Das Brot der Europäer: Interview mit EU-Korrespondent und Hobbybäcker Georg Matthes

Jedes Land hat seine Traditionen – besonders beim Brotbacken.

Jedes Land hat seine Traditionen – besonders beim Brotbacken.

Herr Matthes, wie sind Sie zum Backen gekommen?

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Eine große Rolle spielte dabei meine Großmutter, die immer viel gebacken und gekocht hat und der ich dabei geholfen habe. Ebenfalls prägend dafür war meine Studienzeit. Ich habe in London Internationale Beziehungen und Politik studiert – und das war in Sachen Brotsorten ein absolutes Trauerspiel im Vergleich zu meiner Heimat Hessen, wo man auf dem Wochenmarkt fast alles bekommen konnte, was Deutschland brotmäßig zu bieten hat. Mein deutscher Mitbewohner und ich trauerten immer dem deutschen Brot nach, bis ich mir irgendwann ein einfaches Sauerteigrezept rausgesucht und in meiner Studentenwohnung angefangen habe, den Teig in Gläsern zu züchten. Daraus wurden dann zwei Brote, die gut schmeckten und die ich dann während meiner Zeit in London häufig gebacken habe – und die Nachfrage bei unseren Freunden war immer sehr groß.

Wie entstand die Idee für Ihr Buch “Baking Bread”, das die Parallele zwischen Brotbacken und Politik zieht?

Im Büro in Belgien habe ich dann auch ab und zu mal ein Brot mitgebracht – Belgien glänzt schließlich auch nicht gerade mit einer großen Brotvielfalt. Ein Kollege brachte mich auf die Idee, dass man doch aus dem Ganzen eine Serie machen und ich mich durch die EU backen könnte. Ich wollte die Länder durch Rezepte vorstellen, damit die Leute eine kleine Eselsbrücke haben. Zum Beispiel, dass die Focaccia in Italien so vielfältig wie die Anzahl der italienischen Regierungen ist. Die Reihenfolge der Rezepte im Buch ist ebenfalls die Reihenfolge der EU-Beitritte. Parallelen zwischen Brot und Politik gibt es viele, als EU-Korrespondent sehe ich mich meist in einem “Trockenbrotgeschäft”. Die Politik in der EU ist eine komplizierte Materie, die man den Leuten in einer kurzen Zeit vermitteln muss.

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An wen ist Ihr Buch gerichtet?

Mein Ziel war von vornherein, dass in dem Buch 28 Brote zu finden sind, die gut schmecken und authentisch sind, aber auch einfach zu backen sind. Es gibt zwar auch ein paar Rezepte für Fortgeschrittene, aber es ist alles machbar, auch für Anfänger. Mir war wichtig, dass die Brote auch wirklich gelingen, wenn man sich an das Rezept hält.

Was hat Sie besonders gereizt?

Den Bereich Politik und Brot zu vermischen, hat mir besonders Spaß gemacht. Die eine große Schnittmenge, die wir in diesen beiden Bereichen haben, ist die Vielfalt – und die versuche ich in meinem Buch erkennbar zu machen. Die andere bezieht sich auf Regeln: Im Endeffekt muss man sich in der EU an Regeln halten, sonst funktioniert es nicht – und genauso wichtig ist beim Brotbacken das Rezept. Klar, man kann mal etwas Neues probieren, aber große Experimente gehen doch eher schief. Das Schöne ist doch, wenn man Brot selbst backt, kann man auch selbst über die Qualität der Zutaten entscheiden. Die Zutaten der Rezepte sind überschaubar und am Ende schmeckt man eben das raus, was man reingetan hat.

Georg Matthes

Georg Matthes

Über Buch u. Autor – die besten Brotrezepte aus 28 EU-Staaten

Was ist das Lieblingsbrot der Griechen, worauf schmieren die Spanier ihre Butter? All das erfährt man in Georg Matthes’ Buch “Baking Bread: Die besten Brotrezepte aus 28 Ländern Europas” (Becker Joest Volk Verlag, 176 Seiten, 22 Euro).

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Cover Baking Bread

Cover Baking Bread

Rezept 1 – österreichische Kaiserbrötchen

Vergleichbar mit dem Humor der Österreicher verbindet das Kaiserbrötchen einen feinen Kern mit einer ordentlichen Kruste. Peinliche Presse erlangte etwa der frühere FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache mit seinem Ibiza-Skandal – Georg Matthes zufolge lässt aber wenigstens die Backkunst der Österreicher einiges hoffen: Große europäische Ideen wie das Baguette oder das Croissant nämlich sollen der Überlieferung nach gar nicht aus Paris, sondern eigentlich aus Wien stammen.

Österreichische Kaiserbrötchen

Österreichische Kaiserbrötchen

Das wird gebraucht: 500 g Weizenmehl (Type 550) plus Mehl zum Bestäuben, 270 ml kaltes Wasser, 15 g enzymaktives Backmalz, 15 g frische Hefe, 12 g Steinsalz, 20 g weiche Butter, 20 g Roggenmehl (Type 1150), 20 g Kartoffelstärke.

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So geht’s: In einer großen Schüssel 200 Gramm Weizenmehl mit 130 Gramm Wasser mischen und 30 Minuten stehen lassen. Dann restliches Wasser und restliches Mehl mit Backmalz und Hefe zugeben und den Teig so lange kneten, bis er elastisch ist und nicht mehr klebt. In einer Küchenmaschine auf niedriger Stufe dauert das sieben Minuten – der Teig muss sich vom Schüsselboden lösen. Erst ganz zum Ende des Knetens Salz und Butter hinzufügen.

Den Teig in neun Portionen teilen und rundwirken, das heißt, mit Druck und kreisenden Bewegungen Teigkugeln formen und auf einer nur leicht bemehlten Fläche etwa 30 Minuten ruhen oder rasten lassen, wie man in Österreich sagt. Das Teigvolumen sollte sich dabei verdoppeln. Jetzt bekommen die Semmeln ihre charakteristische Form. Dazu gibt es verschiedene Techniken, der Klassiker ist es jedoch, die Semmeln zu schlagen. Roggenmehl und Kartoffelstärke mischen, die Teigkugel leicht darin wälzen und flach drücken. Den Daumen der linken Hand etwa bis zur Mitte legen und die Teighälfte darüberschlagen. Jetzt dem Teig neben dem Daumen einen Karateschlag verpassen und das freie Teigstück nach unten falten. Diesen Schritt noch dreimal wiederholen, sodass eine runde Semmel entsteht. Am Schluss den Daumen herausziehen, das Faltenstück in diese Lücke stecken und unten zusammenzwicken. Auf die gleiche Weise die restlichen Teigkugeln verarbeiten.

Teiglinge mit der geformten Seite nach unten bei Raumtemperatur auf einem bemehlten Küchentuch 50 Minuten ruhen lassen. Den Backofen auf 230 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen und eine Auflaufform hineinstellen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen und die Semmeln mit der geformten Seite nach oben daraufsetzen. Kräftig mit Wasser besprühen und in den vorgeheizten Ofen schieben. Dann einen Schuss Wasser in die heiße Auflaufform geben und den Semmeln ordentlich Dampf machen – so gehen sie schön auf. 15 bis 20 Minuten backen, dabei nach vier Minuten die Temperatur auf 180 Grad senken und nach zehn Minuten die Ofentür einmal öffnen und kräftig lüften. Aus dem Ofen nehmen und erneut kräftig mit Wasser absprühen. Die Semmeln auf einem Küchengitter auskühlen lassen.

Rezept 2 – Dänisches Rugbrød

Dieses Rezept stammt von der Politikerin Margrethe Vestager, die als Wettbewerbskommissarin der EU Milliardenstrafen gegen amerikanische Digitalriesen wie Google oder Apple verhängt hat. Georg Matthes hat das Rezept fortgeschrieben und vier verschiedene Varianten entwickelt.

Dänisches Roggenbrot

Dänisches Roggenbrot

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Das wird gebraucht: Für den Vorteig: 60 g Roggensauerteig, 690 ml handwarmes Wasser, 16g Steinsalz, 30 g Zuckerrübensirup, 375 g Roggenvollkornmehl (Type 1150), 375 g feines Roggenbackschrot (Type 1800). Für den Hauptteig: 150 ml helles oder dunkles Bier, 150 g Weizenmehl (Type 1050), Butter zum Einfetten, Haferflocken zum Ausstreuen und Dekorieren.

So geht’s: Für den Vorteig alle Zutaten in einer Schüssel gründlich vermischen und abgedeckt über Nacht zehn bis zwölf Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen. Für den Hauptteig Bier und Weizenmehl zum Vorteig geben und alles gründlich mischen. Die Kastenform ordentlich mit Butter einfetten und leicht mit Haferflocken ausstreuen. Den Teig hineingeben und mit einem in Wasser getauchten Gummischaber glatt streichen. Zwei Zentimeter Platz sollte der Teig nach oben haben, um in der Form aufzugehen. Mit einer Gabel mehrfach einstechen, nach Belieben mit Haferflocken dekorieren. Abdecken und warten, bis der Teig bis zum Rand gestiegen ist. Das dauert bei Raumtemperatur (22 Grad) rund 90 Minuten.

Inzwischen den Backofen auf 230 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen und eine Auflaufform hineinstellen. Die Kastenform in den vorgeheizten Ofen setzen und etwas Wasser in die Auflaufform gießen, um Dampf zu erzeugen. 80 Minuten backen, dabei nach zehn Minuten die Temperatur auf 190 Grad reduzieren und die Ofentür einmal öffnen, um den Dampf abzulassen. Zehn Minuten vor Backzeitende das Brot aus der Form nehmen, auf das Backofengitter setzen und zu Ende backen. Herausnehmen und das Rugbrød auf einem Küchengitter mindestens einen Tag auskühlen lassen.

Rezept 3 – Italienische Focaccia

Wer einmal in Italien Auto gefahren ist, weiß, was Georg Matthes meint. Im Straßenverkehr scheint es für die Italiener keine Regeln zu geben – und genauso ist es mit dem Belag einer Focaccia. Regierungen haben in Italien übrigens ebenso wie das italienische Fladenbrot keine besonders lange Haltbarkeit: Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es dort 66 verschiedene.

Italienische Focaccia

Italienische Focaccia

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Das wird gebraucht: Für den Teig: 300 ml handwarmes Wasser, 4 g frische Hefe, 400 g Weizenmehl (Type 00), 10 g Steinsalz, 3 EL Olivenöl plus Öl zum Einfetten und zum Beträufeln. Für den Belag: 2 Zweige Rosmarin, 20–25 Cocktailtomaten.

So geht’s: Für den Teig das Wasser in eine Schüssel geben und die Hefe darin auflösen. Weizenmehl und Salz hinzugeben und alles von Hand mit einem Kochlöffel oder Spatel zu einem glatten Teig kneten. Eine verschließbare Schüssel mit etwas Olivenöl auspinseln, den Teig hineingeben, verschließen und vier Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen. Einmal pro Stunde (insgesamt dreimal) den Teig jeweils mit einem Esslöffel Öl beträufeln und von allen Seiten wie ein Handtuch falten.

Für den Belag den Rosmarin waschen, trocken schütteln und die Blätter abzupfen. Die Cocktailtomaten waschen und halbieren. Ein Backblech mit Backpapier auslegen, den Teig daraufstürzen und behutsam mit den Fingerspitzen ausbreiten. Mit Rosmarin bestreuen, die Tomatenhälften mit den Schnittflächen nach oben darauf verteilen und fest in den Teig drücken. Zum Schluss ein wenig Öl auf die Focaccia träufeln. Mit einem Küchentuch abdecken und 20 Minuten bei Raumtemperatur ruhen lassen. Inzwischen den Backofen auf 240 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Den Teigling abdecken, das Backblech in den vorgeheizten Ofen schieben und etwa 20 Minuten goldgelb backen. Focaccia aus dem Ofen nehmen, etwas abkühlen lassen und servieren.

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