Atom­kraftwerke im Krieg

Energie­experte: Risiko eines GAUs in der Ukraine „15-mal so groß wie in Fukushima“ – dennoch kein Grund zur Sorge

Saporischschja ist das größte Atom­kraftwerk Europas. Im Zuge des Kriegs in der Ukraine ist es unter Beschuss geraten.

Saporischschja ist das größte Atom­kraftwerk Europas. Im Zuge des Kriegs in der Ukraine ist es unter Beschuss geraten.

Das Risiko einer Reaktor­katastrophe in einem Atom­kraftwerk ist im Zuge des Kriegs in der Ukraine mittlerweile deutlich erhöht. Verglichen mit Fukushima, wo es 2011 zu einer Atom­katastrophe kam, sei das Risiko eines sogenannten größten anzunehmenden Unfalls (GAU) aktuell „15-mal so groß“, sagte ARD-Energie­experte Jürgen Döschner im „NDR 2 Update“ am Donnerstag. „Denn hier kommt ja hinzu, dass es nicht eine Natur­katastrophe oder eine ähnliche Verkettung von unglücklichen Umständen ist, sondern es ist eine Ballung von mehreren Risiken – wir haben Krieg“, betonte er.

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Noch nie habe es ein derart hohes Risiko in der Welt gegeben, da noch nie Krieg in einem Land mit 15 aktiven Atom­reaktoren und einer zu überwachenden Atom­ruine geführt worden sei.

Atom­kraftwerke: Kontakt zu Saporischschja und Tschernobyl verloren

Die Internationale Atomenergie­behörde (IAEA) hat am Donnerstag den Kontakt zum größten europäischen Atom­kraftwerk in der Ukraine, Saporischschja, verloren. In der vergangenen Woche hatten russische Truppen das AKW angegriffen und eingenommen. Der Grund für den Ausfall zur Daten­verbindung zu den Überwachungs­geräten sei noch unklar, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi. Einen Tag zuvor hatte die IAEA aufgrund eines Strom­ausfalls auch den Kontakt zur von russischen Truppen besetzten Atom­ruine Tschernobyl verloren. Der Verbindungs­verlust zu den beiden Atom­standorten sei laut der IAEA besorgnis­erregend.

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Im Fall von Tschernobyl sieht der Sicherheits­experte Sven Dokter von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor­sicherheit (GRS) „keinen Anlass zu größerer Sorge“, wie er am Mittwoch dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) mitteilte. Zur Strom­versorgung verfüge das frühere Atom­kraftwerk über Notstrom­reserven. Und selbst bei einem kompletten Strom­ausfall bestehe keine Gefahr, dass radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen. Zum einen verhindere dies der 2018 erbaute Shelter, zum anderen seien die Brenn­elemente in Tschernobyl, die mit Strom in Wasserbecken gekühlt werden müssen, schon alt. „Deshalb ist die Nachzerfalls­leistung so weit abgeklungen, dass sie kaum noch Wärme produzieren und auch ohne Kühlung keinen Schaden nehmen würden“, betonte er.

Fukushima als Warn­beispiel: „Ein aktives Atom­kraftwerk braucht unbedingt Strom“

Bei aktiven Atom­kraftwerken sieht die Lage schon besorgnis­erregender aus: Die Brenn­elemente sind hier frisch und können bei Überhitzung radioaktive Stoffe in die Umwelt freisetzen. Daher ist eine ununterbrochene Strom­versorgung wichtig für die Sicherheit von AKW. Jedoch wurden aufgrund der Kämpfe in der Ukraine bereits vor einer Woche Strom­kabel beschädigt, die das Kernkraft­werk Saporischschja versorgen. „Die russische Armee greift gezielt die Infra­struktur – insbesondere die Energie­infrastruktur – an, das haben wir mehrfach gesehen. Und das ist natürlich für die Atom­kraftwerke in der Ukraine ein gigantisches Risiko“, sagte Döschner.

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Döschner nannte dabei mehrere Risiken, die nun die Sicherheit der eingenommenen Atom­kraftwerke in der Ukraine gefährden. Beispiels­weise arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen des Kriegs unter extremer Anspannung, was zu Fehlern führen könne. Außerdem könne ein versehentlicher Beschuss die Anlagen oder Strom­versorgungs­anlagen beschädigen. „Ein aktives Atom­kraftwerk, selbst wenn es runter­gefahren ist, braucht unbedingt Strom, und wenn der wegfällt, kann es eben zu einer Katastrophe wie in Fukushima kommen“, warnte Döschner. Damals habe ein umgefallener Strom­mast die Katastrophe ausgelöst – und auch die Notstrom­aggregate wurden wegen des Tsunamis überschwemmt.

RND/bk

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