Heiraten in Corona-Zeiten: „Verschieben heißt nicht stornieren“
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Die Maske für die Braut passt zum Kleid.
© Quelle: Ailen Diaz/Agencia Uno/dpa
Frau Dahlem-Lay, wie gehen Sie als Hochzeitsplanerin mit der Pandemie um?
Ehrlicherweise geht es der Branche derzeit nicht sehr gut – hier herrscht seit vielen Monaten absoluter Stillstand. Wir haben uns natürlich mit dem Jahreswechsel auf ein hoffnungsvolles 2021 gefreut. Darauf, bald in eine bevorstehende Saison starten zu dürfen. Durch die Verlängerung des Lockdowns sind wir nun dabei, erneut Hochzeitsfeiern zu verschieben, die im Frühjahr 2021 stattfinden sollten, und sie stattdessen im späteren Verlauf des Jahres unterzubringen. Dennoch versuchen wir, für die zweite Jahreshälfte optimistisch und positiv zu bleiben, jedoch nicht naiv zu sein. Als Hochzeitsplanerin habe ich gelernt, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch, zu improvisieren. So werden neben der eigentlichen Tätigkeit neue Produkte entwickelt, die den Lebensunterhalt ansatzweise sichern.
Was sind das für Tätigkeiten?
Beispielsweise die Produktion von textilen Masken, die Erweiterung des Portfolios um digitales Coaching oder die Beratung im Bereich Social-Media-Marketing. Plötzlich haben sich neue Felder aufgetan, die uns dabei helfen, die Pandemie hoffentlich mit „nur“ einem blauen Auge zu überstehen.
Welche Empfehlungen geben Sie Paaren, die zurzeit heiraten wollen?
Das Wichtigste ist sicherlich: Ruhe bewahren. Jede Lösung ist so individuell wie ein Brautpaar und dessen Wünsche und Vorstellungen von der persönlichen Traumhochzeit, die gemeinsam erarbeitet wird – in enger Rücksprache mit den involvierten Dienstleistern. Erst einmal gilt es zu prüfen, ob das Hochzeitsdatum im kritischen Zeitraum liegt. Nach meiner heutigen – vorsichtigen – Einschätzung sind dies vor allem die Monate April, Mai und teilweise auch Juni 2021. Falls das Hochzeitsdatum in diesen Zeitraum fällt, ist hier zu empfehlen, die Hochzeit zu verschieben. Verschieben heißt aber nicht stornieren! Schließlich haben sich die Brautpaare bewusst dazu entschieden, aus Liebe den Bund der Ehe einzugehen. Es sollte ein Ersatztermin mit den Dienstleistern gefunden werden.
Und was ist mit den Gästen?
Ich empfehle, erweiterte Versionen der Gästeliste mit gestaffelter Gästeanzahl anzufertigen, beispielsweise Gästeliste „B“ mit 70 anstelle von 100 Gästen, Gästeliste „C“ mit 50 anstelle von 70 Gästen, Gästeliste „D“ mit 20 bis 30 Gästen anstelle von 50. Das nimmt im Notfall ein wenig Druck von dem Brautpaar und verhindert Fehlentscheidungen unter Emotionen und Stress. Ich empfehle grundsätzlich, die Gästeliste so privat wie möglich zu halten. Jeder potenzielle Gast, der bei dem Brautpaar für Bauchschmerzen sorgt, gehört meiner Meinung nach nicht auf die Gästeliste.
Gibt es viele Paare, die trotz Corona unbedingt heiraten wollen?
Ja, tatsächlich ist die Anfragesituation sehr positiv – allerdings für das Jahr 2022 und später.
Mein Eindruck ist, dass sich der Trend momentan zur gemütlichen Hochzeit im kleinen Kreis durchsetzt. Können Sie das bestätigen?
Absolut. 2020 war ein Jahr unter dem Motto „Improvisation“, in dem sicher jeder von uns über sich hinausgewachsen ist. Auch die Saison 2021 wird anders, aber wir werden Wege und Lösungen finden und uns mit passenden Konzepten der neuen Realität so anpassen, dass Hochzeiten stattfinden können. Ich persönlich freue mich sehr über den Trend sogenannter Micro Weddings. Die intime Feier war bereits vor Corona schon auf dem Vormarsch, hat sich aufgrund der Pandemie nun aber schneller etabliert.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Branche und auch allgemein das Heiraten 2021, 2022 und in Zukunft verändern? Hat Corona vielleicht sogar einen Umbruch in unserer Feierkultur bewirkt?
Der Trend zur intimen Hochzeiten wird sich auch in den folgenden Jahren weiter durchsetzen. Das Budget für ein großes Event kann auf eine kleinere Anzahl von Gästen umgelegt werden und ermöglicht so ein ganzes Hochzeitswochenende mit Get-together am Vorabend, Hochzeitsfeier sowie Farewell-Brunch am Tag danach. Dem Brautpaar ist es also möglich, die Kosten pro Kopf durch die Reduzierung der Gäste zu erhöhen und auf besondere Effekte zu setzen, die sonst womöglich keine Option gewesen wären. Bei einem ganzen Hochzeitswochenende kann das Brautpaar außerdem doppelt so viele Momente intensiv aufsaugen und für jeden Gast ausreichend Zeit aufbringen. Das erhöht die Qualität der Hochzeit für die Gastgeber, aber auch für die Gäste nachhaltig.
Was meinen Sie mit Qualität?
Nach dem vergangenen Jahr wissen wir alle, wie kostbar die Zeit mit den Liebsten ist. Einmal mehr wurde uns gezeigt, wie wichtig Familie, Freunde und Zusammenhalt sind. Solch eine kleine, feine Hochzeit ist nicht weniger magisch als eine Hochzeit in großer Gesellschaft, sondern im Zweifel sogar intensiver, romantischer und emotionaler. Dieses Konzept eignet sich auch besonders gut für Auslandshochzeiten, etwa in der Toskana, aber ebenso für Hochzeiten am Meer – wenn es denn keine Reisebeschränkungen mehr gibt.
Ursprünglich waren ja der Frühling und der Sommer Hochzeitshochsaison. Verändert sich das jetzt durch die Verschiebungen?
Das Konzept Winterhochzeit entwickelt sich ebenfalls mehr und mehr zum Trend. Eine romantisch-gemütliche Hochzeit mit dem Zauber der Vorweihnachtszeit mit all den Liebsten und jeder Menge Kerzenschein oder auch eine Silvesterhochzeit sind wahre Highlights.
Was ist bei der Verschiebung zu beachten?
Seit circa fünf bis sechs Jahren wird die Hochzeitsbranche ordentlich entstaubt, da werden Traditionen schon mal neu interpretiert oder gar über Bord geworfen. Im Rahmen der Verschiebung sollten Brautpaare flexibel sein: Bei einem Ausweichtermin auf einen Sonntag oder auf einen Wochentag ist die Umplanung meist recht unproblematisch und die Chancen stehen gut, all die Wunschdienstleister zum neuen Datum „mitzunehmen“. Auch günstige Konstellationen von Feier- und Brückentagen sowie der Tag vor Feiertagen sollten in Erwägung gezogen werden. Abschließend mein persönlich wertvollster Tipp für Brautpaare: Gebt der Vorfreude auf eure Hochzeit wieder etwas mehr Raum! Ich bin sicher, im Laufe dieses Jahres werden wir ganz langsam wieder ein Stück unbeschwerter feiern, lachen und leben können.
Was gibt es für Brautmodetrends?
Die Trends vom vergangenen Jahr werden in dieser Saison weiterhin verstärkt. Es dominieren moderne, schlichte und coole Schnitte. Sehr hochwertige Materialien, beispielsweise eine schwere, blickdichte Seide oder leichte, zarte Stoffe, veredelt durch clevere Details wie Puffärmel, große Schleifen am Rücken, 3-D-Spitze, Federn, Tüllapplikationen oder Fransen stehen ebenfalls hoch im Kurs. Auch bei der Mode zählt immer stärker Individualität – das Bedürfnis, sich mit einem maßgeschneiderten, hochwertigen Outfit als Braut abzuheben und die eigene Persönlichkeit mit dem exklusiv angefertigten Kleid optimal zu unterstreichen. Damit werden auch kleine Designlabel unterstützt. Auch das Thema Nachhaltigkeit ist weiterhin sehr präsent. Dabei geht es nicht nur um Stoffe in Bioqualität sowie faire Produktionsbedingungen, sondern auch um Outfits, die als Zweiteiler getragen und individuell kombiniert werden können.
Wie muss man sich das vorstellen?
Als ein Basisoutfit, welches mit unterschiedlichen Accessoires funktioniert und in jeder Kombination einen absolut neuen Look entstehen lässt und somit auch immer wieder, also auch nach der Hochzeit, angezogen werden kann. Einzelteile können spielend zum Businessoutfit kombiniert werden. Dieser Trend eignet sich vor allem bei Standesamtlooks.
Was sind denn gefragte Standesamtoutfits?
Jumpsuits, Hosenanzüge, Blazerkleider und Slip Dresses, also coole Statementlooks.