2022 ist ein Wespenjahr – aber sind die Tiere auch aggressiver?
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Sind die Wespen in diesem Jahr besonders aggressiv?
© Quelle: Peter Zschunke/dpa-Zentralbild/d
Sie tauchen derzeit überall auf: am Frühstückstisch, im Freibad, im Eiscafé. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass wir 2022 ein Wespenjahr haben“, bestätigt der Biologe Stephan Härtel, Wespenexperte vom Nabu Berlin. Zudem habe es beim Naturschutzbund bislang dreimal so viele Fälle von Beratungen zu Wespen gegeben wie im vergangenen Jahr. „Auch daraus lässt sich schließen, dass es aktuell besonders viele Nester und somit besonders viele Wespen sind.“
Dass es momentan viele Wespen gibt, sei aber nichts Besonderes, erklärt Härtel gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Das tritt regelmäßig auf und ist ein Resultat von günstigen Bedingungen im Vorjahr und im laufenden Jahr.“ Demnach seien im vergangenen Herbst sehr viele Königinnen produziert worden. Das milde Wetter im Frühjahr und die hohen aktuellen Temperaturen mit wenig Regen tun dann ihr Übriges.
„Es ist sicherlich so, dass das aktuelle Klima Wespen sehr begünstigt – die Wespen entwickeln sich schneller und sie werden größer“, sagt auch der Biologe und Autor Michael Ohl („Stachel und Staat“). So gibt es viele Wespen, die nun gleichzeitig auf der Suche nach Nahrung sind. Damit nehme die Wahrscheinlichkeit zu, mit Wespen in Kontakt zu treten oder gestochen zu werden.
Wespen sind nicht „aggressiv“
Doch oft ist derzeit auch zu lesen, Wespen seien in diesem Jahr aggressiver als sonst. Das kann der Biologe nicht nachvollziehen. „Bei Wespen von ‚Aggressionen‘ zu sprechen macht keinen Sinn“, sagt Ohl. Zwar ist es durchaus möglich, dass der Angriff einer einzelnen Wespe einen Angriff von mehreren Wespen des gleichen Staates auslöst – „dahinter stecken aber keine Emotionen, sondern die koordinierte Verteidigung des Staates“. Und auch die Suche nach Nahrung lasse bei den Tieren keine Aggressionen erkennen.
Das Verhalten der Tiere, die aktuell auch Interesse an menschlicher Nahrung zeigen, hänge mit der Jahreszeit zusammen, erklärt Härtel. Für Wespen sei gerade „der Höhepunkt der Entwicklung“. Derzeit müssten daher viele Nachkommen versorgt werden. Doch gleichzeitig gebe es immer weniger Insekten. Viele kleinere Insektenarten seien bei den hochsommerlichen Temperaturen im August kaum oder gar nicht mehr als Nahrung verfügbar. „Das führt bei den Wespen zu Stress, was der Grund dafür ist, dass die Tiere versuchen, auch menschliche Nahrungsquellen auszubeuten“, erklärt Härtel.
Diese Tipps helfen beim Vertreiben von Wespen
Wer ungebetene Gäste bei der Grillparty vermeiden will, der sollte vorsorgen und Wespen von vornherein fernhalten.
© Quelle: RND
Bloß nicht aufs Essen setzen lassen
„Wespen, die sich über Süßes hermachen, sammeln dieses für sich. Für die Larven brauchen Wespen Fleisch“, erklärt Ohl. Dazu zählen etwa Raupen, Fliegen und andere Insekten. Wenn die Wespen beim Grillen also ständig versuchen, sich aufs Fleisch zu setzen, weiß man, dass die Nahrung für die Larven gedacht ist. Sobald es keine Larven mehr gibt, verlieren die Arbeiterinnen Ohl zufolge ihre Hauptaufgabe im Nest. „Dann sind sie nur noch auf der Suche nach Süßem für sich selbst.“
Sei es auch nur für Beobachtungszwecke: Unbedingt vermeiden sollte man, dass sich die Tiere aufs Essen setzen, sagt Härtel. „Wenn eine Wespe einmal Nahrung gefunden hat, fliegt sie nämlich zum Nest zurück und sagt ihren Schwestern Bescheid.“ Die kommen dann mit Verstärkung wieder – das könnten dann schon mal 15 Wespen sein. „Dann kann man das Picknick oder den Grillabend eigentlich vergessen“, sagt Härtel.
Wespen fressen sogar Tigermücken
Die Wespe steht oft im Verdacht, die unnütze Stiefschwester der Biene zu sein. Mit diesen Vorurteilen wollen die beiden Biologen aufräumen. „Natürlich haben Wespen eine Funktion, sonst gäbe es sie ja gar nicht“, ist sich Ohl sicher. Wespen fungieren ihm zufolge zu einem nicht unerheblichen Teil als Blütenbestäuber.
Und auch Härtel unterstreicht den Nutzen der Tiere: Demnach fangen Wespen „Unmengen an Insekten“. Das sei gerade im Hinblick auf Krankheiten, die durch Insekten übertragen werden können, von großem Vorteil. Wespen fressen Härtel zufolge sogar Tigermücken, die für den Menschen gefährliche Viruserkrankungen übertragen können.
Ruhig bleiben – aber auch nicht zu ruhig
Lange dauert die Wespeninvasion auf Grillgut, Kuchenstück und Eistee aber sowieso nicht mehr. Die Wespenköniginnen sterben Ende August bis Anfang September und legen dann auch keine Eier mehr. Weil die Arbeiterinnen nur eine Lebenserwartung von einigen wenigen Wochen haben, sterbe das Volk dann im Herbst ab, so Härtel.
Bis dahin gilt: Ruhig bleiben – aber auch nicht zu ruhig. Denn: „Im Umgang mit Wespen ist es zwar wichtig, ruhig zu bleiben, man sollte aber vermeiden, dass die Tiere sich auf den Körper setzen“, sagt Härtel. Dann könne es nämlich sein, dass die Tiere zustechen. Besser sei es, bestimmt aufzutreten und mal vorsichtig mit einer Zeitung zu wedeln, wenn die Tiere zu nahe kommen, „dann kann das Zusammenleben mit Wespen funktionieren“.
Mit Material der dpa
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