Von „Flattypussen“ und „Platyswürsten“

Bizarr und primitiv? Warum das Schnabeltier so oft missverstanden wird – und welche Folgen das hat

Das australische Schnabeltier ist seit seiner Entdeckung durch britische Forschende im späten 18. Jahrhundert eines der am meisten missverstandenen Tiere des fünften Kontinents.

Das australische Schnabeltier ist seit seiner Entdeckung durch britische Forschende im späten 18. Jahrhundert eines der am meisten missverstandenen Tiere des fünften Kontinents.

Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Großbritannien Ende des 18. Jahrhunderts zum ersten Mal ein Schnabeltier zu Gesicht bekamen, hielten es einige von ihnen für einen Schwindel. Das Exemplar, das aus seiner Heimat Australien zurück ins Königreich geschickt worden war, wirkte eher wie „eine trügerische Präparation durch künstliche Mittel“, wie der britische Zoologe George Shaw einst 1799 schrieb.

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Doch die scheinbar so aberwitzige Kreatur mit dem Schnabel einer Ente und dem Körper eines Otters erwies sich als reales Lebewesen. Niemand anderes als die Natur hatte sich einen „Scherz“ mit Shaw und seinen Kolleginnen und Kollegen erlaubt.

Dabei ist das Schnabeltier eines der faszinierendsten Lebewesen des fünften Kontinents. Gemeinsam mit den vier Echidna-Arten – auf Deutsch auch als Ameisenigel bekannt – ist es eines von nur fünf eierlegenden Säugetieren der Welt. Außerdem verfügt es über ein im Säugetierreich einmaliges Gefahren­potenzial: Die Hinterfüße des Männchens haben einen hohlen Sporn, der in eine Giftdrüse mündet. Damit gehört das Schnabeltier zum exklusiven Club der wenigen giftigen Säugetiere der Welt.

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Erstaunlich, aber missverstanden

Und noch etwas hat das ungewöhnliche Tier mit dem Echidna gemeinsam: Beide sind von der Taxidermie, also der Tierpräparation, regelmäßig falsch dargestellt worden. Wurden die Tiere in der Vergangenheit für Museen oder die Wissenschaft präpariert, so endeten sie häufig als „Plattfüße“ oder „Platyswürste“, wie der britische Forscher Jack Ashby das spaßhaft nennt. Ashby, der auch der Autor von „Platypus Matters: The Extraordinary Story of Australian Mammals“ ist, hat sich auf die einzigartigen australischen Tiere spezialisiert.

Die Tiere würden zu den „erstaunlichsten Tieren“ gehören, die sich jemals entwickelt hätten, sagte Ashby dem australischen Sender ABC. Deswegen seien sie auch in Museen „sehr beliebt“. Ashby, der als stellvertretender Direktor des Museum of Zoology an der Cambridge University tätig ist, ist im Laufe seiner Karriere zahlreichen „zwielichtigen“ Museumsversionen der Tiere begegnet, wie er berichtete. Die meisten von ihnen hätten dabei die falsche Form. „Oft finden wir Schnabeltiere, die platt wie ein Pfannkuchen sind“, sagte er.

Manche seien aber auch zu üppig ausgestopft und andere wiederum sähen wie eine lange dünne Wurst aus. Aber das Schicksal trifft nicht nur die Schnabeltiere: Nochmals mehr Mängel weisen präparierte Echidnas auf, die oftmals aufgeblasen wie ein Ballon wirken. „Australische Säugetiere werden in Museen weniger genau dargestellt als jede andere Tiergruppe, die mir begegnet ist“, meinte Ashby.

Evolutionäre Kuriositäten

Was sich im ersten Moment amüsant liest, macht dem Forscher jedoch Sorgen. Viele der Tiere, die in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt oder zumindest aufbewahrt werden, stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sie wurden aus Australien gen Europa geschickt und von Menschen präpariert, die nie zuvor in ihrem Leben eines der Tiere in der Natur gesehen hatten. „Der Präparator musste sich vorstellen, wie das Tier aussah“, sagte Ashby. Das habe zu vielen Fehlern geführt.

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Viele europäische Forschende hätten die Tiere in der damaligen Zeit als „seltsam, bizarr oder sogar primitiv“ beschrieben, obwohl sie dies keinesfalls sind. Letzteres habe aber womöglich den Eindruck erweckt, dass diese „seltsamen evolutionären Kuriositäten“ – als welche man sie damals fälschlicherweise darstellte – nicht unbedingt lebens- und damit schützenswert seien. Dieser Eindruck habe laut Ashby viel Schaden angerichtet.

HANDOUT - 25.01.2023, Peru, ---: Auf diesem von der peruanischen Verwaltung der Naturschutzgebiete (Sernanp) zur Verfügung gestellten Bild wird ein toter Seelöwe am Strand untersucht. (zu dpa «Behörde: Fast 600 Seelöwen in Peru an Vogelgrippe gestorben») Foto: ---/Sernanp/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

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Politische Darstellung führt zu Ausrottung

Ein Beispiel dafür ist der Beutelwolf: In seinem Fall sei die Darstellung sogar „politisch“ gewesen, erklärte Ashby. Da der Raubbeutler im 19. und frühen 20. Jahrhundert bei Schafzüchtern aus Tasmanien verhasst war, da er angeblich Schafe riss, wurden die Tiere bis zur Ausrottung gejagt. Präparierte Beutelwölfe würden in dieses Bild passen, das die Farmer von den Tieren kreiert hätten. Sie seien häufig „mit gefletschten Zähnen und einem unwahrscheinlich grausamen, knurrenden Ausdruck“ dargestellt worden, erklärte der Forscher.

„In diesem Fall suggeriert es dem Betrachter, dass das Tier ein zügelloser Schafkiller ist, der gekeult werden muss.“ Der letzte bekannte Beutelwolf oder Tasmanische Tiger starb in den 1930ern in einem Zoo in Hobart. Inzwischen gelten die Tiere als ausgestorben.

Trotz des Schadens, den die misslungenen Exemplare der Taxidermie wahrscheinlich angerichtet haben, plädiert Ashby trotzdem nicht dafür, sie zu entsorgen. Schließlich hätten sie historischen und kulturellen Wert, meinte er. Wichtig ist seiner Meinung nach jedoch, dass Betrachter auf die Fehler aufmerksam gemacht werden und die Darstellung eingeordnet wird.

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