„Zwischenlösung“ für Inflation: Chemiebeschäftigte bekommen Einmalzahlung
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Wegen der Inflation wollten die Chemiebeschäftigten mehr Geld.
© Quelle: Arne Dedert/dpa
Viel komplizierter hätte das Umfeld von Tarifverhandlungen nicht sein können: Wegen des Kriegs in der Ukraine bedrohen steigende Energiekosten und ein mögliches Energieembargo die chemisch-pharmazeutische Industrie - während die Beschäftigten unter der massiv steigenden Inflation ächzen. Am Dienstag haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf eine Zwischenlösung geeinigt: Lohnsteigerungen gibt es vorerst kaum, dafür aber eine üppige Einmalzahlung.
Wie der Arbeitgeberverband BAVC und die Gewerkschaft IGBCE bekanntgaben, sollen die rund 580.000 Beschäftigten bis spätestens Mai einmalig 1400 Euro bekommen, in notleidenden Betrieben 1000 Euro. Laut IGBCE entspricht das durchschnittlich 5,3 Prozent eines Jahresentgelts in der Branche. Vor allem aber ist es eine Brückenlösung, wie sowohl Gewerkschafter als auch Arbeitgebervertreter mehrfach betonten: Im Oktober werden die Verhandlungen fortgeführt. Dann soll es auch um tabellenwirksame Leistungen, also echte und dauerhafte Lohnsteigerungen gehen.
Keine Wunschvorstellung, aber eine Atempause
Alles andere als eine Wunschvorstellung sei die Zwischenlösung, betonte am Dienstag IGBCE-Verhandlungsführer Ralf Sikorski. „Aber sie gibt uns die nötige Atempause, um die geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der kommenden Monate abzuwarten“, so Sikorski weiter. BAVC-Verhandlungsführer Hans Oberschulte sprach von einem „sehr, sehr guten Kompromiss“. Dem BAVC sei sei es wichtig gewesen, dauerhafte Belastungen in einer „Zeit extremer Unsicherheit“ zu vermeiden.
Gänzlich neu ist es für die IGBCE indes nicht, in herausfordernden Zeiten Kompromisse einzugehen. Schon während der Finanzkrise habe man einen ähnlichen Weg mit einer Einmalzahlung eingeschlagen, betonte Sikorski. Nun ist außerdem eine leichte Erhöhung von Nachtschichtzulagen, ein Förderprogramm für Azubis sowie eine eine Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge vereinbart worden - wobei einige Details erst im Herbst geklärt werden.
Je nach Rechenweise gilt die chemische Industrie als wichtigste oder zweitwichtigste Branche der Republik, dementsprechend könnte die Einigung Signalwirkung entfalten. Zuletzt hatten Ökonomen mehrfach davor gewarnt, dass die hohe Inflation zu hohen Gewerkschaftsforderungen und damit zu einer Lohn-Preis-Spirale führen könnte. Nun habe man das vermieden, sagte Oberschulte.
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© Quelle: Reuters
Lohn-Preis-Spirale vermieden
Auch IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis gab sich staatsmännisch: Die Einigung zeige, dass die Tarifpartner in der Lage seien, auch in schwierigen Zeiten Lösungen zu finden. Zugleich sei aber klar, dass die Inflation die Beschäftigten belaste: „Höhere Spritpreise etwa treffen diejenigen hart, die jeden Tag zur Arbeit fahren“, bekräftigte der Gewerkschaftsvorsitzende.
Ähnlich klang auch BAVC-Präsident Kai Beckmann, der den Kompromiss als krisengerechte Lösung bezeichnete. „Auch gesamtwirtschaftlich setzen wir damit ein wichtiges Signal: Mit Augenmaß und guten Ideen können wir der drohenden Lohn-Preis-Spirale entgegen wirken“, sagte der Chef des Arbeitgeberverbands.
Hilfe für die Ukraine
Die jüngste Tarifrunde in der chemisch-pharmazeutischen Industrie verlief vergleichsweise entspannt. Zu Streiks kam es nicht, bei Protestaktionen hatte die IG BCE zuletzt ohnehin den Wunsch nach einer Brückenlösung betont. Die Gespräche hatten erst im März -und damit nach dem russischen Angriff auf die Ukraine- begonnen.
Der war bei der Vorstellung der Einigung mehrfach Thema: IG BCE und BAVC haben unter anderem angekündigt, die Hilfe für die Ukraine mit einer Million Euro zu unterstützen und sich um die Ausbildung von Flüchtlingen zu bemühen.