Eltern gehen über die eigenen Belastbarkeitsgrenzen hinaus, damit es ihren Kindern gut geht. Das ist ehrenwert. Die Aufopferungsbereitschaft von Müttern und Vätern muss aber auch Grenzen haben, erklärt unser Kolumnist, der Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Dierssen.

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„Über Intelligenz hinaus sind zweifelsohne beispielsweise nicht-kognitive Personenmerkmale für Erfolg in unserer Gesellschaft relevant“, schreiben Sparfeldt und seine Kollegen in ihrem Paper. Damit meinen sie: Es braucht auch Menschen, die handwerklich sehr begabt oder besonders sozial sind.

Sparfeldt und die anderen Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es einen starken Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Intelligenz und der Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, gibt. Heißt: Wer intelligent ist und dies zu nutzen weiß, kommt wahrscheinlich im Leben besser zurecht. Die Forscher betonen aber auch: „Intelligenz-Testergebnisse haben nichts mit dem Wert als Mensch zu tun.“

In welchen Fällen ist ein Intelligenztest für Kinder sinnvoll?

Nur, wenn es Probleme gibt, meint das Bundes­bildungs­ministerium in einer Broschüre zum Thema Hochbegabung. Intelligenztests könnten dann sinnvoll sein, wenn das Kind im Kindergarten oder in der Schule unterfordert wirkt und immer weniger Lust hat, hinzugehen. Selbstunsicheren, aber besonders begabten Kindern könne das Ergebnis des Intelligenztests dabei helfen, sich mehr zuzutrauen. Bei Schülerinnen und Schülern, die einen motivierten, leistungsstarken und zufriedenen Eindruck machen, sei ein Intelligenztest dagegen nicht notwendig.

„Die Tests geben zudem Aufschluss über individuelle Stärken und Schwächen eines Kindes und damit Ansatzpunkte für eine gezielte Förderung“, schreibt das Bildungs­ministerium. Ein Intelligenztest ist – wie jede Form der Diagnostik – nur dann sinnvoll, wenn danach gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation des Kindes zu verbessern. Nur zu wissen, dass ein dauernd zappelndes Kind einen IQ von 75 oder 130 hat, ohne etwas in seinem Leben zu verändern, bringt dagegen nichts.

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