Klimaschädlicher Energieträger

Hat die Braunkohle noch eine Zukunft?

Braunkohleabbau in Jänschwalde

Im Tagebau Jänschwalde fördern Schaufelradbagger Braunkohle.

Das Dorf Lützerath muss weichen – und alles nur für schwarzbraunes Gestein: Braunkohle. Mit sechs Schaufelradbaggern fördert es der Energiekonzern RWE zurzeit im Tagebau Garzweiler. Die rund 35 Quadratkilometer große Betriebsfläche soll nun vergrößert werden und Lützerath somit von der Landkarte verschwinden.

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Seit dem 17. und 18. Jahrhundert wird in Deutschland Braunkohle abgebaut. Es ist ein Gestein mit Tradition. Doch wofür wird es heute eigentlich verwendet? Was sind die Vorteile der Braunkohle? Und wie schädlich ist sie fürs Klima? Ein Überblick.

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Was ist Braunkohle?

Braunkohle ist ein fossiler Rohstoff. Er entsteht aus abgestorbener Biomasse wie Pflanzenresten unter Einwirkung von Druck und Wärme darüberliegender Erdschichten. Dieser Prozess, Inkohlung genannt, erfordert viel Zeit. So entstanden die Bestände, die heute in Deutschland im Tagebau gefördert werden, überwiegend im Tertiär – also vor etwa 65 Millionen Jahren, als ein Meteorit auf der Erde einschlug, die Dinosaurier ausstarben und sich das Klima langfristig änderte. Braunkohle ist jedoch ein vergleichsweise junges Sedimentgestein, das eine lockere Beschaffenheit und einen Wassergehalt von etwa 50 Prozent hat.

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Braunkohle ist eigentlich nichts anderes als abgestorbene, fossile Pflanzenreste.

Braunkohle ist eigentlich nichts anderes als abgestorbene, fossile Pflanzenreste.

Wozu wird Braunkohle verwendet?

Dass Menschen begonnen haben, Braunkohle abzubauen, hat nur einen Grund: Sie haben festgestellt, dass sich aus dem Gestein Energie gewinnen lässt. In Kohlekraftwerken wird die abgebaute Braunkohle verbrannt, wobei heiße Rauchgase entstehen. Diese erhitzen wiederum Wasser, welches zu heißem Dampf wird, der dann eine Turbine antreibt und so elektrischen Strom erzeugt.

+++Verfolgen Sie alle Entwicklungen zu Lützerath hier im Liveblog+++

Nach wie vor macht Braunkohle einen Großteil des deutschen Strommixes aus: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE beziffert den Anteil des Energieträgers an der Stromerzeugung im Jahr 2021 mit 20,2 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von rund 20 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Der Vorteil bei Braunkohle ist: Sie ist der einzige fossile Energieträger in Deutschland, der nicht aus dem Ausland importiert werden muss, sondern in großen Mengen verfügbar ist – und aus dem sich günstig Strom produzieren lässt.

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Braunkohle kann aber auch in Form von Briketts zum Heizen genutzt werden. Und weil sie Kohlenstoff und Wasserstoff enthält, eignet sie sich ebenfalls zur stofflichen Nutzung. Das heißt, aus ihr lassen sich Ausgangsstoffe für die Produktion von Kunststoffen, Farben, Klebern oder Treibstoffen herstellen.

Was ist der Unterschied zwischen Braunkohle und Steinkohle?

Braunkohle und Steinkohle sind beides Produkte, die im Zuge der Inkohlung entstehen. Dieser Prozess gliedert sich in vier verschiedene Stadien: Zunächst wird aus den Pflanzenresten Torf, dann Braunkohle, dann Steinkohle und schließlich Anthrazit. Je weiter die Inkohlung voranschreitet, desto mehr steigt der Kohlenstoff- und Energiegehalt, während der Wassergehalt sinkt.

Steinkohle entsteht wie Braunkohle im Zuge der Inkohlung.

Steinkohle entsteht wie Braunkohle im Zuge der Inkohlung.

Steinkohle ist somit reicher an Kohlenstoff und ärmer an Feuchtigkeit als Braunkohle. Zudem hat sie einen höheren Brennwert, kann also mehr Energie bei der Verbrennung abgeben. Eine Herausforderung ist aber die Gewinnung von Steinkohle: Sie liegt grundsätzlich tiefer im Erdboden, sodass sie nicht im Tagebau, sondern unter Tage abgebaut werden muss.

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Wo wird in Deutschland Braunkohle abgebaut?

Es gibt in Deutschland insgesamt drei Braunkohlereviere. Da wäre zum einen das Rheinische Revier mit den Tagebauten Garzweiler, Inden und Hambach. Nach Angaben des Braunkohle-Bundesverbands DEBRIV ist es das größte Braunkohlerevier Europas und umfasst einen Kohlevorrat von schätzungsweise 55 Milliarden Tonnen. Mit dem Rückbau von Lützerath soll der Tagebau Garzweiler nun erweitert und so noch mehr Braunkohle in dem Revier abgebaut werden.

In Sachsen-Anhalt und Sachsen liegt das Mitteldeutsche Revier, bestehend aus den Tagebauten Amsdorf, Profen und Vereinigtes Schleenhain. Hier lagern geschätzte zehn Milliarden Tonnen Braunkohle. Zum anderen gibt es das Lausitzer Revier mit den Tagebauten Welzow-Süd, Jänschwalde, Nochten und Reichwalde. Es ist das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands mit einem geschätzten Vorrat von circa elf Milliarden Tonnen.

Schadet Braunkohle dem Klima?

Braunkohle ist in mehrfacher Hinsicht schlecht fürs Klima. Für den Tagebau braucht es eine enorme Fläche, wofür Waldstücke gerodet, Agrarflächen zerstört und Orte umgesiedelt werden müssen. Das passiert gerade in Lützerath; doch auch schon andere Dörfer mussten den Schaufelradbaggern weichen. Dabei geht nicht nur menschlicher Lebensraum verloren. Auch Tiere bekommen die Auswirkungen des Braunkohleabbaus zu spüren, schließlich gehen ganze Ökosysteme dadurch verloren. Ökosysteme, die gleichermaßen Einfluss auf das Klima nehmen.

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Das andere Problem sind die Braunkohlekraftwerke. Bei der Stromproduktion emittieren sie das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO₂), genauso wie Stickstoffoxide, Schwefeloxide und Quecksilber, die die Umwelt schädigen. Allein im Jahr 2018 wurden durch Verbrennungsprozesse auf Basis von Braunkohle knapp 159 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen, wie das Umweltbundesamt zuletzt in einem Bericht festgehalten hatte. Fast 96 Prozent der Emissionen entstanden bei der Stromerzeugung, also in Kraftwerken. Die Menge an Stickstoffoxid belief sich auf 111 Kilotonnen, bei den Schwefeloxiden waren es 90 Kilotonnen und bei Quecksilber 4085 Kilogramm.

Allerdings zeichnet sich bei den CO₂-Emissionen ein Abwärtstrend ab: So waren es im Jahr 2020 nur noch rund 96 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid, die die Kraftwerke freigesetzt hatten. Das ergab eine vorläufige Auswertung des Umweltbundesamts, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

Steinkohle statt Braunkohle zu verwenden ist keine wirkliche Alternative. Denn auch bei der Verbrennung von Steinkohle werden klimaschädliche Schadstoffe wie CO₂ freigesetzt – wenngleich in geringeren Mengen. 83,7 Millionen Tonnen des Treibhausgases entstanden 2018 durch Verbrennungsprozesse zur Strom- und Wärmeerzeugung, schreibt das Umweltbundesamt. Das habe 10,4 Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes in diesem Jahr entsprochen. Im Jahr 2020 waren es etwa 36 Millionen Tonnen.

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Hat die Kohle in Deutschland noch eine Zukunft?

Nein, die Bundesregierung hat beschlossen, bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung auszusteigen – wegen der hohen Treibhausgasemissionen. Sowohl Braunkohle- als auch Steinkohlekraftwerke sollen bis dahin Schritt für Schritt vom Netz gehen. Für die Energiewirtschaft bedeutet das einen großen Umbruch: Der Strommix muss sich vorrangig aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarenergie zusammensetzen, während gleichzeitig Arbeitsplätze in der Braunkohle- und Steinkohleindustrie verloren gehen.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG: Bis 2038 will Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG: Bis 2038 will Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen.

„Das, was wir gemacht haben, war, eine Entwicklung so zu strukturieren, dass sie für alle Beteiligten vorhersehbar, rechtlich planbar und wirtschaftlich und technisch gestaltbar ist“, hatte der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, 2020 bei der Vorstellung der Ausstiegspläne gesagt. „Denn wir wollen auch in Zukunft ein wettbewerbsfähiges Industrieland bleiben. Dabei werden wir alle unsere klimapolitischen Ziele erreichen.“

Eine Ausnahme stellt das Rheinische Revier dar: Dort soll schon 2030 Schluss mit der Braunkohleverstromung sein. Der beschleunigte Ausstieg bedeutet, dass sich die Laufzeit der Kohlekraftwerke halbiert. Zudem könnten die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath, inklusive der drei bewohnten Holzweiler Höfe Eggeratherhof, Roitzerhof, Weyerhof erhalten bleiben, argumentiert der Energiekonzern RWE. In Anbetracht der Energiekrise sollen nun im Gegenzug jedoch größere Mengen Braunkohle gefördert werden. Das bedeutet, der Ort Lützerath muss abgebaggert werden. Denn die Braunkohle unter der Siedlung werde gebraucht, „um die Braunkohlenflotte in der Energiekrise mit hoher Auslastung zu betreiben und so Gas bei der Stromerzeugung in Deutschland einzusparen“, so RWE.

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Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten sind anderer Meinung: Sie verweisen auf Studien, die nahelegen, dass der Kohleabbau in Lützerath für die Energiesicherheit nicht nötig und mit den deutschen Klimazielen nicht vereinbar sei. „Der Abbau der Braunkohle unter Lützerath ist für die technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht zwingend notwendig und in keinem Gutachten begründet, sondern marktwirtschaftlich getrieben und damit letztlich eine politische Entscheidung“, sagte auch Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher Fenes an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. „Die internationale Wirkung der Bilder einer Räumung Lützeraths im Bezug auf die Klimaziele der Bundesrepublik samt Energiewende sind meines Erachtens nicht zu unterschätzen.“

Und weltweit?

Braun- und Steinkohle sind weltweit noch immer gefragte Rohstoffe. Die weltweite Kohleförderung ist nach Angaben der französischen Energieberatungsfirma Enerdata um knapp 6 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Besonders asiatische Länder, die fast 70 Prozent der globalen Kohleförderung ausmachen, hätten ihre Produktion erweitert. Der hohe Bedarf an Braun- und Steinkohle spiegelt sich in den CO₂-Emissionen wieder: Waren sie vor der Corona-Pandemie noch rückläufig gewesen, stiegen sie 2021 um 5,1 Prozent an, wie Ende vergangenen Jahres eine Analyse des Global Carbon Projects ergab. Allein China, der größte Kohleproduzent, war für etwa ein Drittel der weltweiten fossilen CO₂-Emissionen verantwortlich.

China plant zwar, bis 2060 CO₂-neutral zu werden, setzt aber dennoch weiter auf Kohlekraft. Etwa 114 neue Kohlekraftwerke hat das Land angekündigt zu bauen, wie Daten des Global Coal Plant Trackers von Juli vergangenen Jahres verdeutlichen. Mehr als 3000 waren bis dahin schon in Betrieb. Auch in den USA spielt die Stromerzeugung durch Kohle noch eine Rolle. Etwa eine Milliarde Tonnen CO₂-Emissionen sind dabei 2021 entstanden, wie die Onlineplattform Our World in Data festgehalten hat. Zum Vergleich: In China waren es knapp acht Milliarden Tonnen. Lediglich ein neues Kohlekraftwerk wollen die USA bauen. Landesweit wird bereits in 458 Werken Strom produziert.

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In Europa gewinnt neben Deutschland auch Polen vermehrt Strom aus der Kohleproduktion. Bis 2049 will das Land den Kohleausstieg schaffen. Zumindest bei der Braunkohle könnte schon eher ein Ausstieg möglich sein, ist Ottmar Edenhofer überzeugt: Die EU habe sich im vergangenen Dezember dazu durchgerungen, die Ziele im europäischen Emissionshandel zu verschärfen, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Potsdam.

Das werde dazu führen, dass die CO₂-Preise auf den Märkten stark steigen und dass Braunkohlekraftwerke unrentabel würden. „Ich bin der Überzeugung, dass wir einen substanziellen Ausstieg schon vor 2030 haben werden“, meinte Edenhofer. Der Kohleausstieg sei auch der erste Schritt, um das Energiesystem CO₂-frei zu gestalten. Wer in der EU klimaschädliches CO₂ ausstößt, muss künftig häufiger und mehr dafür bezahlen. Unterhändlerinnen und Unterhändler des EU-Parlaments und der Staaten hatten sich im Dezember auf eine Reform des EU-Emissionshandels geeinigt.

RND mit Material der dpa

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