Der Darm: Wichtige Schaltzentrale Bauch

Der Darm ist der Schlüssel zum menschlichen Wohlbefinden.

Der Darm ist der Schlüssel zum menschlichen Wohlbefinden.

Hannover. Der Darm leistet jeden Tag bemerkenswerte Arbeit für den Menschen und ist ein wesentlicher Schlüssel zum Wohlbefinden. Wie wichtig er ist, merken viele Menschen erst, wenn er Probleme bereitet, Verstopfungen, Durchfall und Blähungen auftreten oder sogar Blut im Stuhl ist. Die Ursachen für Beschwerden sind vielfältig. "Das kann zum Beispiel ein Reizdarmsyndrom, eine Magen-Darm-Infektion, chronische entzündliche Darmerkrankungen oder im schlimmsten Falle auch Darmkrebs sein", sagt Viola Andresen, Leiterin des Palliativ- und Ernährungsteams im Israelitschen Krankenhaus in Hamburg. Die Medizinerin beschäftigt sich seit vielen Jahren klinisch und wissenschaftlich mit chronischen Darmbeschwerden.

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Im Interview gibt Andresen Tipps rund um unser größtes Organ und für eine gesunde Darmflora.

Der Darm ist mehr als nur ein Verdauungsorgan. Was kann und leistet er noch?

Er hat die wichtige Filteraufgabe, die für uns wichtigen Nährstoffe und Flüssigkeit aus der Nahrung aufzunehmen und gleichzeitig alle übrigen Nahrungsbestandteile, die unser Körper nicht verwerten kann oder die zum Teil sogar schädlich sind, mit dem Stuhlgang wieder auszuscheiden. Viele Nahrungsbestandteile werden auf dem Transportweg durch den Darmschlauch von den Darmbakterien, dem sogenannten Darm-Mikrobiom, verarbeitet und schädliche Stoffe wie Krankheitserreger und Keime dabei zum Teil sogar unschädlich gemacht.

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Wie schützt sich der Darm vor Krankheitserregern?

Es gibt unterschiedliche Schutzfunktionen: Zuerst geht die Nahrung durch den Magen, der durch die Magensäure eine hohe antimikrobielle Aktivität hat. Ein Großteil der Keime überlebt das nicht. Die nächsten Schutzfunktionen zur Abwehr von Krankheitserregern und schädlichen Stoffen sind – neben der Darmflora – die Darmschleimhaut und die Abwehrzellen des Immunsystems, die in der Darmwand lokalisiert sind. In der Darmflora leben „gute“ Bakterien, die mit krankmachenden Keimen um die Nährstoffe kämpfen. Sie können die Keime daran hindern, dass sie sich an der Darmwand festsetzen. Außerdem produzieren „gute“ Bakterien antibakterielle Stoffe sowie Nähr- und Botenstoffe zur Unterstützung der Darmschleimhaut und des darmeigenen Immunsystems. Circa 70 Prozent der Abwehrzellen befinden sich in der Darmschleimhaut. Sie neu­tralisieren Schadstoffe und wehren Keime ab. Eine weitere Schutzbarriere ist die von der Darmschleimhaut produzierte Schleimschicht, die durch ihre Schleimstoffe verhindert, dass Krankheitserreger an der Darmwand andocken.

Warum ist eine gesunde Darmflora so wichtig für den Menschen?

Die Darmflora ist ein Überbegriff für lebende Organismen im Darm, wie nützliche Bakterien, aber auch Viren und Pilze. Sie hat einen entscheidenden Anteil an der Gesunderhaltung unseres Körpers. Wer sein Immunsystem stärken möchte, sollte deshalb die guten Darmbewohner gezielt unterstützen – mit regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung. Denn das Mikrobiom ernährt sich von dem, was wir essen. Ballaststoffreiche Lebensmittel, komplexe Kohlenhydrate und Gemüse wie Kohl, Hülsenfrüchte und Vollkorn ernähren das Mikrobiom gut. Auf Antibiotika sollte übrigens, so weit es geht, verzichtet werden. Durch die Einnahme werden viele „gute“ Darmbakterien zerstört. Und wenn die nicht mehr vorhanden sind, wird Platz gemacht für andere Keime, die das Wachstum beispielsweise von Pilzen wie Soor oder des Bakteriums Clostridium difficile begünstigen. Dieses Bakterium wird normalerweise von der Darmflora unter Kontrolle gehalten. Wenn diese Bakterien aber zunehmen, dann kann eine Entzündung der Darmschleimhaut mit schwerem Durchfall entstehen und auch die Entstehung chronischer Darmerkrankungen begünstigt werden.

Gibt es Darmerkrankungen, die sich auch in anderen Körperregionen bemerkbar machen?

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Da gibt es viele Beispiele. So können etwa bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa auch Gelenkbeschwerden auftreten, Entzündungen der Augen, der Mundschleimhaut, der Haut und der Gallengänge. Wenn man immer wieder Beschwerden hat, sollte man zum Arzt gehen. Bauchbeschwerden sind sehr unspezifisch. Es können die unterschiedlichsten Krankheiten dahinterstecken. Es gibt Patienten, die viele Jahre mit unentdeckten Krankheiten durch ihr Leben gehen, weil sie nie genauer untersucht worden sind.

Stichwort Reizdarmsyndrom: Was kann ich tun?

Die Diagnose des Reizdarmsyndroms (RDS) sollte nicht auf die Schnelle als „Verlegenheits-Diagnose“ für sämtliche Bauchbeschwerden herhalten. Vielmehr erfordert die sichere Diagnose eines RDS zunächst das Vorliegen häufig auftretender Symptome wie krampfartiger Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung und vor allem den sicheren Ausschluss anderer Krankheitsbilder, die ähnliche Beschwerden auslösen können. Wenn die Diagnose RDS tatsächlich gestellt worden ist, ist die Vorgehensweise sehr vielschichtig. Die eine richtige Reizdarmtherapie gibt es nicht. Sie ist ein ganzheitlicher Ansatz. Es gibt bestimmte Medikamente, die man für bestimmte Symptome wie Bauchweh oder Durchfall einsetzen kann. Dann gibt es Behandlungsmöglichkeiten wie Ernährungstherapien, oder es wird versucht, bestimmte Triggerfaktoren wie etwa emotionalen Stress zu identifizieren. Patienten, die durch die chronischen Bauchbeschwerden psychisch beeinträchtigt sind, können durch eine Psychotherapie unterstützt werden, etwa durch eine sogenannte Darm-Hypnose, bei der das Darmhirn durch Entspannungstechniken beruhigt wird. Da spielt die sogenannte Darm-Hirn-Achse eine große Rolle.

Was hat es denn mit der Darm-Hirn-Achse auf sich?

Der Darm hat das größte Nervensystem nach dem menschlichen Gehirn – es wird das Darmhirn genannt. Es heißt deswegen so, weil der Darm flexibel und autonom seine eigenen Entscheidungen trifft. Wenn wir Nahrung aufnehmen, funktioniert die Verarbeitung ohne unser Kopfgehirn. Trotzdem ist das Kopfgehirn immer gut über alles informiert. Das Darmhirn kommuniziert ständig mit dem Kopfhirn und umgekehrt – mithilfe von unterschiedlichen Nervenzellen und Neurotransmittern. Der Austausch beider Nervensysteme ist übrigens sehr wichtig. Nur zusammen können sie den optimalen Energiehaushalt des Körpers steuern. Wenn beispielsweise Schadstoffe in den Darm gelangen, regiert das Darmhirn mit Übelkeit oder Durchfall. Das Kopfhirn bekommt erst dann die Extremsituationen mit. Bei psychischem Stress signalisieren bestimmte Reize des Kopfgehirns dem Darm: Jetzt ist Stress angesagt, und das hat Auswirkungen auf die Darmfunktion. Das kann beispielsweise Appetitlosigkeit zur Folge haben. Beide Nervensysteme kommunizieren also ständig über die Darm-Hirn-Achse.

Priv.-Doz. Dr. Viola Andresen, Leiterin des Palliativ- und Ernährungsteams im Israelitschen Krankenhaus in Hamburg, beschäftigt sich seit vielen Jahren klinisch und wissenschaftlich mit chronischen Darmbeschwerden.

Priv.-Doz. Dr. Viola Andresen, Leiterin des Palliativ- und Ernährungsteams im Israelitschen Krankenhaus in Hamburg, beschäftigt sich seit vielen Jahren klinisch und wissenschaftlich mit chronischen Darmbeschwerden.

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Von RND / Jessica Schantin

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