Energiepreise außer Kontrolle

Nun steigt auch der Strompreis auf Rekordwerte

Eine Frau bedient den Sicherheitsschalter einer Mehrfachsteckerleiste, an der verschiedene elektrische Verbraucher angeschlossen sind.

Eine Frau bedient den Sicherheitsschalter einer Mehrfachsteckerleiste, an der verschiedene elektrische Verbraucher angeschlossen sind.

Frankfurt am Main. Die nächste Hiobsbotschaft für die Verbraucher: Nun gehen auch die Strompreise durch die Decke. Nach Angaben des Vergleichsportals Check 24 kostete am Mittwoch eine Megawattstunde in der sogenannten Day-Ahead-Auktion (zur Lieferung am Folgetag) 622 Euro. Ein neuer Rekordwert, der zugleich eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um rund 550 Prozent bedeutet.

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Das ist zwar nur eine Momentaufnahme. Aber auch bei Termingeschäften zur Lieferung in mehreren Monaten geht es steil nach oben. Mittelfristig müssten sich die Verbraucher und Verbraucherinnen „auf weiter deutlich steigende Preise einstellen“, sagte Steffen Suttner von Check 24. Er erläutert: „Die hohen Strombörsenpreise sind auch die Folge gestiegener Gaspreise.“ Gaskraftwerke seien essentiell im deutschen Strommix, um schwankende erneuerbare Energien auszugleichen und bestimmten so maßgeblich den Preis an den Börsen mit. „Diese hohen Preise werden mit etwas Verzögerung auch bei den Endkund:innen ankommen.“

Gaskraftwerke verstärkt im Einsatz

Was an Suttners Ausführungen verwundert: Eigentlich wollte die Bundesregierung so schnell wie möglich die Stromerzeugung mittels es extrem rar und teuer gewordenen leicht flüchtigen Energieträger so weit wie möglich herunterfahren. Aber das Gegenteil ist in jüngster Zeit geschehen. Nach den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) wurde in der vergangenen Woche 23,5 Prozent und in dieser Woche 22 Prozent des gesamten hiesigen Strombedarfs mit Erdgas gedeckt, das damit jeweils zur wichtigsten Quelle für die Erzeugung elektrischer Energie wurde.

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Die Ursachen: In jüngster Zeit wehte einerseits relativ wenig Wind, der eigentlich zum Rückgrat der hiesigen Stromversorgung geworden ist. Auch viel Sonnenstrom konnte das nicht ausgleichen. Der Beitrag der Erneuerbaren zum hiesigen Strommix macht laut ISE-Zahlen aktuell nur etwa ein Drittel aus. Hinzu kommt, dass die von der Bundesregierung angeordnete Aktivierung eingemotteter Kohlekraftwerke nur schleppend vorankommt – auch weil es viele Probleme beim Beschaffen und Transportieren des Brennstoffs gibt. Und die Kohlekraftwerke, die am Netz sind, müssen derzeit hohe Kosten für CO₂-Emissionszertifikate stemmen. Die Dürre in ganz Europa hat überdies den Output der Wasserkraftwerke merklich gedrückt.

Habeck: Geringverdiener stärker unterstützen

In der Ampelkoalition gibt es über die Ausrichtung neuer Entlastungen noch Diskussionen.

Doch der wichtigste Faktor für das ungeplante Einspringen der Gaskraftwerke ist aus Sicht der Check-24-Experten, dass viel Strom nach Frankreich exportiert werden muss. Nach den Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende wurde in den vergangenen Tagen eine Kraftwerksleistung von bis zu 6,5 Gigawatt für die Versorgung im Nachbarland benötigt – das entspricht in etwa sechs Atomkraftwerken. Apropos: Frankreich benötigt den deutschen Strom, weil es massive Probleme mit den dortigen AKWs gibt, die in normalen Zeiten für 70 Prozent der Stromerzeugung stehen. Im Kernkraftwerk Gravelines wurden massive Korrosionsschäden festgestellt, was ungeplante Überprüfungen und Wartungsarbeiten in einer Reihe weiterer Anlagen nach sich zieht. Hinzu kommen routinemäßige Revisionen. Nach Angaben des Energiedachverbandes BDEW liefern in Frankreich derzeit nur 20 von 56 AKW Strom.

Preiserhöhungen um fast 50 Prozent

„Die Preise spiegeln die aktuelle Knappheit wider“, sagte eine BDEW-Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Wie lange diese prekäre Situation anhält, ist unklar. Vieles hänge von der Entwicklung in Frankreich ab, heißt es bei Check 24. Dies wiederum werde bestimmen, wie stark letztlich die Strompreise steigen. Wobei die Tarife ohnehin schon kräftig nach oben gegangen sind. Für im August neu abgeschlossene Verträge hat Check 24 einen Durchschnittspreis von knapp 40 Cent pro Kilowattstunde errechnet – ein Plus von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei angekündigten Erhöhungen für September steige der Aufschlag sogar auf 47 Prozent im Schnitt.

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So verlangt der BDEW denn auch: „Die Bundesregierung sollte auch mit Blick auf die Strompreise zusätzliche Entlastungen ins Auge fassen. Der BDEW fordert daher auch auf Strom eine Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 Prozent“, so die Sprecherin gegenüber dem RND. Die geringere Mehrwertsteuer wurde von der Regierung bereits fürs Gas angekündigt und ist auf massive Kritik gestoßen, weil davon vor allem Haushalte mit höheren Einkommen profitierten.

Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion, warnt indes: „Bei den Strompreisen droht die nächste Preiswelle – ist teilweise bereits angekommen – und damit weitere soziale Verwerfungen“, sagt er dem RND. Schon vor der Energiekrise habe Deutschland die höchsten Strompreise Europas gehabt. „Die Ampel muss handeln: Wir brauchen einen Strompreisdeckel in Deutschland. Ein bezahlbares Grundkontingent für Strom – am Durchschnittsverbrauch von Privathaushalten orientiert – muss garantiert werden“, so Bartsch. In Österreich will die dortige schwarz-grüne Regierung einen derartigen Mechanismus im Herbst einführen.

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