VW-Chef Diess stellt neuen Kurs vor: Ehrgeiziger Ausbau und Gewinne bei E-Mobilität
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VW-Chef Diess will einerseits den Wolfsburger Autobauer bis 2025 zum Weltmarktführer in der Elektro-Mobilität machen und andererseits bei der viel beachteten operativen Umsatzrendite einen Wert von sieben bis acht Prozent erreichen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Frankfurt am Main. Das passiert auch nicht alle Tage: Die Volkswagen-Aktie schoss am Dienstag bis zum Nachmittag zeitweise um fast 8 Prozent in die Höhe. Einen derartigen Schub innerhalb eines Handelstages hatte es zuletzt Mitte 2015 gegeben. Ursache waren die ambitionierten Ansagen von Konzernchef Herbert Diess. Er will einerseits den Wolfsburger Autobauer bis 2025 zum Weltmarktführer in der Elektromobilität machen und andererseits bei der viel beachteten operativen Umsatzrendite einen Wert von 7 bis 8 Prozent erreichen.
Plattformstrategie soll es richten
Diese Kennziffer (Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit im Verhältnis zum Umsatz) ist in der Branche das Maß aller Dinge. Sie lag 2020 bei nur 4,3 Prozent. Bislang gilt, dass mit E-Autos keine großen Profite gemacht werden können. Viele Stromer und hohe Renditen – das ist eigentlich die Quadratur des Kreises. Doch Diess will das mit einem Ausbau der sogenannten Plattformstrategie erreichen. Das bedeutet, dass Fahrzeuge, aber auch Dienstleistungen auf weitgehend einheitlichen technischen Grundlagen beruhen. Es geht um die Hardware (vor allem Autos), um Software, um die Themen Batterie und Laden sowie um Mobilitätsdienste (Carsharing oder Mitfahrservice auf Abruf).
Akkus sollen in eigenen Fabriken produziert werden
Plattform- und Baukastensysteme waren schon in der Vergangenheit bei Volkswagen der Garant für profitable Geschäfte. Wenn das auch in der E-Auto-Ära gelingt, können damit Kosten massiv gedrückt werden. Von konzernweiten Synergien ist die Rede. Allein die Aufwendungen für die Batteriezellen, die teuerste Komponente der Stromer, will der Vorstand in den nächsten Jahren halbieren. Der Vorstand plant, die Produktion eines Großteils der benötigten Akkus am Ende des Jahrzehnts in sechs eigenen Fabriken in Kooperation mit Partnerfirmen zu stemmen.
VW wird „softwaregetriebener Mobilitätskonzern“
Der designierte neue Finanzchef Arno Antlitz – er übernimmt den Posten in wenigen Wochen von Frank Witter – will überdies die fixen Ausgaben bis 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 2 Milliarden Euro drücken. Die Kosten für Material sollen um 7 Prozent sinken. Zugleich plant Diess milliardenschwere Investitionen in Software für Autos.
In etwa fünf Jahren sollen 60 Prozent der Programme selbst gemacht werden. Volkswagen werde damit hinter SAP zur zweitgrößten Softwareschmiede in Europa, betonte der Konzernchef. Das alles orientiert sich unausgesprochen am Elektropionier Tesla, der nicht nur wegen der Antriebe, sondern vor allem wegen einer Digitalisierung in jeder Hinsicht von Investoren hoch gehandelt wird. Diess jedenfalls sieht die Zukunft seines Unternehmens als „softwaregetriebenen Mobilitätskonzern“.
Eine Million verkaufte E-Autos in diesem Jahr angepeilt
Schon in diesem Jahr soll eine Million elektrifizierter Autos (reinrassige Stromer – BEV und Plug-in-Hybride) verkauft werden. Das ist mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu 2020. In etwa vier Jahren soll jeder fünfte verkaufte Pkw einen batterieelektrischen Antrieb haben. Und 2030 soll die Zahl der abgesetzten BEV die Auslieferungen von Verbrennern übertreffen. Ehrgeizig? Frank Schwope, Analyst bei der NordLB, relativiert: „Die Ziele von Volkswagen klingen gut, allerdings ist die politische Realität in vielen Ländern schon längst so weit oder weiter.“
Norwegen wolle schon 2025 den Verkauf neuer Verbrenner verbieten. Und möglicherweise werde dies fünf Jahre später für ganz Europa gelten. Schwope erwartet, dass Volkswagen dieses Jahr bis zu 700.000 BEV an Kunden übergibt, bei insgesamt maximal zehn Millionen verkauften Pkw. Wobei er davon ausgeht, dass damit auch im nächsten Jahr „nicht unbedingt Gewinne“ erzielt werden dürften.
Chinas Stabilität war äußerst wichtig
Diess jedenfalls sprach am Dienstag von einer „beschleunigten Transformation“, die durch das gute Abschneiden 2020 Rückenwind bekommen habe. Der Gewinn ging wegen Corona zwar um gut ein Drittel zurück, unterm Strich verdienten die Wolfsburger aber immer noch 8,3 Milliarden Euro. Als Stabilisator hat sich einmal mehr der für Volkswagen mit Abstand wichtigste Markt erwiesen: China. Das zügige Eindämmen der Pandemie führte dazu, dass die Einbußen bei Absatz, Umsatz und Profit erheblich niedriger als in anderen Weltgegenden ausfielen.
Die Wolfsburger lieferten mittlerweile 41 von 100 gefertigten Fahrzeugen in der Volksrepublik aus. Zu den für den Vorstand eher unangenehmen Meldungen für 2020 zählt hingegen, dass der Konzern die von der EU geforderten Abgasnormen um 0,8 Gramm pro Kilometer für die Neuwagenflotte verfehlt hat. Strafzahlungen werden fällig. Diess versicherte aber, dass die für dieses Jahr noch einmal leicht verschärften Werte erreicht würden.