Shuttlebetrieb mit Elektrojets: Lilium fliegt an die Börse
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Mit dem eVTOL sammelte Lilium erste Erfahrungen.
© Quelle: Daniel Karmann/dpa
Flugtaxis gelten im Moment als das nächste große Ding in der Mobilität, und deutsche Firmen haben dabei technologisch die Nase vorn. Lilium aus Weßling bei München will die Gunst der Stunde nutzen und geht an die US-Technologiebörse Nasdaq – per Fusion mit der bereits börsennotierten US-Firma Qell. Mit der Ankündigung verbanden die Bayern die Nachricht, dass ein siebensitziger und senkrecht startender Elektrojet so gut wie fertig entwickelt sei. 2024 soll damit ein Shuttlebetrieb auf ersten Strecken in den USA und möglicherweise auch in Europa angeboten werden. „Wir freuen uns sehr, die Entwicklung unseres Siebensitzers Lilium Jet bekannt zu geben“, sagt Mitgründer und Lilium-Chef Daniel Wiegand. „Wir sind begeistert, gemeinsam mit Lilium den Marktführer für regionale elektrische Luftmobilität aufzubauen“, ergänzt Qell-Chef Barry Engle.
Ein Spac hilft beim Börsengang
Engle war einmal Nordamerika-Chef des US-Autobauers General Motors. Die von ihm geführte Qell ist eine sogenannte Mantelfirma, die kein eigenes operatives Geschäft hat, sondern nur gegründet wurde, um durch die eigene Börsennotierung anderen Firmen einen schnellen und einfachen Weg an die Börse zu bieten. Spac – Special Purpose Acquisition Company – werden solche Firmen genannt. Qell suchte zuletzt intensiv nach Fusionskandidaten in der innovativen Mobilität. Bei über 100 potenziellen Kandidaten sei die Wahl nun auf Lilium gefallen, erklärt ein mit den Vorgängen vertrauter Insider.
An der Nasdaq wird das fusionierte und auf einen Wert von 2,8 Milliarden Euro taxierte Gesamtunternehmen künftig als Lilium firmieren. Auf den deutschen Lufttaxipionier entfallen rechnerisch rund 90 Prozent dieses Werts. „Der Lilium Jet ist ein Gamechanger in der Mobilität“, findet Engle. Konkurrenten arbeiten an hubschrauberähnlichen Modellen mit nur zwei bis vier Sitzen. Der Lilium Jet dagegen ist ein mit schwenkbaren und elektrischen Triebwerken ausgestatteter Senkrechtstarter, der im Horizontalflug auf 282 Stundenkilometer beschleunigen und gut 250 Kilometer weit fliegen kann. Damit übertrifft er an Reichweite und Sitzplätzen jede Alternativentwicklung von Airbus bis zum anderen deutschen Flugtaxipionier Volocopter, an dem Daimler beteiligt ist.
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Der Volocopter gehört zu den Lilium-Konkurrenten.
© Quelle: Christoph Schmidt/dpa
Mit dem Siebensitzer will Lilium 2024 den Geschäftsbetrieb aufnehmen. Dazu ist im US-Bundesstaat Florida ein erstes Netzwerk mit bis zu 14 Standorten geplant. In Europa stehen die Bayern zudem in fortgeschrittenen Gesprächen für ein zweites Netzwerk mit zehn Vertiports, wie Start- und Landeplätze im Flugtaxizeitalter genannt werden. Finanziert wird das Ganze nun wesentlich mit den 840 Millionen Euro, die Lilium im Zuge von Fusion und Börsengang zufließen sollen. Mit der Nasdaq im Rücken dürfte eine weitere Expansion zumindest finanziell kein größeres Problem mehr sein.
Früherer Airbus-Chef im Verwaltungsrat
In puncto Wirtschaftlichkeit rechnen sich die Bayern schon wegen der sieben Sitze eine Führungsposition aus. Davon haben sich nicht nur jetzt Qell und Engle, sondern zuvor schon Techinvestoren wie Tencent aus China sowie namhafte Partner wie Lufthansa überzeugen lassen. Angeheuert hat bei Lilium zuletzt auch Prominenz aus der Luftfahrt wie der langjährige Airbus-Chef Tom Enders, der nun wie Engle in den Lilium-Verwaltungsrat einziehen soll. Dieses US-Gremium entspricht ungefähr einem deutschen Aufsichtsrat, verfügt aber über mehr Kompetenzen.
Lilium wurde erst vor fünf Jahren gegründet, kann aber mittlerweile schon die vierte Generation von Flugdemonstratoren vorweisen. Der Siebensitzer, der auch für den Frachttransport eingesetzt werden kann, hat nun intern das Rennen gemacht. Anfangs soll der Lilium Jet auf festen Routen in drei Kilometer Höhe fliegen. Er ist im Prinzip aber mittels Bestellung per App auch für Taxibetrieb in der Luft ausgelegt.
Produziert wird bei München
Wiegand ist vom Erfolg seiner Schöpfung überzeugt. „Die Verkehrsinfrastruktur ist vielerorts am Ende ihrer Leistungsfähigkeit, sie kostet zu viel persönliche Zeit, verbraucht zu viel Raum und produziert zu viel Kohlenstoffemissionen“, erklärt er. Die Elektrojettechnologie von Lilium sei dagegen der Schlüssel zu Flugzeugen mit höherer Kapazität und geringeren Kosten, bei wenig Lärm und Emission. Gefertigt werden die Lilium-Jets hochautomatisiert in Weßling bei München.