Weltspartag: Warum das Sparbuch für den Vermögensaufbau von Kindern ausgedient hat
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Der Weltspartag hat Tradition bei den sparbuchverliebten Deutschen. Dieses Jahr findet er zum 96. Mal statt.
© Quelle: Unsplash/CLARK/obs
Stuttgart. Er hat eine lange Tradition in Deutschland: der Weltspartag. Dieses Jahr findet er zum 96. Mal statt. Entstanden ist er im Oktober 1924, als sich zahlreiche Sparkassen aus verschiedenen Ländern zum ersten Internationalen Sparkassenkongress in Mailand trafen und aufgrund der Erfahrungen der Hyperinflation zwischen den Jahren 1919 und 1923 den Menschen den Sinn des Sparens verdeutlichen wollten.
Die Deutschen sind Sparbuchliebhaber
Vor allem bei den Deutschen hat sich der Weltspartag in den darauffolgenden Jahrzehnten stark durchgesetzt. Deutschland ist quasi im europäischen Vergleich die Nation der Sparbuchliebhaber – und das bis heute. Die Bundesbürger legten in den vergangenen Jahren durchschnittlich 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens beiseite.
Aktuellen Bundesbank-Zahlen zufolge parkten sie im ersten Quartal 2020 2,6 Billionen Euro bei Banken auf Tages- und Festgeldkonten sowie auf Sparbüchern. „Die Sparkultur ist in Deutschland fest verankert“, bestätigt auch Andreas Martin, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Corona treibt Sparverhalten weiter an
Die bestehende Corona-Pandemie treibt zudem das Sparverhalten der Deutschen weiter an. Der BVR rechnet mit einem kräftigen Anstieg der Sparquote der privaten Haushalte in diesem Jahr. Im Durchschnitt dürfte das Verhältnis des Sparens zum verfügbaren Einkommen bei rund 15 Prozent liegen nach 10,9 Prozent in 2019, prognostiziert der Verband in einer aktuellen Studie. Die bislang höchsten Sparquoten in Deutschland wurden Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge in den Jahren 1991 und 1992 mit jeweils 12,9 Prozent gemessen.
In der heutigen Zeit ist der Weltspartag in seiner bisherigen Form aber eher sinnlos geworden: ein Tag, an dem viele Eltern oder Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln zur örtlichen Hausbank gehen, das ersparte (Taschen-)Geld auf das Sparbuch einzahlen und dafür ein kleines Geschenk erhalten.
Diese Geschichte hätte dann ein Happy End, wenn es auf das ersparte Geld auf dem Konto auch Zinsen gäbe. Das tut es jedoch nicht. Statt reicher zu werden, sparen sich die Deutschen de facto arm. Denn die Inflation frisst die niedrigen Zinserträge auf – selbst bei der aktuell deutlich gesunkenen Teuerungsrate.
Sparen ist nicht gleich Vermögensbildung
„Weltspartag klingt etwas angestaubt“, findet Christian Röhl, Finanzmarktexperte und Investor, ergänzt jedoch: „Sparen ist aber nichts für die Mottenkiste, sondern eine zeitlose Tugend. Denn wer sparen kann, hat seine Finanzen im Griff – und das ist die unbedingte Voraussetzung, um nicht irgendwann arm zu enden.“ Besser wäre es daher, am Weltspartag das gesparte Geld nicht auf das Sparbuch einzuzahlen, sondern in anderer Form anzulegen. Denn „Sparen ist nicht gleich mit Vermögensbildung gleichzusetzen“, so der Experte.
Eine Möglichkeit wäre, um Vermögensbildung zu betreiben, stattdessen in regelmäßigen Summen in Fonds- oder ETF-Sparpläne einzuzahlen. Diese sind ähnlich wie das Sparbuch in früheren Zeiten sehr gut dafür geeignet, bei einem mittel- bis längerfristigen Anlagehorizont eine solide Rendite zu erzielen.
Sparpläne schon für kleines Geld
Gerade bei Fonds- und ETF-Anlagen können Anleger das Risiko streuen, da sie die Möglichkeit haben, nicht nur auf einzelne Aktien, sondern auf die Entwicklung eines ganzen Korbs von Aktien setzen zu können. Hinzu kommt, dass das Verlustrisiko bei Anlagen an der Börse über lange Zeiträume historisch immer geringer wird. Wer also für Kinder und Enkel einen Sparplan auf Sicht von zehn, 15 oder 20 Jahren anlegt, darf sich am Ende gewiss über eine gute Rendite freuen.
„Der Weltspartag sollte Anlass sein, darüber aufzuklären, wie langfristige Vermögensbildung funktioniert – und das geht nur durch Beteiligung an der Wirtschaft, also mit Aktien“, findet Christian Röhl. Mit ETFs könne jeder schon für kleines Geld zu günstigsten Konditionen ein breit gestreutes Aktienportfolio aufbauen. „Damit wird man ebenso wenig wie auf dem Sparbuch Millionär. Aber man sorgt dafür, dass das, was man zurücklegt, etwas erwirtschaftet“, so der Investor weiter.
Viele Banken und Broker bieten mittlerweile neben den schon seit vielen Jahren etablierten Fonds- und ETFs-Sparplänen auch das Aktiensparen mit einem Plan an, um mit kleinen Summen in regelmäßigen Schritten den langfristigen Vermögensaufbau mit Aktien, also Unternehmensbeteiligungen, zu gestalten.
Sparraten können flexibel angepasst werden
Das Prinzip eines Aktiensparplans ist ähnlich wie bei einem Fondssparplan: Der Anleger kann in regelmäßigen Abständen (beispielsweise monatlich) sein Geld in Aktien investieren. Bei vielen Banken geht das bereits ab einer Summe von 25 Euro. Am Anfang legt man die Höhe und das Intervall der Sparrate fest. Was viele Anleger gut finden, ist die Flexibilität eines solchen Plans. Die Sparraten können flexibel angepasst werden oder – wenn es die persönliche finanzielle Situation nicht so sehr zulässt – auch einmal pausiert werden.
Natürlich unterliegen Aktien Kursschwankungen, jedoch hat ein Anleger mit einem Aktiensparplan den Vorteil, bei niedrigen Aktienkursen höhere Stückzahlen anzusparen und somit vom sogenannten Durchschnittskosteneffekt zu profitieren.
Viele Banken bieten bei ihren Aktiensparplänen auch sogenannte Bruchstücke an. Das bedeutet, dass ein Anleger mit einer niedrigen Sparquote nicht gleich ganze Aktien kaufen muss, sondern nur Teile. Ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Ein Anleger hätte mit einer monatlichen Sparrate von 25 Euro und einem Preis von 100 Euro für die Aktie X bei Ausführung des Sparplans nur 0,25 Stücke seiner besparten Aktie im Depot. Bei der nächsten Ausführung (vorausgesetzt ist in diesem Beispiel ein gleichbleibender Aktienkurs) hätte der Anleger dann 0,50 Stücke der Aktie X im Depot. Manche Broker bieten Bruchstücke nicht an, das heißt, der Anleger kann nur Aktien besparen, bei denen er mit seiner Sparrate eine volle Aktie erwirbt. Im Beispiel müsste er somit eine Sparrate von 100 Euro haben.
Mickrige Zinserträge beim Sparbuch
Am Markt gibt es viele Broker, aus denen man sich einen raussuchen kann, der einem den Sparplan anbietet, der für den eigenen Vermögensaufbau und die eigene finanzielle Situation passt. Dass ein Aktiensparplan ein sinnvolles Werkzeug ist, um einen Teil der langfristigen Vorsorge aufzubauen, zeigen Vergleichsdaten:
Der durchschnittliche Zinssatz in Deutschland für ein Sparbuch für Minderjährige beträgt derzeit 0,04 Prozent. Wer hingegen in Aktien des Deutschen Aktienindex (Dax) monatlich spart, partizipiert an der Kursentwicklung und den Dividenden der großen deutschen Börsenwerte. Eine monatliche Geldanlage in Aktien von Ende 1990 bis Ende 2010 erbrachte laut dem Deutschen Aktieninstitut so eine durchschnittliche jährliche Rendite von 6,8 Prozent. Ebenso konnte ein Anleger beispielsweise bei einer langfristigen Spardauer von 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 8,9 Prozent im Jahr auf das angelegte Geld erwirtschaften. Im schlechtesten Fall lag die jährliche Rendite bei 4,7 Prozent, im besten bei 16,1 Prozent.
Unterstützung vom Staat wäre hilfreich
Kapitalmarktexperte Röhl plädiert dafür, dass der Weltspartag in der heutigen Zeit vielmehr als Weltvermögensbildungstag interpretiert werden sollte. „Von Banken mit fairen Angeboten. Von Eltern, die ihren Kindern das Sparerlebnis vorleben und begreifbar machen müssen, und gerne auch vom Staat – vielleicht in Form von Zuschüssen, mindestens aber mit einem steuerfreien Vorsorgekonto“, so der Wunsch des Berliner Experten.
Wer als (Groß-)Eltern seinen Enkeln und Kindern finanziell etwas Gutes tun möchte, sollte so früh wie möglich mit kleinen Beträgen für die Jüngsten anfangen zu sparen. Der symbolische Gang am Weltspartag zum Banktresen, um das Sparschwein ein bisschen zu schlachten und das „Knax“-Heft abzuholen, muss dabei ja nicht gänzlich ausfallen.