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Aktivistin Franka Frei: „Feminismus geht uns alle etwas an“

Aktivistin Franka Frei hat ihren ersten Roman veröffentlicht. Das Buch heißt „Krötensex“.

Aktivistin Franka Frei hat ihren ersten Roman veröffentlicht. Das Buch heißt „Krötensex“.

Das Datum haben Franka Frei und ihr Verlag klug gewählt: Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, erscheint „Krötensex“. Es ist der Debütroman der 25-Jährigen. Darin erzählt sie die Geschichte von Frieda. Die Anfang 20-Jährige strauchelt durchs Leben und landet schließlich für ein Semester in der ostdeutschen Provinz. Hier hat sie zwischen Studi-Klub und Hörsaal genügend Zeit, ihre feministischen Ideale zu entwickeln – aber auch immer wieder zu verwerfen.

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„Krötensex“ ist ein klassischer Roman des Genres Coming of Age. Nebenbei lernen Leserinnen und Leser etwas über Feminismus. Denn Franka Frei ist bisher vor allem als feministische Aktivistin bekannt, die sich gegen Tabus rund um die Periode einsetzt. Auch ein Sachbuch hat sie im vergangenen Jahr zu diesem Thema veröffentlicht: „Periode ist politisch“.

Franka Frei, Sie haben einen Roman mit dem Titel „Krötensex“ geschrieben. Um die Amphibien geht es aber nur am Rande. Warum der Titel?

Der Titel ist in Anlehnung an eine Geschichte aus meiner Kindheit entstanden. In der Nachbarschaft gab es einen Pool, wo jedes Jahr im Frühjahr Dutzende Kröten auf der Suche nach einem Laichgewässer reingesprungen und nicht mehr rausgekommen waren. Die sehr viel kleineren Männchen waren meistens schon tot, während die großen, aufgedunsenen Weibchen noch lebten.

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Damals erzählte man mir, dass die Männchen beim Fortpflanzungsakt gestorben waren – weil die Weibchen sie erdrückt hatten. Dieses absurde Bild hat sich eingebrannt. „Krötensex“ beschreibt den unangenehmen Verdacht, als Frau zu groß, zu grob und in jeder Hinsicht zu viel zu sein, um in den metaphorischen Cinderellaschuh zu passen.

Auch Frieda, die Protagonistin des Romans, hadert diesbezüglich mit sich. Denken Sie, es geht vielen jungen Frauen so?

Ich glaube schon, ja. Frieda hat das Gefühl, nicht in eine Norm zu passen. Denn sie ist nicht wie die schlanken Frauen aus der Werbung, die nach dem Aufwachen sofort superschön aussehen und gut gelaunt sind. Auch mit ihrer Persönlichkeit struggelt sie. Frieda findet sich zu laut und denkt, sie überfordert andere, vor allem Männer. Eigentlich will sie es am liebsten allen recht machen.

Sich als zu laut wahrnehmen und es allen recht machen wollen – solche Unsicherheiten sind stereotyp weiblich.

Ja, klar. Auch, wenn wir als Gesellschaft schon viel erreicht haben, bestimmte Geschlechterrollen gibt es noch immer. Stereotype Anforderungen wie, dass Frauen schön sein und die Hausarbeit machen sollen, sind nicht mehr so stark verbreitet, aber noch da. Frauen übernehmen immer noch einen Großteil der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit und verbringen Unmengen von Zeit und Geld mit Körperarbeit, um einer sehr eng gesteckten Norm nachzuhetzen.

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Zusätzlich sollen sogenannte moderne Frauen selbstverständlich auch klug, unabhängig und selbstbewusst sein und bloß keinem Mann hinterherlaufen. Die alten Ideale und die neuen existieren gleichzeitig. Das führt zu Zerrissenheit bei und Druck auf Frauen und queere Menschen.

Könnte man nicht auch sagen, den heutigen Generationen steht alles offen?

Es stimmt, meine Generation ist die der tausend Möglichkeiten. Aber genau dabei kann schon mal das Gefühl entstehen, im Durchzug zu stehen. Auf der Suche nach der immer besten Entscheidung und der Angst, die falsche zu treffen, wollen wir uns stets alles gleichzeitig offenhalten und machen dabei einen Spagat, der uns zu zerreißen droht.

Außerdem sind Menschen heutzutage ständig online. Erzeugen die dort präsentierten Bilder zusätzlichen Druck, in bestimmte Rollen passen zu müssen?

Beim Thema, was als idealtypisch weiblich gilt, interveniert Social Media einerseits. Instagram oder Tiktok zeigen mehr Diversität und verschiedenste Körperformen. Auf der anderen Seite belegen Studien: Nutzer und Nutzerinnen tendieren dazu, diejenigen zu bevorzugen, die den Beautystandardmodellen und -mustern am nächsten kommen. Das führt zu einem Verstärken eines bestimmten Idealtypus von Schönheit.

Außerdem wird vermeintliche Diversität auch kommerzialisiert. Unternehmen bedienen das, was gerade viel Aufmerksamkeit bekommt, um ihre Produkte zu verkaufen. Nach wie vor gibt es zudem eine ganze Industrie, die davon lebt, dass wir uns in unseren Körpern nicht so richtig wohlfühlen. Und dass wir schöner, schlanker, belesener und weltgewandter werden wollen.

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Sie selbst nutzen Instagram, um über Tabus rund um die Periode zu informieren. Als Menstruationsaktivistin kriegen Sie bestimmt nicht nur nettes Feedback. Warum machen Sie dennoch weiter?

Es gibt viele Menschen, die genau diese Inhalte rund um die Periode sehen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Arbeit zu etwas führt. Verschiedene feministische Bewegungen haben so viel erreicht. Es ist doch gesamtgesellschaftlich unsere Aufgabe, diese Welt fairer zu gestalten, Chancen gerechter zu verteilen und Diskriminierung zu eliminieren.

Ihr Sachbuch „Periode ist politisch“ erschien im Jahr 2020. Wie war es, nun einen Roman zu schreiben?

Mit dem Sachbuch stütze ich mich auf eine ganze feministische Bewegung, den Menstruationsaktivismus. Es teilen ganz viele Menschen mein Ziel, Tabus rund um die Periode abzubauen. Ich argumentiere in „Periode ist politisch“ mit Studien und Fakten. Der Roman dagegen kommt nur aus meinem Kopf. Er macht meine Gedankenwelt für andere sichtbar. Das ist etwas ganz anderes.

Der Roman „Krötensex“ erscheint am 8. März 2021 im Heyne-Verlag. Das Buch hat 448 Seiten und kostet 12,99 Euro.

Der Roman „Krötensex“ erscheint am 8. März 2021 im Heyne-Verlag. Das Buch hat 448 Seiten und kostet 12,99 Euro.

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Fühlt sich das Veröffentlichen des Romans intimer an?

Ja, man macht sich damit etwas nackt. Mein Gefühl ist ambivalent. Auf jeden Fall freue ich mich, diesen Schritt gemacht zu haben. Ich hoffe, dass der Roman unterhält und einigen Menschen vielleicht sogar Identifikationspotenzial bietet. Sich in einem Buch wiederzufinden und zu merken, man ist mit den eigenen Struggles nicht alleine – das ist total viel wert.

Würden Sie Ihren Roman trotzdem als politisch bezeichnen?

„Krötensex“ hat nicht den Anspruch, politisch aufzuklären. Aber ich glaube, dass sich feministische Ideen wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Am Ende geht es allerdings um viel mehr als nur um Feminismus. Für Frieda spielt Feminismus in allen Bereichen eine Rolle, weil sie eine junge Frau ist.

Sollte Feminismus für alle jungen Frauen eine Rolle spielen?

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Ich glaube, Feminismus geht uns alle etwas an – auch die Menschen, die sich nicht als Frau sehen. Feminismus ist eine von vielen Bewegungen, die für soziale Gerechtigkeit einstehen. Der Begriff an sich ist kulturell aufgeladen und hat viel Ablehnung erfahren. Aber er meint eigentlich ein solidarisches Einsetzen gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der sozialen Herkunft, des Körpers und der Identität.

Ihre Hauptfigur Frieda findet, sie habe zu wenig feministische Werke gelesen. Ist das überhaupt wichtig? Was braucht es, um eine gute Feministin zu sein?

Ich bin da voll bei der Autorin Roxane Gay. Sie sagt: „I’d rather be a bad feminist than no feminist at all.“ Das Streben nach einer vermeintlichen Perfektion im Feminismus bringt uns nicht so richtig weiter. Es ist wichtig, erst einmal anzufangen.

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