Sorge um PCK-Raffinerie Schwedt

„Die Rohölversorgung Deutschlands ist gesichert“: Wirtschaft zuversichtlich trotz Ölembargo

Wolken ziehen über die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH. Ab Januar 2023 sollen die Öl-Lieferungen aus Russland durch die Pipeline „Freundschaft" ausgesetzt werden.

Wolken ziehen über die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH. Ab Januar 2023 sollen die Öl-Lieferungen aus Russland durch die Pipeline „Freundschaft" ausgesetzt werden.

Schwedt/Oder. Es war ein Jahr der Horrorszenarien, doch am Ende kam es nicht ganz so schlimm. An den Tankstellen wird wohl auch 2023 Sprit aus der Zapfpistole sprudeln, der befürchtete Preisanstieg auf bis zu drei Euro je Liter ist bisher ausgeblieben. Das Ölembargo gegen Russland sei gut bewältigt worden, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie. „Die Rohölversorgung Deutschlands ist auch im kommenden Jahr gesichert.“ Und selbst die PCK-Raffinerie Schwedt, das größte Sorgenkind der Embargopolitik, scheint erstmal aus dem Gröbsten raus.

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Seit dem 5. Dezember darf in die Europäische Union kein Tankeröl mehr aus Russland eingeführt werden - damit wollen die 27 Staaten dem Kreml Gelder für den Angriffskrieg gegen die Ukraine kappen. Ab 1. Januar nun greift die Entscheidung der Bundesregierung, auch kein russisches Öl mehr über die Pipeline „Druschba“ zu importieren. Für die ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt ist das ein historischer Schnitt, hingen doch jahrzehntelang Jobs und Wohlstand am „schwarzen Gold“ aus Sibirien. Für die Anlagen, die Ostdeutschland mit Sprit, Heizöl, Kerosin und Schmierstoffen versorgen, beginnt eine neue Zeitrechnung.

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Der Eigner der Mitteldeutschen Raffinerie in Leuna in Sachsen-Anhalt, der französische Konzern Total Energies, hatte schon im Frühjahr von sich aus den Verzicht auf russisches Öl erklärt und versorgt sich nun nach eigenen Angaben vor allem mit Tankeröl über den Hafen im polnischen Danzig. Ganz einfach ist das offenbar nicht. „Die aktuell vertraglich zugesicherten Mengen liegen unter der durchschnittlichen Auslastung der Raffinerie der letzten Jahre“, sagte eine Firmensprecherin der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag).

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Bundesregierung greift bei PCK Schwedt ein

Noch problematischer war die Lage jedoch für das PCK Schwedt. Denn dessen Mehrheitseigner – zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft – zeigten lange kein Interesse, russisches Öl zu ersetzen. Im September griff die Bundesregierung ein, um ihren Embargoplan umzusetzen: Sie stellte die beiden Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung und übernahm so faktisch die Kontrolle über das PCK. Zugleich gab der Bund eine Jobgarantie für alle 1200 Mitarbeiter der Raffinerie und verkündete milliardenschwere Investitionen.

Bisher verarbeitet das Werk nach eigenen Angaben jährlich zwölf Millionen Tonnen Rohöl - neun von zehn Autos in Berlin und Brandenburg laufen mit Treibstoffen aus Schwedt. Woher diese gewaltigen Mengen künftig kommen sollen, blieb lange offen. Erst kurz vor Weihnachten lieferte der zuständige Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) eine Antwort im Bundestag: Zusätzlich zu Lieferungen über den Hafen Rostock soll auch für Schwedt Rohöl über den Hafen Danzig herangeschafft werden. Zusammen soll das reichen, um die Kapazität des PCK zu 70 Prozent auszulasten. Hinzu kommen soll Rohöl aus Kasachstan - wann und wie viel, ist unklar. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es zuletzt nur, PCK habe ab Januar Kapazitäten für kasachisches Öl im Pipeline-System reserviert.

Da auch bisher nur 85 Prozent der Kapazität genutzt wurden, sei die Lücke für die Raffinierie überschaubar - so argumentiert der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Mit dem Gesamtpaket einschließlich Jobgarantie scheinen die Verantwortlichen vor Ort jedenfalls leben zu können, die zeitweise nicht nur um die Zukunft des PCK, sondern der ganzen Region bangten.

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„Es ist heute ein sehr hoffnungsvoller Tag für Schwedt“, sagte die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe, vor einigen Tagen nach Gesprächen mit Kellner. Und auch Rolf Erler von der Gewerkschaft IG BCE zeigt sich erleichtert. „Wir gehen erstmal zuversichtlich ins neue Jahr, dass Lösungen da sind, dass es in die richtige Richtung geht und dass getroffene Zusagen eingehalten werden“, sagt Erler.

Opposition: Schriftliche Zusagen fehlen

Die Opposition im Bund ist weit weniger zufrieden. Es gebe keine validen Verträge für die künftige Belieferung von Schwedt, moniert der Ostbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Sepp Müller: „Einerseits fehlen schriftliche Zusagen, andererseits bleibt das Ziel, PCK mit 100 Prozent mit Rohöl zu versorgen, weit entfernt.“

Ganz ähnlich Sören Pellmann, der Ostbeauftragte der Linksfraktion: „PCK Schwedt muss dauerhaft wieder zu 100 Prozent ausgelastet werden, die anvisierten 60 bis 70 Prozent sind zu wenig.“ Grundsätzlich findet der Leipziger Bundestagsabgeordnete: „Die Embargopolitik bleibt falsch, weil sie Russland nicht schadet, geschweige denn den Krieg beendet.“ Russland verkaufe sein Öl nun nach Indien, während in Schwedt abgedreht werde. „Das ist Irrsinn!“

Wie der CDU-Politiker Müller fordert auch der Linke Pellmann, den deutschen Importstopp für Pipeline-Öl noch kurzfristig abzuwenden. „Wir brauchen erst Lösungen, dann kann das Embargo kommen“, sagt Müller. Und Pellmann meint: „Deutschland sollte, wie andere EU-Staaten auch, weiterhin russisches Öl beziehen, kurzfristig braucht es für 2023 eine Ausnahme für Ostdeutschland.“

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Danach sieht es nicht aus. Von keinem Anteilseigner der beiden ostdeutschen Raffinerien werde ab 1. Januar mehr russisches Rohöl bestellt, sagte Staatssekretär Kellner vor einigen Tagen. Noch sind einige Fragen offen - nicht nur, ob es mit den kasachischen Öllieferungen klappt, sondern auch, wer künftig im PCK das Sagen hat. Nach Medienberichten will Polen für die Belieferung über Danzig eine Verstaatlichung oder den Einstieg des polnischen Konzerns Orlen. Trotzdem: Am Importstopp selbst wird wohl nicht mehr gerüttelt.

Man habe das EU-Embargo unterstützt und für den Einfuhrstopp für Pipeline-Öl Vorkehrungen getroffen, sagt auch Verbandsvertreter Küchen von Fuels und Energie. Beim PCK seien erste Rohöllieferungen über den Hafen Rostock eingetroffen und bereits verarbeitet. „Darüber hinaus richtet sich der Blick zunehmend auf die Bereitstellung klimaschonender Energieträger“, sagt Küchen und fordert mehr Rückendeckung der Politik für eine rasche Transformation. Das hat sich die Ampel-Koalition auf die Fahnen geschrieben: Langfristig soll das PCK Schwedt ein Vorzeigewerk für grünen Wasserstoff werden.

RND/dpa

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