Sehr öko, sehr fair – kann ein Crowdfunding das E‐Auto‐Vorbild Sion retten?
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Elektroautos soll die Zukunft gehören – und der Sion aus München war besonders ambitioniert.
© Quelle: picture alliance / Daniel Bockwo
Elektroautos soll die Zukunft gehören – und der Sion aus München war besonders ambitioniert. Immerhin sollte der kleine Stromer der Sono‐Jungunternehmer sogar mit Solarzellen ausgestattet werden. Ob er eine Zukunft hat, ist allerdings unklar. Denn die Jungunternehmer haben sich mit ihren Finanzinvestoren überworfen und brauchen nun kurzfristig 50 Millionen Euro. Sonst stirbt das Projekt.
„Wir sind noch nicht bereit aufzugeben“, sagt Sono‐Gründer Jona Christians trotzig. Zusammen mit seinen Mitgründern Navina Pernsteiner und Laurin Hahn ist er deshalb auf eine verzweifelt anmutende Idee gekommen, um ihren Stromer namens Sion auf die Straße zu bringen. Die dazu erst mal benötigte 50 Millionen Euro sollen per Crowdfunding aus der Internetgemeinde kommen, und das sehr schnell. Bis zum 30. Dezember muss das Geld her.
Ein E-Auto wie kein anderes ist der Stromer nach Ansicht des Gründertrios nicht nur, weil er mit Solarzellen bestückt ist und er sich bei der Fahrt im Sonnenschein auflädt. Der Sion ist mit integrierter Carsharing-App von Anfang an auch ein Auto zum Teilen, um die Zahl der Fahrzeuge auf der Straße zu senken. Er kann nicht nur Strom tanken, sondern ihn auch wieder ins Netz einspeisen, um die Energieversorgung intelligenter zu machen. Konsequenterweise soll er so energiesparend wie möglich gebaut werden, was sich auch auf Zulieferer auswirkt.
Zwist mit den Investoren
Unter anderem an der Stelle haben sich die Wege von Sono und potenziellen Finanzinvestoren getrennt. „Wir haben versucht, an unseren Werten festzuhalten, aber gleichzeitig diesen Finanzinvestoren gerecht zu werden“, sagt Hahn. „Das hat nicht funktioniert“, räumt er ein. Investoren haben ein Investment unter anderem davon abhängig gemacht, dass sie und nicht Sono das letzte Wort bei der Lieferantenauswahl gehabt hätten.
Ökologisch fragwürdigen Billigeinkauf wertet das Gründertrio aber als Verrat an ihrer Nachhaltigkeitsvision. Auch Patente für die Solarzellenverkleidung des Sion wollten sich Investoren übereignen lassen, um sie in Eigenregie verwerten zu können. Da haben Hahn, Christians und Pernsteiner die Notbremse gezogen.
Ein rekordverdächtig großes Crowdfunding?
In der Anfangsphase von Sono 2016 hatte das Trio bereits erfolgreich eine Crowdfunding‐Kampagne gestartet. Statt erwarteter 100.000 bis 200.000 Euro sind damals 820.000 Euro ins Haus gekommen. Das stimmt sie zumindest nach außen hin optimistisch. Aber diesmal ist finanziell mit 50 Millionen Euro eine ganz andere Dimension fällig. Was jetzt auf den Weg gebracht wurde, ist eine EU‐weit rekordverdächtig große Crowdfunding‐Initiative. Sono will dabei Sion‐Käufer zu Sono‐Investoren machen.
Die Idee ist, dass 2000 Sion‐Käufer den Preis von 25.500 Euro für das Gefährt vorab voll bezahlen. In der Summe kämen so 50 Millionen Euro zusammen, die Sono zur Fertigung von Serien‐Prototypen braucht. Gut 10.000 Vorbestellungen für den Sion gibt es bereits. Alle Kunden haben dabei schon 500 Euro oder mehr anbezahlt. Es reiche, wenn jeder fünfte dieser Kunden mitmacht, rechnen die Sono‐Gründer vor.
Die Käufer kriegen Firmenanteile
Falls das klappt, ist aber noch eine weit größere Anschlussfinanzierung fällig, räumt das Gründertrio offen ein. Für den Start der eigentlichen Serienproduktion in ehemaligen Saab‐Werken im schwedischen Trollhättan seien nochmals gut 200 Millionen Euro nötig. „Sono braucht unfassbar viel Geld“, sagt Christians so, als würde er selbst ein bisschen vor den Finanzdimensionen erschrecken, die das Garagen‐Start-up mittlerweile erreicht hat. Insgesamt gut 250 Millionen Euro sind als Anlaufkosten für ein neu entwickeltes Modell gemessen am Branchenüblichen andererseits ein wahrer Schnäppchenpreis.
Für ihre Visionen sind die Gründer bereit, einiges zu opfern. Sie halten persönlich noch knapp zwei Drittel aller Gewinnbezugsrechte von Sono. Die will das Trio in einen Pool einbringen, aus dem zu Investoren mutierende Sion‐Käufer schöpfen können, sollte die Firma einmal profitabel werden. Nur ihre 74 Prozent Stimmrechte wollen Hahn und Co. behalten, um die Kontrolle über Sono und ihre Visionen nicht zu verlieren.
Schon 4,5 Millionen Euro zusammenbekommen
Falls die 50 Millionen Euro bis Ende des Jahres nicht erreicht werden, wird das Geld von niemandem abgebucht, verspricht Sono. Dann wird der Sion auch nicht gebaut. Zum echten Risikokapital werden die 25.500 Euro je Bestellung inklusive Vorkasse aber, wenn zwar die 50 Millionen zusammenkommen, aber die 200 Millionen Euro Anschlussfinanzierung nicht. Bis Letzteres klar ist, dürften die 50 Millionen Euro weitgehend ausgegeben sein.
Kommen die 50 Millionen Euro zusammen, hätte das andererseits einige Außenwirkung, hofft das Gründertrio. Womöglich wären dann auch professionelle Kapitalgeber bereit, zu annehmbaren Konditionen einzusteigen. Selbst im günstigsten Fall würde der erste Sion in Schweden nach jetziger Planung im Herbst 2021 vom Band rollen. Bislang war Mitte 2020 als Startschuss geplant. Aber es könnte auch alles schnell im Fiasko enden. Die Chancen für ein Überleben des Projekts kann man stundenaktuell mit einem Klick auf die Sono‐Homepage ablesen. Dort läuft seit Anfang Dezember ein Zähler mit dem Stand der Crowdfunding‐Kampagne. Donnerstag früh waren es knapp 4,5 Millionen Euro.