„Grüner Knopf”: Auf noch ein Textilsiegel hat niemand gewartet

Ein Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegels „Grüner Knopf" haftet an einem Kleidungsstück.

Gerd Müller (CSU), Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, trägt während seiner Pressekonferenz einen Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegels „Grüner Knopf“ am Revers.

Hannover. Fridays for Future, Kaffeebecher aus Bambus und wiederverwendbare Strohhalme: Umweltbewusstsein ist längst ein generationsübergreifendes Thema. Das haben auch die etablierten Parteien verstanden – und springen auf den Zug auf. Stolz hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller heute den „Grünen Knopf“ vorgestellt, eine Art staatliches „Metasiegel“ für Textilien, die vermeintlich unter besonders fairen und umweltfreundlichen Bedingungen produziert wurden. Das Label ist seine Reaktion auf den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei dem im Jahr 2013 rund 1.100 Menschen ums Leben kamen. Der Vorfall liegt wohlgemerkt sechs Jahre zurück. Seitdem haben die Internationale Arbeitsorganisation ILO und zahlreiche NGOs Jahr für Jahr auf die weiterhin verbesserungswürdigen Zustände in der Textilindustrie aufmerksam gemacht – und die Politik zum Handeln aufgerufen.

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Der „Grüne Knopf“: Ein freiwilliges Siegel, das zu viel Spielraum zulässt

Doch trotz der wiederholten Forderung nach strengeren gesetzlichen Regelungen überlässt es die Politik weiterhin den Firmen selbst, an dem Projekt „Grüner Knopf“ teilzunehmen – und zwar freiwillig. Dass auch Hersteller ein nationales Siegel in einer globalen Industrie fragwürdig finden, ist logisch. Ein Lieferkettengesetz für faire Mode, das alle Unternehmen bindet, gibt es bislang leider nicht.

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Hinzu kommt, dass die Sorgfaltspflichten der Unternehmen in der Startphase des „Grünen Knopfes“ beschränkt sind: Die Produktionsschritte Nähen und Zuschneiden sowie Färben und Bleichen haben zunächst Priorität. Allerdings kommen in den vorangegangenen Schritten längst umweltschädliche Chemikalien und gewaltige Pestizidmengen zum Einsatz.

Auch die vielen Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich mit dem Spinnen und Weben täglich schwerer körperlicher Arbeit stellen, müssen für eine Optimierung der Bedingungen hintenanstehen. Der versprochene Mindestlohn liegt laut Frauenrechtsorganisation Femnet in Produktionsländern wie Bangladesch, Moldawien und Rumänien dabei nur bei 19 Prozent eines existenzsichernden Lohnes. Faktisch werden also weiterhin Hungerlöhne gezahlt. Der Anteil des Lohnes der Näherin am Preis des Kleidungsstückes beträgt weiterhin gerade einmal rund einen Prozent – ein Fakt, der spätestens seit Einsturz des Rana Plazas bekannt ist.

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Fazit: Diese „Innovation“ hat die Menschheit nicht gebraucht

Mal ehrlich: In Deutschland hat niemand auf den „Grünen Knopf“ gewartet. Es braucht ihn schlichtweg nicht. Es gibt landesweit bereits zahlreiche Labels, die von einer fairen und ökologischen Produktion von Textilien zeugen. So viele, dass die Verbraucher den Durchblick verlieren – und es eigene Portale braucht, die den Siegeln ein Ranking widmen. Der „Grüne Knopf“ würde dort wohl nicht mal unter den Top 10 landen. Am Ende sorgt das neue grüne Siegel so lediglich für ein kurzes, mediales Blitzlichtgewitter, aber nicht für bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken.

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