Ehemaliger Chef der amerikanischen Notenbank erhält Nobelpreis – aber bleibt umstritten
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Ben Bernanke, ehemaliger Vorsitzender der US-Notenbank.
© Quelle: Jacquelyn Martin/AP/dpa
Als 2008 die Investmentbank Lehman zusammengebrochen war, konnte Ben Bernanke die wahrscheinlichen Folgen bei sich selbst nachlesen: 25 Jahre zuvor hatte der Wirtschaftsprofessor an der Stanford University und später in Princeton die Rolle des Bankensystems in der Weltwirtschaftskrise 1929 analysiert. Nun, als Chef der US-Notenbank Federal Reserve, setzte Bernanke alle verfügbaren Instrumente ein und erprobte noch ein paar neue, um eine Wiederholung der Großen Depression zu verhindern.
Nicht die Arbeit als Notenbanker, sondern seine Analysen aus den Achtzigerjahren haben Bernanke nun den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften gebracht. Mit ihm wurden auch die amerikanischen Ökonomen Douglas Diamond von der University of Chicago und Philip Dybvig von der Washington University in St. Louis ausgezeichnet, die zur gleichen Zeit theoretische Grundlagen für die Bankenforschung gelegt hatten.
Traditionelles Bild der Banken
„Ihre Analysen sind von großer praktischer Bedeutung bei der Regulierung der Finanzmärkte und dem Umgang mit Finanzkrisen gewesen“, erklärte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm. Der mit umgerechnet 920.000 Euro dotierte Preis zählt nicht zu den klassischen Nobelpreisen, sondern wurde in den Sechzigerjahren von der schwedischen Reichsbank gestiftet.
Mit der Ehrung hebt das Preiskomitee die traditionelle Rolle der Banken als Vermittler zwischen Sparenden und Kreditnehmenden hervor. Die drei Forscher hätten gezeigt, „warum Banken gebraucht werden“, sagte der schwedische Ökonom John Hassler bei der Bekanntgabe.
Daran ändern nach Meinung des Preiskomitees auch neue Technologien wie die Blockchain nichts, die das Geldgeschäft gerade umkrempeln. Unter dem Stichwort Decentralized Finance (DeFi) entstehen gerade Strukturen, die Banken in ihrer Vermittlerrolle überflüssig machen könnten. Auch neue Mitspieler im Finanzmarkt hätten die gleiche Funktion wie traditionelle Banken und unterlägen den gleichen Risiken, schreibt das Komitee in seiner Begründung.
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Douglas W. Diamond von der University of Chicago.
© Quelle: Charles Rex Arbogast/AP/dpa
Diamond und Dybvig haben gezeigt, dass Banken ihre Rolle als Vermittler durch die sogenannte Fristentransformation effizient spielen: Sie sammeln kurzfristig angelegtes Spargeld ein und verleihen es langfristig. Die Forscher wiesen allerdings auf die Gefahr dabei hin: Wenn viele Anleger und Anlegerinnen gleichzeitig ihr Geld abheben, gerät das System ins Wanken – der gefürchtete Bank Run.
Lehren aus der Großen Depression
Bernanke zeigte, dass eben dieser Bank Run wesentlich dazu beigetragen hatte, aus dem Börsencrash 1929 die Große Depression werden zu lassen. Durch den Zusammenbruch der Banken hätten Kreditgeber für den Neustart gefehlt – zumal mit ihnen auch kreditrelevante Informationen über Schuldner verloren gegangen seien. So konnte der Bankensektor seine Rolle nach 1929 nicht erfüllen und die Wirtschaft rutschte immer tiefer ab.
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Philip Dybvig von der Washington University.
© Quelle: Washington University/dpa
Eine ähnliche Entwicklung drohte 2008. Als Lehman zusammenbrach, kam das Finanzsystem praktisch zum Stillstand, weil sich die Banken gegenseitig misstrauten: Niemand konnte mehr einschätzen, wie stabil der Geschäftspartner noch war. Bernanke, mittlerweile seit zwei Jahren an der Fed-Spitze, flutete das System mit Zentralbankgeld und organisierte die Bankenrettung, um einen Stillstand zu verhindern. Die „aggressiven Maßnahmen“ gegen eine Panik am Finanzmarkt hätten den Rest der Wirtschaft vor noch größerem Schaden bewahrt, sagte Bernanke später.
Kritik an „Helikopter-Ben“
Kritikern gilt Bernankes Politik allerdings auch als eine Quelle der heutigen Inflation. Seine These, dass notfalls sogenanntes Helikoptergeld – eine direkte Finanzspritze des Staates an sein Bürger – das beste Mittel gegen die damaligen Wirtschaftsprobleme sein könnte, brachte ihm den Spitznamen Helikopter-Ben ein. Erst sein Nachnachfolger Jerome Powell begann, die Geldpolitik zu straffen.
Aktuell seien Banken sehr viel besser auf Krisen vorbereitet als vor 2008, sagte Preisträger Douglas Diamond in einer telefonischen Pressekonferenz. Allerdings gebe es Finanzrisiken außerhalb des klassischen Banksektors. Gefahr drohe immer dann, wenn das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsektors verloren gehe.
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