Götterbaum, Waschbär und Nutria: Importierte Pflanzen und Tiere bedrohen heimische Arten
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Die Blätter eines Götterbaums (Ailanthus altissima) in einer Parkanlage in Frankfurt (Oder).
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp
Als 2017 erstmals Amerikanische Sumpfkrebse auf Wiesen und Wegen im Berliner Tiergarten gesichtet wurden, sorgte das für einige Aufregung. Vermutlich hatten sich die Nachkommen ausgesetzter Tiere zunächst unbemerkt vermehrt, bevor Hunger oder Platznot sie aus den Parkgewässern trieben.
Nilgans, Waschbär und Nutria
Alljährlich im Sommer werden nun Exemplare der invasiven Art, die eigentlich im Süden der USA und im Norden Mexikos heimisch ist, in den Gewässern gefangen. Eine weitere Ausbreitung soll verhindert und die Vermehrung zumindest gebremst werden. Die gefräßigen und wanderlustigen Tiere gelten als Bedrohung für heimische Arten und Ökosysteme – nicht nur in Berlin, sondern in der gesamten Europäischen Union.
In Berlin und anderen Städten haben sich viele weitere hier ursprünglich nicht heimische Arten ausgebreitet, einige von ihnen machen Probleme: Riesenbärenklau, Götterbaum und Schmalblättrige Wasserpest ebenso wie Nilgans, Waschbär und Nutria. Etwa 900 Arten haben sich dem Bundesamt für Naturschutz zufolge seit 1492 in Deutschland dauerhaft angesiedelt – dem Jahr der Entdeckung Amerikas, das Wissenschaftler als Grenze für die Unterscheidung zwischen fremd und heimisch heranziehen.
Arten aus sensiblen Bereichen fernhalten
66 Tier- und Pflanzenarten stehen auf einer von der EU-Kommission erstellten Liste, der sogenannten Unionsliste invasiver Arten. Die Mitgliedsländer müssen die Einschleppung dieser Arten verhindern beziehungsweise ihre ungehemmte Ausbreitung stoppen, wenn sie schon angekommen sind.
„Bei Arten, die noch nicht hier heimisch sind, hat man ganz gute Chancen, sie fernzuhalten“, sagt Ingolf Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. „Bei bereits etablierten Arten wie etwa den Sumpfkrebsen oder dem Riesenbärenklau ist die Beseitigung nicht mehr zu schaffen. Da geht es dann darum, die Bestände einzudämmen und die Arten aus besonders sensiblen Bereichen wie Naturschutzgebieten fernzuhalten.“
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Daniel Becker, Berufsfischer für das Unternehmen Holycrab, zeigt einen Sumpfkrebs, der mit einer Reuse in einem See im Britzer Garten gefangen worden ist.
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Gesundheit des Ökosystems stärken
In Berlin hat die Senatsverwaltung einen Fischer beauftragt, der in der Hochsaison mindestens zweimal pro Woche die ausgelegten Reusen leert. Die Tiere werden unter anderem an Berliner Gastronomen verkauft. Allerdings lässt sich gegen invasive Arten nur selten mit Messer und Gabel vorgehen – zudem kommt die Bekämpfung oft einer Sisyphos-Aufgabe gleich. „Oft sind dafür gar nicht genug Kapazitäten vorhanden“, sagt Sebastian Kolberg, Referent für Artenschutz beim Nabu. „In den unteren Naturschutzbehörden fehlt dazu schlicht die finanzielle und die personelle Ausstattung.“
Kompromisslos auf die Vertreibung einer invasiven Art zu setzen sei aber auch häufig nicht zielführend, sagt Kolberg. Alle Anstrengungen auf das Management einer Konfliktart zu legen sei keine nachhaltige Strategie. Sinnvoller sei es häufig, die Gesundheit des Ökosystems insgesamt zu stärken.
Natur in ständigem Wandel
„Gerade bei den Pflanzen machen viele der Neophyten keine Probleme, im Gegenteil“, sagt Wildtierexperte Derk Ehlert von der Berliner Umweltverwaltung. „Unsere Parkanlagen wären vermutlich sehr viel artenärmer, wenn es keine Neophyten gäbe.“ Generell sei die Natur in ständigem Wandel – und auch die Bewertung von Tier- und Pflanzenarten.
„Der aus China stammende Götterbaum wird seit etwa 250 Jahren bei uns angepflanzt und wurde als schöner Stadtbaum lange Zeit gehegt und gepflegt“, sagt Ehlert. „Seit etwa 80 Jahren breitet sich die Art massiv aus, weil die Winter wärmer geworden sind und die frostempfindlichen Jungbäume vermehrt überleben.“ Heute ist der weder durch Schnitt noch Gifte gut zu bekämpfende Götterbaum offiziell unerwünscht, auch weil er sich in jeder Ritze festsetzen und so Straßen und Mauern beschädigen kann.
Großteil stammt aus wärmeren Ländern
Viele der heute als problematisch betrachteten Arten wurden einst bewusst eingeführt: der Waschbär etwa als Pelzlieferant, der asiatische Marienkäfer zur biologischen Bekämpfung von Schädlingen. Heute gehören sie zu den Arten, die man wohl nicht mehr vertreiben kann.
Mit dem Klimawandel dürfte sich die Situation in den kommenden Jahren kaum entspannen. Frostliebende Arten könnten nach Ansicht von UFZ-Forscher Kühn weniger werden. Der Großteil der eingeschleppten Arten stamme aber aus wärmeren Ländern und profitiere von den erwarteten Veränderungen. „Wehret den Anfängen“, sagt Wildtierexperte Ehlert. „Wenn sich eine Art erst mal etabliert hat, gibt es oft kaum noch Möglichkeiten, sie wieder loszuwerden.“
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