Fahrradfahren lernen: So können Eltern ihren Kindern helfen
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Ein kurzer Anschubser genügt: Kinder sollten lernen, von allein in Bewegung zu kommen.
© Quelle: www.puky.de/www.pd-f.de/dpa-tmn
Berlin. Mit dem Fahrradfahren ist es wie mit dem Schwimmen. Gelernt ist gelernt, auch wenn man es jahrelang nicht gemacht hat – man kann es noch. Die eigentliche Herausforderung ist es, das Radfahren zu lernen: Viele Kinder tun sich damit schwer und stürzen, wenn sie zum ersten Mal auf einem Sattel sitzen. Mit dem richtigen Fahrrad und aufmerksamer Unterstützung der Eltern können sie aber schnell lernen, ihr Gleichgewicht zu halten.
Fahrradfahren lernen: Richtiges Alter ist individuell unterschiedlich
Ein festes Alter, in dem Kinder Radfahren lernen sollten, gibt es nicht. "Der richtige Zeitpunkt hängt von der individuellen Entwicklung des Kindes ab", sagt Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht (DVW). Entscheidend ist, ob Körperbeherrschung und Reaktionsfähigkeit schon stimmen. In der Regel könnten Eltern davon ausgehen, dass der Nachwuchs ab rund zwei oder drei Jahren das notwendige Balancieren erlernen kann – und ab diesem Zeitpunkt dem Kind ein Laufrad anbieten. "Sobald das Kind längere Passagen mit den Füßen auf dem Trittbrett rollt, kann man über den Umstieg auf ein kleines Kinderfahrrad nachdenken", sagt Sothmann.
Motivationsarbeit ist dabei oft nicht notwendig: Wenn die Eltern selbst Fahrrad fahren oder andere Kinder mit dem Laufrad umherrollen, komme der Wunsch beim eigenen Nachwuchs ganz von allein, sagt Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). Nach Einschätzung von Christopher Spering lernen Kinder das Gleichgewichthalten immer früher. Hintergrund sei der allgemeine Trend zum Laufrad in den vergangenen Jahren, so der Experte der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Damit sind Kinder auch früher auf dem Fahrrad.
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Für eine sichere Fahrt: Rad muss die richtige Größe haben
Das Rad sollte in einer Größe gewählt werden, dass Kinder es beherrschen können. Dazu gehört, dass sie damit sicher fahren sowie sicher wieder stoppen können und bei langsamem Tempo nicht einfach umfallen. „Wichtig ist der sichere Stand“, sagt Sothmann. Beim Anhalten fühlen sich manche Kinder besser, wenn sie die kompletten Fußflächen aufsetzen können, anderen genüge es, die Zehenspitzen aufzusetzen.
Der Experte empfiehlt eine Kombination aus Fuß- und Handbremse: Die Rücktrittbremse entspreche wegen der entgegengesetzten Pedalbewegung der Intuition. Mit dem Hebel am Lenker können Kinder die bei Erwachsenenrädern gängige Art der Bremse schon mal kennenlernen. Praktisch ist es, wenn das Rad einen tiefen Einstieg hat. Wer das Kind an die Tretbewegung heranführen möchte, könne es alternativ zum Laufrad auf ein Dreirad setzen, empfiehlt Geißler. „So gewöhnt sich das Kind schon mal ans Pedalieren.“
Eltern brauchen Aufmerksamkeit und Geduld
Eltern sollten grundsätzlich auf die Signale des Kindes achten und nichts erzwingen. Stattdessen sind stets Aufmerksamkeit und viel Geduld gefragt, um die Lernfortschritte Stück für Stück zu begleiten. Diese Haltung ist laut Sothmann wichtiger, als dem Kind konkrete Vorgaben zu machen. Auch von Anschieben hält er nicht viel, allenfalls kurzes Anschubsen sei zweckmäßig: „Das Kind soll ja allein in Bewegung kommen.“ Auf diese Weise gewinne es Selbstvertrauen, werde sicherer. Nicht vergessen sollten Eltern laut Spering ihre Vorbildfunktion im Verkehr: Wenn sie sich rücksichtsvoll gegenüber anderen verhalten, statt cholerisch zu reagieren, werden Kinder eher zu besonnenen, selbstsicheren Radlern.
Stützräder sind kontraproduktiv für Kinder
Experten raten grundsätzlich von Stützrädern ab. Geisler hält sie sogar für kontraproduktiv: Das Radfahren könne wieder verlernt werden, weil sich Kinder auf die Stützfunktion verlassen. Womöglich müsse das Kind das Balancieren erneut erlernen. „Stützräder wiegen das Kind in falscher Sicherheit“, erläutert Spering. Gleiches gelte für Schutzkleidung wie Protektoren an Knie oder Ellenbogen. „Kinder brauchen die Chance wahrnehmen zu können, dass man sich verletzen kann – kleinere Schürfverletzung haben da gar nicht einen so negativen Lerneffekt.“ Sie müssten lernen, sich bei Stürzen richtig abzufangen.
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Sothmann ergänzt, dass Knieschoner oder Handgelenkschützer zudem eher einschränkten – beim Festhalten am Lenker, dem Bedienen der Handbremse. „Ein langärmeliges Oberteil und lange Hosen genügen.“ Wichtiger sei, das der Untergrund möglichst frei von Schotter oder gar Scherben sei, um größeren Verletzungen als einer Schürfwunde vorzubeugen.
Fahrradhelm für Kinder ein „absolutes Muss“
Der Schutzhelm: Gesetzlich nicht vorgeschrieben, wird er von den meisten Fahrradexperten aber empfohlen. Diese Empfehlung spricht Spering gerade für den ganz jungen Radlernachwuchs aus, der einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt sei, wenn es zum Unfall kommt. „Weil das Gehirn mit dem Alter wieder schrumpft, hat das kindliche Gehirn im Vergleich viel mehr Masse als das eines Erwachsenen“, sagt Spering. Deshalb habe das Gehirn von Kindern unter der harten Schädeldecke weniger Platz zu schwellen. Bei gleicher Aufprallenergie komme es beim Nachwuchs schneller zu Gehirnerschütterungen. „Der Helm beim Kind in der Lernphase ist deshalb ein absolutes Muss“, sagt Spering. Idealerweise schütze er auch die Schläfen, die aufgrund der bei Stürzen oft instinktivem Drehbewegung besonders gefährdet seien.
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Orte mit wenig Verkehr sind ideal, um Fahrradfahren zu lernen
Sothmann nennt den optimalen Ort den „Schonraum“. Gemeint sind Orte, wo es kein oder nur sehr sporadisch Verkehr gibt: „Das können Einfahrten sein, ein Innenhof, ein leerer Parkplatz oder der asphaltierte Feldweg.“ Um sich dem Wesentlichen widmen zu können, sollte möglichst wenig Ablenkung bestehen. Der Untergrund, auf dem die ersten Übungen stattfinden, sollte möglichst glatt sein, am besten asphaltiert oder eben gepflastert. „Wichtig ist, dass das Kind das Gefühl hat, genug Raum zu haben – um auch mal schneller oder größere Kreise zu fahren.“
Fehlt es an einem geeigneten Ort, können in Städten nach Absprache oft auch Jugendverkehrsschulen oder Verkehrsübungsplätze genutzt werden. Hat das Kind Selbstvertrauen und Sicherheit gewonnen, spricht nichts mehr gegen erste kurze Touren auf dem Gehweg. Laut Straßenverkehrsordnung darf eine mindestens 16 Jahre alte Begleitperson den Nachwuchs auf dem Gehweg begleiten. Bis zum Alter von acht Jahren dürfen die jungen Radler zwar nicht auf Radfahrstreifen auf der Straße, dafür aber auf Radwegen fahren.
Von RND/dpa