Heiße Sommer, kaum Regen: der Kampf ums Wasser in Zeiten des Klimawandels
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Wie passen kommerzielle Interessen und eine lebenswichtige, endliche Ressource wie Wasser zusammen? Diese und andere Fragen werden sich angesichts steigender Temperaturen in Zukunft häufiger stellen.
© Quelle: Bernd Wüstneck/zb/dpa
Es ist zu trocken in Deutschland. Der fortschreitende Klimawandel treibt die Temperaturen hoch, und auch wenn dieses Jahr regenreicher ist als das vergangene: In den tieferen Erdschichten ist laut dem Dürremonitor Deutschland kaum etwas davon angekommen. Neben Plastikersatz und emissionsarmer Mobilität als Klimaschutzstrategien, drängt sich die Frage nach Wasservorräten seit einiger Zeit immer stärker auf.
Reicht das Wasser auch in Zukunft?
Denn dass auch unsere Wasservorräte akut bedroht sein können, haben nicht zuletzt die Hitzejahre 2018 und 2019 deutlich gezeigt. Die wochenlange Wärme trocknete die Felder der Landwirte aus, die Bürger wurden zum Wassersparen aufgerufen und es gab sogar einige Wasserengpässe, wie zum Beispiel in Lauenau. Die überraschende Wasserknappheit brannte sich ins Bewusstsein vieler und brachte ein bis dahin kaum diskutiertes Thema auf den Tisch: Reicht das Wasser auch in Zukunft, wenn die Temperaturen immer mehr steigen?
Wo auch immer die Wasserversorgung nun bedroht scheint, entzünden sich die Debatten umso stärker. Der zentrale Konflikt ist ein klassisch kapitalistischer: Verteilungskämpfe um eine endliche Ressource. Je dringlicher die Anzeichen drohender Knappheit werden, desto hitziger und emotionaler die Debatten. Auf der einen Seite stehen Konzerne mit kommerziellen Interessen, auf der anderen Seite Bürger und Umweltverbände, die sich um die grüne Landschaft und das Trinkwasser sorgen.
Coca-Cola in Lüneburg
Wie etwa in Lüneburg. Dort will Coca-Cola die Produktion seiner Mineralwassermarke Vio ausweiten. Zwei Brunnen gibt es dort schon, nun soll ein dritter gebaut werden. Vor Ort gibt es massive Proteste: Am Weltwassertag blockierten Mitglieder von Extinction Rebellion die Eingänge des ansässigen Werks. Der neue Brunnen, der für einen gerade beendeten Pumpversuch in einer Sparversion bereits gebaut wurde, wurde sabotiert. Vorgeworfen wird dem Konzern unter anderem Trinkwasserprivatisierung und ganz generell: die kommerzielle Nutzung einer lebenswichtigen Ressource.
Allen voran tut die lokale Bürgerinitiative Unser Wasser, was sie kann, um die Förderung zu verhindern. „Coca-Cola verkauft Wasser als Wasser und macht damit aufgrund minimaler Entnahmegebühren einen wahnsinnig hohen Profit“, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative Marianne Temmesfeld. „Wasser wird so zur Ware.“
Coca-Cola gibt sich derweil größte Mühe, die unerwartet laute Kritik kommunikativ wieder einzufangen: Die Pressesprecherin Marlen Knapp gibt ausführlich Auskunft, eine Öffentlichkeitsbeteiligung soll für Transparenz sorgen und auf der Unternehmenswebsite erklärt die Firma, warum der dritte Brunnen so unbedingt notwendig ist. „Wir befolgen alle behördlichen Vorgaben und gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit unserem Brunnenprojekt“, so Knapp.
Tesla in Brandenburg
Auch bei Berlin wird gerade ein ähnlicher Konflikt verhandelt. Die Parteien: Elon Musk, der seine einzige europäische Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide bauen will, und der lokale Wasserversorgerchef André Bähler, der sich – gemeinsam mit einer Bürgerinitiative – um das Trinkwasservorkommen sorgt. Seine Befürchtung: Die Wassermengen, die Tesla für seine Produktion braucht, übersteigen ab 2023 das regionale Wasservorkommen.
„Die Trinkwasserversorgung wird geopfert auf dem Gabentisch der Wirtschaftspolitik“, sagt Bähler in einem „Frontal 21“-Beitrag. Musk bestreitet das: „Im Grunde sind wir nicht in einer sehr trockenen Region. Bäume würden nicht wachsen, wenn es kein Wasser gäbe“, sagt er dem ZDF.
Internen Unterlagen des Landesumweltministeriums zufolge, die dem Sender vorliegen, gerate Brandenburg bei der Ressource Wasser allerdings schon heute zunehmend an Kapazitätsgrenzen. Von Tesla gibt es bislang kein offizielles Statement dazu, auf Anfrage reagierte die Firma nicht.
Beide Konflikte sind sehr unterschiedlich, aber haben eines gemein: Den Vorwurf, dass wirtschaftliche Interessen über gesellschaftliche gestellt werden – und das bei einer lebensnotwendigen Ressource.
Wasserreiches Deutschland
Aber müssen wir uns hierzulande überhaupt Sorgen machen? Immerhin rechnet Deutschland laut Umweltbundesamt (UBA) mit 188 Milliarden Kubikmetern nutzbarem Wasser – pro Jahr. Damit gilt das Land als wasserreich. Tatsächlich entnommen werden davon laut einer Erhebung 24 Milliarden Kubikmeter, das sind gerade mal 12,8 Prozent.
Erst, wenn die Nachfrage 20 Prozent übersteigt, wird von Wasserstress, also Stress, der durch zu wenig Wasser entsteht, gesprochen. Den gibt es laut UBA zumindest bisher flächendeckend nicht in Deutschland.
Großes Angebot, unterschiedliche Verfügbarkeit
„Insgesamt haben wir große Grundwasservorräte. Also von daher wird uns auch nicht das Trinkwasser ausgehen, da müssen wir keine Sorge haben“, sagt Jörg Rechenberg vom UBA. „Aber sinkende Grundwasserstände sind für die Ökosysteme wie unseren Wald ein Problem.“
Außerdem gäbe es trotz des großen Angebots starke regionale Unterschiede in der saisonalen Verfügbarkeit des Wassers. „Im Südwesten und am Alpenrand regnet es doppelt bis dreifach so viel wie im Nordosten von Deutschland“, so Rechenberg. „Das wirkt sich entsprechend auf die Grundwasserstände aus.“
Wie wird das Wasser verteilt?
Knapp ist das Wasser also bisher nicht in Deutschland. Aber wie sieht es mit der Verteilung der Ressource aus? Von den 24 Milliarden Kubikmetern Wasser, die im Schnitt jährlich entnommen werden, geht der größte Teil (52,9 Prozent) an die Energieversorger, hauptsächlich zu Kühlungszwecken.
24,2 Prozent entfallen auf die Industrie, die öffentliche Wasserversorgung hat mit 21,7 Prozent einen ähnlichen Bedarf und nur 1,3 Prozent bringt die Landwirtschaft in Form von Beregnung auf die Felder – so zumindest die Angaben von 2016. Die Zahlen sind dabei sowohl im industriellen Bereich als auch in der öffentlichen Wasserversorgung um bis zu 20 Prozent rückläufig.
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© Quelle: Statistisches Bundesamt/Umweltbundesamt
„Mit Blick auf die Trinkwasserversorgung in Deutschland lässt sich grundsätzlich sagen: Sie ist sicher, wird durchgängig gewährleistet – und Wasser steht in ausreichender Menge zur Verfügung“, sagt auch Berthold Niehues vom Branchenverband Deutscher Verein des Gas-und Wasserfaches (DVGW). „Richtig ist aber auch, dass mögliche Nutzungskonflikte zunehmen können, je mehr Nutzer auf die Wasserressourcen zugreifen möchten.“
Wem gehört das Wasser?
Eine Frage, die in fast jedem Konflikt um Nutzungsinteressen irgendwann fällt, ist die Frage nach dem Eigentum: Wem gehört das Wasser? Und wer geht leer aus, wenn es knapp wird?
„Am Wasser, speziell am Grundwasser, gibt es kein Eigentum“, sagt Rechenberg. „Wasser ist eine staatliche zum Wohl der Allgemeinheit bewirtschaftete Ressource. Das heißt jeder, der etwas entnehmen will, braucht eine Genehmigung.“ Denn die öffentliche Wasserversorgung sei eine Aufgabe der Daseinsvorsorge von besonderer Bedeutung.
Kann Trinkwasser dann überhaupt privatisiert werden in Deutschland? „Dabei geht es um die Frage, ob die Städte und Kommunen ihren Auftrag zur Daseinsvorsorge bei der Wasserversorgung selbst wahrnehmen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen beauftragen“, sagt Rechenberg (UBA). „Beides ist möglich. Und da haben wir in Deutschland durchaus verschiedene Modelle: öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Organisationsformen sowie Mischformen.“
Wer fördern darf, entscheiden die Behörden
Bei Coca-Cola liegen die Dinge aber noch mal anders: „Coca-Cola greift auf den gleichen Grundwasserleiter zu wie die öffentlichen Wasserversorger. Es handelt sich dabei aber um eine gewerbliche Entnahme“, sagt Stefan Bartscht, Leiter des Fachdienstes Umwelt des Landkreises Lüneburg. Er ist auch einer derjenigen, die letztlich darüber entscheiden, ob Coca-Cola überhaupt Wasser entnehmen darf.
Denn Firmen wie Coca-Cola oder auch Tesla können erst dann Wasser fördern, wenn die zuständige Behörde das erlaubt. Das zentrale Kriterium für eine solche Genehmigung: die Differenz zwischen dem regionalen Grundwasserpegel, der bereits bestehenden Nachfrage und der erwarteten Grundwasserneubildung. Ist die so groß, dass der Wasservorrat und somit die öffentliche Wasserversorgung nicht gefährdet werden, kann nach Ermessen eine Genehmigung erteilt werden.
Wie sicher sind die Prognosen?
Klingt nachvollziehbar, perfekt kalkulierbar ist das allerdings nicht: Denn die Grundwasserneubildung wird stark vom Klima beeinflusst. Regnet es wenig wie in den vergangenen Jahren oder nur kurz und heftig, füllen sich die Wasserspeicher nicht genug auf. Die Folge ist, dass weniger Wasser zur Verfügung steht.
„In 30 bis 40 Jahren werden wir eine deutlich geringere Grundwasserneubildung haben“, sagt Niehues. Wenn sich die Temperatur auch nur um zwei Grad erhöhe, hätte das drastische Auswirkungen: „Warme Luft speichert deutlich mehr Feuchtigkeit als kalte. Etwa 15 Prozent des heute verfügbaren Wassers wären dann durch die höhere Verdunstung in der Luft“, sagt Niehues.
Das bemängelt auch die Bürgerinitiative Unser Wasser in Lüneburg: „Der Brunnenbau von Coca-Cola ist noch legal, aber aus unserer Sicht nicht legitim“, sagt Temmesfeld. „Wir fordern von den Behörden ein Moratorium, bis die Gesetze an die veränderten Klimabedingungen angepasst sind. Vieles stammt noch aus einer Zeit, als niemand dachte, dass das Wasser mal knapp werden könnte.“
Veraltete Gesetze, schwer kalkulierbare Entnahmen
Auch die zuständige Behörde wünscht sich eine Aktualisierung: „Wir wollen, dass die aktuellen Entwicklungen im Grundwasserbewirtschaftungserlass des Landes Niedersachsen abgebildet werden“, sagt Bartscht. „Auf Grundlage des jeweilig gültigen Erlasses, entscheiden wir, ob wir eine Erlaubnis erteilen können.“
Dazu kommen laut DVGW und UBA schwer zu kalkulierende Entnahmen durch private Brunnen. Wegen der trockenen Sommer, würden sich deutlich mehr Menschen einen eigenen Brunnen anlegen. Das Problem: Bisher gibt es lediglich eine Anzeige-, aber keine Erlaubnispflicht. „Wir gehen davon aus, dass nicht jeder das wirklich anzeigt. Deswegen wissen wir nicht, wie viele private Gartenbrunnen wir wirklich haben. Geschweige denn, wie viel daraus entnommen wird“, sagt Bartscht.
Immerhin: Laut Wasserhaushaltsgesetz steht die Daseinsvorsorge an erster Stelle. Wenn sich also abzeichnen sollte, dass das Trinkwasser knapp werden könnte, würde Firmen wie Coca-Cola oder Tesla die Entnahmegenehmigung auch wieder entzogen werden. Das bestätigen auch das UBA und der DVGW.
Strategien für die Zukunft
Wie können wir möglichst wassersparend haushalten? Wie soll das Wasser aufgeteilt werden? Wie gehen wir mit einer sinkenden Grundwasserneubildung bei gleichzeitig steigender Nachfrage um? Und: Wie passen kommerzielle Interessen und eine lebenswichtige Ressource zusammen? Diese und andere Fragen werden sich in Zukunft häufiger stellen.
Aus Sicht der Experten gibt es verschiedene Möglichkeiten nachhaltig zu wirtschaften: Best-Practice-Beispiele, wie Talsperren sowie eine effizientere Wassernutzung und ‑wiederverwendung. Generell gilt es auch, das vorhandene Wasser innerhalb Deutschlands besser zu verteilen. „Wie und wo Wasser in Zukunft verfügbar ist, bestimmt auch, wie das Versorgungssystem dann auszugestalten ist“, sagt Niehues (DVGW). „Eine Möglichkeit wäre, die regionale Vernetzung weiter auszubauen.“
Eine Nationale Wasserstrategie
Auch die landwirtschaftliche Bewässerung, die bislang nur 1,3 Prozent der Entnahmemenge benötigt, werde angesichts der höheren Temperaturen steigen. „Da können wir von Israel und anderen südlichen Ländern noch viel lernen“, sagt Rechenberg (UBA). „Besonders Israel gelingt eine ressourcenschonende Wasserbewirtschaftung etwa durch die Verwendung von aufbereitetem Abwasser.“
Anfang Juni wird Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Nationale Wasserstrategie vorstellen. Sie soll Antworten geben, wie die Wasserversorgung im Jahre 2050 in ausreichender Menge und notwendiger Qualität gesichert werden kann, heißt es auf der Seite des Bundesumweltministeriums (BMU). „Der nachhaltige Umgang mit Wasser geht uns alle an. Denn Wasser ist nicht nur für Mensch und Umwelt, sondern für nahezu alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche eine unverzichtbare Ressource“, sagt BMU-Pressesprecher Christopher Stolzenberg.
RND