Warum Friseure und Gastronomen keinen Corona-Schadensersatz bekommen
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Tische und Stühle stehen vor einem Restaurant (Symbolfoto). Während der Shutdowns hatten auch Restaurants schließen müssen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Freiburg. Der Staat muss für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Shutdowns keinen Schadensersatz bezahlen. Das entschied an diesem Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in einem lange erwarteten Grundsatzurteil. Gastronomen, Friseure und Einzelhändler sind damit weiterhin auf freiwillige Hilfe des Staates angewiesen.
Im konkreten Verfahren hatte der Großgastronom Thomas Worm geklagt, der mit seiner Tochter Salina das Eventhotel Schloss Diedersdorf südlich von Berlin betreibt. Das Hotel verfügt über 100 Betten, 14 Veranstaltungsräume für 4000 Personen, mehrere Restaurants und den größten Biergarten Brandenburgs.
Doch während mehrerer Shutdownphasen musste die Gastronomie schließen und das Hotel durfte nur noch Geschäftsreisende aufnehmen, so jeweils die Corona-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg. Für Worm entstand ein Schaden durch ungedeckte Kosten und entgangene Gewinne von 5438 Euro – pro Tag. In einem Pilotprozess klagte Worm zunächst nur 27.000 Euro ein.
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Der Gastronom hatte jedoch keinen Erfolg. Nicht nur die Brandenburger Gerichte lehnten seine Klage ab, auch der BGH in Karlsruhe wies nun die Revision zurück. Dadurch wurden auch die Hoffnungen von Hunderttausenden weiteren Shutdownbetroffenen enttäuscht.
Dabei war schon immer klar, dass das Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf das die Shutdownanordnungen der Länder gestützt waren, keinen finanziellen Ausgleich für das präventive Schließen ganzer Branchen vorsieht. Dort wird nur in wenigen Fällen Schadensersatz versprochen, etwa wenn ein Infizierter oder eine Infizierte in Quarantäne muss und deshalb Verdienstausfall hat.
Infektionsschutzgesetz war mehrfach angepasst worden
Deshalb waren unter Juristen zahlreiche Möglichkeiten diskutiert worden, wie die Betroffenen dennoch an Schadensersatz kommen könnten. So hatte das Bundesverfassungsgericht eine „verfassungskonforme Auslegung“ des IfSG ins Spiel gebracht. Doch der BGH lehnte dies ab. „Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes ist nicht möglich“, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Ulrich Herrmann, „außerdem dürfen wir als Gericht nicht den Willen des Gesetzgebers konterkarieren.“
Auch eine „analoge“ Anwendung der IfSG-Entschädigungsregelungen sei nicht zulässig, so Richter Herrmann, „denn es gab hier keine planwidrige Regelungslücke“. Der Gesetzgeber, der in den vergangenen zwei Jahren das IfSG mehrfach anpasste, habe bewusst darauf verzichtet, einen allgemeinen Entschädigungsanspruch für Shutdownschäden zu schaffen.
Der BGH verwies darauf, dass er schon 1987 in einem Urteil zum Waldsterben entschied, dass „massenhafte und großvolumige Entschädigungen“ nur vom Parlament und nicht von den Gerichten eingeführt werden können.
BGH-Richter Herrmann verwies stattdessen auf das Sozialstaatsprinzip. Danach habe der Staat Lasten mitzutragen, die aus einem alle treffenden Schicksal herrühren und manche Gruppen besonders stark treffen. Allerdings bestehe kein Anspruch auf vollen Schadensersatz. Es sei vielmehr dem Gesetzgeber überlassen, welche Schäden er wie ausgleichen will.
Nach Angaben der Bundesregierung hat der Bund bis Ende 2021 die Wirtschaft mit rund 130 Milliarden Euro gestützt. Es wurden Hilfen von rund 60 Milliarden Euro ausgezahlt und Kredite von knapp 55 Milliarden Euro gewährt. Hinzu kamen 24 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld.
Auch die Gastronomenfamilie Worm erhielt 60.000 Euro Soforthilfe, die sie aber nach eigenen Angaben wieder zurückzahlen musste.