„Zusammenbruch der deutschen Windindustrie“: Enercon streicht 3000 Stellen
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Windkraftanlagen-Hersteller Enercon hat einen weitreichenden Stellenabbau angekündigt und die Energiepolitik der Bundesregierung scharf kritisiert.
© Quelle: Holger Hollemann/dpa
Der Windkraftriese Enercon geht in die Knie. Das Unternehmen will in Deutschland rund 3000 von insgesamt 10.000 Stellen streichen. Ursache ist ein massiver Auftragseinbruch. Fertigungsstätten in anderen Ländern sollen ausgebaut werden. Geplant ist, an den Standorten im ostfriesischen Aurich und in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) jeweils 1500 Stellen zu streichen. Die Beschäftigten wurden am Freitag in Betriebsversammlungen über die Lage informiert – ebenso wie die Landesregierungen von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Die Schwierigkeiten des Unternehmens hatten sich bereits in den vergangenen Monaten abgezeichnet. Enercon hat in diesem Jahr erst 65 Windkraftanlagen hierzulande ausgeliefert. In der Vergangenheit waren es jährlich bis zu 700 gewesen. Enercon ist in Deutschland der unangefochtene Marktführer bei modernen Windmühlen an Land. Rund 17.000 der 29.000 hierzulande installierten Windräder stammen von dem Auricher Unternehmen, das 1984 gegründet wurde. Die Anlagen gelten auch im internationalen Vergleich als technologisch führend.
Enercon geht nach Frankreich und Indien
Nach den Worten von Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig gefährdet „die aktuelle Energie- und Klimapolitik nicht nur über Jahre aufgebautes Know-how und Arbeitsplätze in unserer Branche, sondern auch den Klimaschutz und die Energiewende insgesamt“. Frankreich und Indien werden von der Geschäftsführung als potenzielle neue Märkte genannt.
Der Ausbau der Windenergie ist hierzulande fast zum Erliegen gekommen. Bis zum Oktober wurden Anlagen mit einer Gesamtleistung von nur 545 Megawatt in Betrieb genommen. Eigentlich hat die Bundesregierung 2800 Megawatt als Jahresziel definiert. Das erste Halbjahr war das schwächste seit Beginn des systematischen und staatlich geförderten Ausbaus der Windenergie. In der Branche sind in den vergangenen Jahren schon mehr als 25.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
Die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen nicht
Die politischen Rahmenbedingungen haben nach Einschätzung des Bundesverbandes Windenergie an der Misere einen großen Anteil. Der Ausbau stocke, weil einerseits in vielen Bundesländern versäumt wurde, ausreichend Standorte für die Windkraftanlagen zu reservieren. Zudem würden Projekte durch langwierige Genehmigungsverfahren und durch zahlreiche Klagen gegen bereits genehmigte Windräder gebremst. Die Misere wurde auch bei der jüngsten Ausschreibung für neue Anlagen deutlich. Eigentlich sollte der Bau von Mühlen mit einer Gesamtleistung von 675 Megawatt vergeben werden. Es gingen aber nur Gebote mit einem Volumen von 204 Megawatt ein.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte bei einem Spitzengespräch im September versprochen, die Hemmnisse bei den Genehmigungen anzugehen. Greifbare Ergebnisse gibt es bislang nicht.
Für Julia Verlinden, Energieexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat die schwarz-rote Bundesregierung „den Zusammenbruch der deutschen Windindustrie“ zu verantworten. Tausende Arbeitsplätze, die jetzt wegfallen sollen, gingen vor allem auf das Konto von Altmaier. Verlinden spricht von „Verhinderungsstrategien“. Zuletzt hat das Wirtschaftsministerium pauschale Abstände von Windrädern zu Wohnsiedlungen festgeschrieben. Nach Ansicht von Experten fällt so ein großer Teil von potenziellen Standorten weg. Der Unionsminister lege es auf „weitere Massenentlassungen in einer Zukunftsbranche“ an, so Verlinden.
IG Metall warnt vor katastrophalen Auswirkungen
„Es droht ein dramatischer Kahlschlag in der Windindustrie“, warnte auch der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken. „Für die Region Ostfriesland ist das eine katastrophale Meldung.“ Die Industriegewerkschaft mahnte, Enercon sei gerade in schwierigen Zeiten in der Verantwortung für seine Beschäftigten. „Gefordert sind kluge Konzepte, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und die Folgen für die Beschäftigten abzufedern“, sagte Geiken.
Hinweis: Der ursprüngliche Beitrag wurde um 18:40 Uhr durch eine Version unseres Korrespondenten ersetzt.