Pfund rutscht ab

Thatchers Rezepte ziehen nicht am Finanzmarkt

Der britische Schatzkanzler Kwasi Kwarteng plant umfangreiche Steuersenkungen.

Der britische Schatzkanzler Kwasi Kwarteng plant umfangreiche Steuersenkungen.

Hannover. Die Rezepte der neuen britischen Regierung zur Belebung der Wirtschaft stoßen am Finanzmarkt auf große Vorbehalte. Eine zweite „Thatcher-Revolution“ hatte die neue Premierministerin Liz Truss angekündigt, was bedeutet: Senkung der Steuern und Rückzug des Staates aus vielen Bereichen.

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Sorgen um die Finanzkraft

Doch während der Pfund-Kurs in den Jahren der Premierministerin Margaret Thatcher massiv stieg, treiben die aktuellen Pläne die Anleger erst einmal in die Flucht: Der Kurs des Britischen Pfund stürzte zeitweilig ab, und auch Staatsanleihen verloren massiv an Wert. Hintergrund ist die Sorge um Verschuldung und Finanzkraft des Landes.

Der neue Schatzkanzler Kwasi Kwarteng hatte am Freitag ein radikales Programm angekündigt, das selbst seine eigene konservative Partei überraschte. Demnach sollen sowohl der Basissatz der Einkommensteuer als auch der Spitzensteuersatz sinken. In Zukunft sollen für Jahreseinkommen zwischen 12.000 und 50.000 Pfund nur noch 19 statt bisher 20 Prozent Steuern fällig werden. Außerdem will die Regierung eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zurücknehmen.

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Am oberen Ende fällt der Schritt allerdings deutlicher aus: Der Spitzensteuersatz soll von 45 auf 40 Prozent gesenkt werden. Auch Unternehmen werden bedacht: Die geplante Erhöhung der Körperschaftsteuer will Kwarteng stoppen, außerdem sind mehrere Dutzend so genannte Investmentzonen mit niedrigeren Steuern und geringeren Auflagen geplant.

Die Regierung will damit das Wirtschaftswachstum ankurbeln und so mittelfristig auch die Steuereinnahmen steigern – ganz nach dem Vorbild Margaret Thatchers in den Achtzigerjahren. Bis es so weit sein könnte, müssen allerdings höhere Schulden die Einnahmeverluste ausgleichen. Die britische Denkfabrik Resolution Foundation schätzt, dass in den nächsten fünf Jahren 411 Milliarden Pfund an zusätzlichen Krediten gebraucht werden.

Flash Crash des Pfund in Asien

Kwartengs Ankündigung schickte die Kurse bereits am Freitag auf Talfahrt. Am frühen Montagmorgen rutschte der Pfund-Kurs dann kurzzeitig massiv ab, von einem „Flash Crash“ im asiatischen Handel war die Rede. Hatte ein Pfund am Freitagvormittag noch fast 1,15 Euro gekostet, ging es am Montag zeitweise bis 1,05 Euro abwärts. Mit Beginn des europäischen Handels erholte sich die Währung wieder, sie steht aber immer noch auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang 2021. Gegenüber dem Dollar ist der Wertverfall noch deutlicher.

Auch aus britischen Staatsanleihen flüchteten die Anleger. Im Gegenzug stieg deren Rendite, also der langfristige Zins. Zehnjährige Anleihen liegen inzwischen bei gut 4 Prozent und damit fast auf der Höhe der italienischen Papiere. Innerhalb von zwei Monaten haben sich die Renditen verdoppelt – und damit die Zinskosten für neu aufgenommene Schulden des britischen Staates.

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Italien-Wahl ohne große Folgen

Im Vergleich dazu reagierten die Märkte gelassen auf das Wahlergebnis in Italien. Der erwartete Sieg des Rechtsbündnisses hatte in den vergangenen Wochen bereits für Ausschläge gesorgt. Nach der Wahl stieg die Rendite zehnjähriger Anleihen nur noch leicht auf 4,4 Prozent. Der Euro, dessen Wert gegenüber dem Dollar ohnehin seit Monaten fällt, geriet frühmorgens unter Druck, erholte sich dann aber. Mit rund 0,97 Dollar liegt er inzwischen allerdings klar unter den Parität zum Dollar.

Die schwachen Währungen zeugen auch vom wachsenden Konjunkturpessimismus. So sagt die OECD inzwischen eine Rezession in Deutschland voraus. Um 0,7 Prozent wird die Wirtschaft demnach im nächsten Jahr schrumpfen. Damit sind die Aussichten hier deutlich trüber als im Rest der Welt: Für die Weltwirtschaft insgesamt sagt die OECD noch 2,2 Prozent Wachstum voraus.

Ifo-Index fällt weiter

Ifo-Präsident Clemens Fuest hat inzwischen keine Zweifel mehr: „Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession.“ Die monatliche Umfrage seines Instituts bei 9000 Unternehmen hat die schlechtesten Werte seit mehr als zwei Jahren gebracht. Mit einem weiteren überraschend deutlichen Rückgang auf 84,3 Punkte stand der Ifo-Geschäftsklimaindex im September so tief wie seit dem ersten Corona-Lockdown nicht mehr. Die Stimmung habe sich in allen Sektoren verschlechtert, besonders deutlich aber in Handel und Gastgewerbe.

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