Die Nacht durchmachen: Wie gefährlich ist Schlafmangel für Gehirn und Körper?

Gähnen ist bei einer Nacht ohne Schlaf noch die geringste Sorge.

Gähnen ist bei einer Nacht ohne Schlaf noch die geringste Sorge.

„Schlaf ist der schönste Zustand unseres Lebens!“, heißt es im Buch „Schlaf wirkt wunder“ von Schlafforscher Hans-Günter Weeß (Verlag Droemer, 336 Seiten, 16,99 Euro). Doch obwohl er so schön und erholsam ist, wird der Schlaf in der Gesellschaft nicht besonders geschätzt. Viele leben frei nach dem Motto „Was macht schon eine Nacht durcharbeiten aus?“ Ungefährlich ist der fehlende Schlaf allerdings nicht, warnt der Experte, denn Psyche, Reaktionsvermögen und Gedächtnis können schon nach einer Nacht ohne Schlaf leiden.

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Mensch kann eine schlaflose Nacht kompensieren, aber ...

„Der menschliche Organismus ist sehr flexibel und grundsätzlich in der Lage, eine schlaflose Nacht ohne dauerhafte Schäden zu kompensieren", sagt Schlafforscher Weeß. immerhin musste der Mensch in grauer Vorzeit zum Schutz vor Gefahren hin und wieder auf Schlaf verzichten. Doch ist das nun ein Freifahrschein für Nachtschichten ohne erholsamen Schlaf? Bei nur einer schlaflosen Nacht sind zwar keine langfristigen Folgen zu befürchten, doch der Schlafmangel macht sich ganz schnell anders bemerkbar.

Schlaflosigkeit wirkt sich negativ auf Gedächtnis aus

„Der Schlaf ist unheimlich wichtig für Gedächtnisprozesse, denn im Schlaf werden wichtige Informationen von weniger wichtigen getrennt", betont Weeß. Schüler und Studenten sollten das auf jeden Fall beachten, bevor sie ihre Lerneinheiten wieder mal auf den letzten Tag vor der Klausur verschieben. Denn: Wenn das Gehirn Informationen nicht richtig verarbeiten kann, wird auch nicht viel Lernstoff hängen bleiben. Das bedeutet: lieber doch mal zeitig aufraffen und einen sinnvollen Lernplan erstellen.

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Dr. Hans-Günter Weeß ist psychologischer Psychotherapeut, Schlafforscher und Buchautor („Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“). Er leitet die schlafmedizinische Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster und lehrt an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2008 ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Dr. Hans-Günter Weeß ist psychologischer Psychotherapeut, Schlafforscher und Buchautor („Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“). Er leitet die schlafmedizinische Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster und lehrt an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2008 ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Nacht ohne Schlaf ähnelt betrunkenem Zustand - Gefahr im Straßenverkehr

Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten sind wohl jedem bekannt, der schon mal mit wenig oder keinem Schlaf den Tag überstehen musste. Schlafmangel wirkt sich dabei ähnlich auf den Körper aus wie Alkohol, sagt der Schlafexperte: „Wenn man 17 bis 18 Stunden am Stück wach ist, verringert sich das Reaktionsvermögen im Schnitt so, als hätte man einen Alkoholwert von 0,5 Promille im Blut. Bei 22 Stunden sind es schon 1,0 Promille.“ In so einem Zustand kann es deshalb auch richtig gefährlich werden, im Straßenverkehr unterwegs zu sein.

Zunehmen durch Schlafmangel: Ausschüttung von Wachstumshormon gehemmt

„Bei einer schlaflosen Nacht wird das Wachstumshormon Somatropin nicht vollständig ausgeschüttet. So können Zellteilung und Zellneubildung nicht stattfinden, die körperliche Erholung ist eingeschränkt", sagt Weeß. Für Kinder ist das Hormon besonders wichtig, da es für ihr Wachstum und ihre Entwicklung verantwortlich ist. Bei Schlafstörungen kann Minderwuchs die Folge sein. Bei Erwachsenen werden bei einem Mangel am Wachstumshormon Muskeln ab- und Fett aufgebaut. Das ist nicht nur ungünstig für die Figur, sondern kann auch Herz-Kreislauf-Probleme begünstigen. Denn durch die Gewichtszunahme wird der Zuckerstoffwechsel negativ beeinflusst.

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Immunsystem wird bei schlafloser Nacht geschwächt

Wer auch nur eine Nacht durchmacht, riskiert zudem eine Erkältung: „Eine Nacht ohne Schlaf schwächt das Immunsystem erheblich, da die T-Zell-Funktion eingeschränkt wird, welche infizierte Zellen sucht und abtötet", sagt der Schlafexperte. Auch und vor allem wenn der Infekt bereits ausgebrochen ist, sollte man seinem Körper besonders zum Beginn der Erkältung viel Schlaf gönnen. Denn zu wenig Ruhe und Schlaf kann eine Erkältung besonders stark ausbrechen lassen. Dann haben Betroffene lange und besonders intensiv mit den Symptomen zu kämpfen. Nur mit ausreichend Schlaf in der Nacht kann der Körper zum Gegenschlag ausholen.

Testosteron wird im Schlaf produziert – Mangel schlecht für Muskelaufbau

Für sportliche Männer ist nicht nur das Training, sondern auch ausreichender Schlaf wichtig. „Testosteron wird im Schlaf gebildet, während regenerative Prozesse ablaufen“, sagt Weeß. „Während des Tiefschlafes sendet das Gehirn Signale an die Hoden des Mannes, in denen der wesentliche Teil des Testosterons produziert wird und uns auf den Tag vorbereitet.“ Das Hormon ist vor allem für den Muskelaufbau und für die Spermienproduktion wichtig. Schlafmangel kann sich also auch negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken.

Studie: Abbau der Hirnfunktion nach schlafloser Nacht

Könnte Schlafmangel sich auch negativ auf das Zentralnervensystem des Gehirns auswirken? Eine norwegische Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte die Folgen einer schlaflosen Nacht für das Gehirn und den Körper. Die 21 teilnehmenden jungen Männer blieben dafür 23 Stunden wach. Sie durften weder Alkohol, noch Koffein und Nikotin zu sich nehmen, damit der Test unabhängig von dem Einfluss von Drogen durchgeführt werden konnte.

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Das Ergebnis zeigte deutliche Veränderungen der "Weißen Substanz" im Gehirn und ein Abbau der Hirnfunktion. Viele Menschen bekommen das zu spüren, wenn sie etwa nach einer schlaflosen Nacht ihre Gedanken sammeln wollen. Unklar bleibt jedoch, ob diese Schäden etwa beim Ausschlafen wieder behoben werden können oder langfristig sind. Zudem sollte man bei dieser Studie beachten, dass die Untersuchungen an nur wenigen Probanden durchgeführt wurden - daher werden weitere Studien benötigt, um ein repräsentatives Ergebnis ermitteln zu können.

Schlaflose Nächte können die Stimmung aufhellen – zu viel Schlaf macht übellaunig

Von Müdigkeit und Erschöpfung können Menschen ein Lied singen, die die Nacht durchgearbeitet oder durchgelernt haben. Überraschenderweise kann eine Nacht ohne Schlaf aber auch eine euphorische Stimmung auslösen. Das liegt daran, dass der „Rapid Eye Movements“-Schlaf, kurz REM-Schlaf ausbleibt. Dieses Schlafstadium zeichnet sich durch eine hohe Gehirnaktivität aus, bei dem sich die Augen - wie der Name schon verrät - besonders schnell bewegen, der Mensch von außen aber vollkommen ruhig aussieht und kaum zu wecken ist.

Doch warum sollten sich manche Menschen ohne REM-Schlaf euphorischer fühlen? Grundsätzlich ist die Stressbelastung durch negative und depressive Gedanken während dieser Phase sehr hoch. Wer also umgekehrt denkt, dass er nach zwölf Stunden voller Energie ist, wird sich schnell wundern: Auch nach zu viel Schlaf kann die Stimmung ordentlich kippen. Das ist auf die „Überdosis“ REM-Schlaf zurückzuführen. Zwar leiden manche auch nach einer Nacht ohne Schlaf und haben mit Verstimmungen und übler Laune zu kämpfen. Bei etwa zwei Dritteln aller Menschen wirkt sich der Schlafentzug aber positiv auf die Stimmung aus. „Durch den Schlafmangel, präziser gesagt, den REM-Schlafmangel, erfahren sie eine Stimmungsaufhellung, die sich bis zum leicht euphorischen Pol bewegen kann“, berichtet Autor Weeß in seinem Buch.

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