„Das wirft natürlich Fragen auf“

Höhere Gewinne durch den Tankrabatt: Kartellamt nimmt Ölkonzerne ins Visier

Kurz vor dem Tankrabatt stiegen die Preise für Sprit noch mal deutlich.

Kurz vor dem Tankrabatt stiegen die Preise für Sprit noch mal deutlich.

Hannover. Kurz vor dem Start des Tankrabatts am 1. Juni rieben sich Autofahrerinnen und Autofahrer verwundert die Augen. Denn die Preise an der Zapfsäule legten zu – obwohl der Rohölpreis halbwegs stabil war. Nun sind aus gefühlten Wahrheiten amtliche Statistiken geworden: Zuletzt habe sich der Abstand zwischen Rohölpreis und Spritpreis erhöht, teilte das Bundeskartellamt am Freitag mit. „Das wirft natürlich Fragen auf“, erklärte Behördenchef Andreas Mundt. Allein war er damit nicht.

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Laut Kartellamt kostete Superbenzin (E5) 2021 sowie Anfang dieses Jahres stets etwa 40 Cent mehr als Rohöl. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vergrößerte sich der Abstand demnach auf 40 bis 50 Cent. Ab dem 27. Mai, als kurz vor Inkrafttreten des Tankrabatts, wurden es dann 60 Cent. „Wenn man die Steuersenkung rausrechnet, ist der Preis an der Tankstelle seit Ende Mai stärker gestiegen als der Rohölpreis“, bilanzierte Mundt.

ARCHIV - 06.09.2020, Bayern, München: Eine Frau hält an einer Tankstelle an einer Zapfsäule eine Zapfpistole in der Hand und betankt ein Auto . (zu dpa: «Festivals, Tanken, 9-Euro-Ticket: Das bringt der Juni») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wer profitiert eigentlich vom Tankrabatt?

Eigentlich wollte die Politik Deutschlands Autofahrerinnen und Autofahrer mit dem Tankrabatt entlasten, doch zum Start hat sie vor allem Preisschwankungen, Unsicherheiten und Frust produziert. Nur die Ölmultis freuen sich.

Die Einschätzungen sind pikant, einerseits für die Mineral­ölkonzerne: Sie vermeldeten zuletzt hohe Gewinne. Aber ob diese wegen des Kriegs gestiegen sind, blieb unklar. Nun ist zumindest klar, dass die Kosten des wichtigsten Rohstoffs und die Endkundenpreise zunehmend auseinander­klaffen – was oft genug mit höheren Gewinnmargen einhergeht.

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Mineralöl­wirtschaft wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Mineralöl­wirtschaft verwahrte sich am Freitag gegen den Vorwurf, im Krieg Kasse zu machen: Auch die Energiekosten seien bei Raffinerien weltweit gestiegen, erklärte Christian Küchen, Hauptgeschäfts­führer beim Branchenverband EN2X, gegenüber dem Deutschlandfunk. Zudem seien durch den Krieg eine Reihe Raffinerien ausgefallen, Preissteigerungen seien in so einer Situation normal. Man könne daher auch keine direkte Verbindung zwischen dem Rohölpreis und den Preisen an der Tankstelle herstellen, so Küchen weiter.

Ob gestiegene Produktions­kosten die Preissteigerungen wirklich erklären, untersuchen laut Mundt nun die Wettbewerbs­hüter. Besonders die – meist den Ölmultis gehörenden – Raffinerien will er in den Blick nehmen. Man tue das Möglichste, brauche aber noch Zeit. „Weder das Bundeskartellamt noch eine andere Behörde in Deutschland kann Preise auf Knopfdruck senken“, betonte der Kartellamts­chef.

Ölmarkt ist ein „kranker Patient“

Ökonominnen und Ökonomen sehen in den Kartellamts­daten ebenfalls Hinweise, dass am Spritmarkt etwas schiefläuft. Ob es Preisabsprachen oder schlicht zu wenig Wettbewerb gebe, ist laut dem Düsseldorfer Wettbewerbs­ökonomen Justus Haucap unklar. Aber aus seiner Sicht sollte es auf einem funktionierenden Markt nicht möglich sein, einfach die Gewinnmargen zu erhöhen. „Wir wissen jetzt, dass der Patient krank ist. Aber was er hat, wissen wir nicht“, sagte Haucap dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

Noch ist unklar, ob die höheren Margen bei den Raffinerien der Ölkonzerne oder bei den Tankstellen anfallen.

Justus Haucap,

Wettbewerbs­ökonom

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„Noch ist unklar, ob die höheren Margen bei den Raffinerien der Ölkonzerne oder bei den Tankstellen anfallen“, erklärte Haucap weiter. Er forderte deshalb weitere Untersuchungen – und wagte eine Spitze gegen die Wettbewerbshüter: „Hätte das Kartellamt 2013 nicht die Sektor­untersuchung zu Raffinerien sang- und klanglos eingestellt, wüssten wir heute womöglich schon mehr.“

Auch die Münchner Ökonomin Monika Schnitzer hält es für richtig, das Verhalten der Mineralöl­konzerne nun näher zu untersuchen. Ein Vergleich zu Frankreich zeige, dass die hiesigen Tankstellen­preise bei steigenden Rohölpreisen stärker stiegen und bei sinkenden Rohölpreisen langsamer fallen. „Auch das ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb in Deutschland geringer ist als in Frankreich“, sagte die Wirtschaftsweise dem RND.

Auch der Tankrabatt steigert Gewinn­margen

Dass kurz vor Start des Tankrabatts die Abstände zwischen Ölpreis und Tankstellenpreis deutlich zunahmen, lastet Haucap indes auch der Bundesregierung an: „Die Daten des Kartellamts deuten darauf hin, dass der Tankrabatt zu höheren Gewinnmargen in der Mineralöl­wirtschaft geführt hat“, sagte der Ökonom. Zeitgleich habe aber auch die Diskussion über das Ölembargo zu Verwerfungen an den Märkten geführt. „Beides dürfte einen Anteil an dem wachsenden Abstand zwischen Rohöl- und Spritpreisen gehabt haben“, vermutet Haucap.

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Schnitzer, die vor etwa zwei Wochen noch eine weitgehende Weitergabe des Tankrabatts an Autofahrerinnen und Autofahrer prognostiziert hatte, zeigte sich ebenfalls ernüchtert: Seit dem 1. Juni seien die Preise schneller als erwartet wieder gestiegen. „Überrascht hat mich, dass die Mineralöl­konzerne mit diesem neuerlichen Preisanstieg nicht länger gewartet haben. Dann wäre es weniger offensichtlich gewesen, dass sie nicht vorhaben, die Steuersenkung vollständig weiterzugeben.“

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