Viele Schulabgänger in Sachsen ohne Abschluss – Wirtschaft schlägt Alarm
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In Sachsen gibt es viele Schulabgänger ohne Abschluss – häufig werden die Prüfungen später nachgeholt.
© Quelle: Uli Deckdpa
Dresden. Angesichts hoher Schulabbrecher-Quoten fordert die Wirtschaft in Sachsen stärkere Anstrengungen, um diesen Jugendlichen zu einem Abschluss zu verhelfen. „Wir müssen mehr junge Leute für eine gewerblich-technische Ausbildung im Handwerk gewinnen. Die Quote von Schulabbrechern muss reduziert werden“, mahnt Andreas Brzezinski vom Sächsischen Handwerkstag mit Blick auf den Fachkräftemangel. Auch Frank Vollgold, der Sprecher der Arbeitsagentur Sachsen, erklärt: „Da die Betriebe händeringend junge Nachwuchskräfte suchen, dürfen keine jungen Menschen verloren gehen, indem sie ohne einen Abschluss die Schule verlassen. Das können wir uns nicht leisten.“
Bundesweit sind nur Bremen und Sachsen-Anhalt schlechter
Hintergrund sind aktuelle Zahlen aus dem Kultusministerium: Demnach haben im vergangenen Jahr 2775 Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss verlassen – das sind 8,5 Prozent der Absolventen. Im Jahr 2021 waren es 8,8 Prozent, zehn Jahre zuvor 9,3 Prozent. Damit bleibt die Abbrecherquote weiterhin hoch und liegt über dem Bundesdurchschnitt von 6,2 Prozent (2021). Den größten Teil bilden Hauptschul-Abgänger. Schlechter als Sachsen sind nur Bremen und Sachsen-Anhalt, Thüringen liegt etwa gleichauf.
Kultusminister: Müssen weiter unsere Hausaufgaben machen
„Wir müssen weiter unsere Hausaufgaben machen, damit mehr Schülerinnen und Schüler mit einem Abschluss die Schule verlassen. Die Schere zwischen Spitzenleistungen und Misserfolg darf nicht weiter auseinandergehen“, räumt Sachsen Kultusminister Christian Piwarz (CDU) ein. Zugleich macht Piwarz klar: „Für uns zählt jeder Schüler und jede Schülerin.“ Deshalb müsse es „vielfältige und individuelle Lernangebote“ geben. Klar sei aber auch, so der Minister: „Schule kann nicht die alleinige Reparaturwerkstatt für die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen sein.“
Handwerkskammer fordert frühzeitige Berufsorientierung
Die Vollversammlung der Handwerkskammer zu Leipzig hatte bereits im vergangenen Jahr eine Resolution an die Politik beschlossen, um mehr Schulabschlüsse und eine „verbindliche, frühzeitig beginnende, kontinuierliche Berufsorientierung in allen Schulformen“ einzufordern. Die Gesellschaft könne es sich nicht leisten, „auch nur einen einzigen Jugendlichen auf der Strecke zu lassen“, sagt Kammer-Präsident Matthias Forßbohm. Arbeitsagentur-Sprecher Vollgold betont: „Jeder hat Talente und wird gebraucht“ – jedoch gelinge das meist nur mit einem Schulabschluss.
In Sachsen werden auch Förderschüler ohne Abschluss gezählt
Die vergleichsweise hohe Quote in Sachsen erklärt das Kultusministerium unter anderem damit, dass – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern – die Förderschulen in die Statistik einfließen. Das betraf im vergangenen Jahr 1310 Schüler. „Diese rund vier Prozent aller Absolventen dürfen nicht als Schüler ohne Abschluss diskriminiert werden“, erklärt das Ministerium. Zugleich verknüpfe Sachsen mit dem Hauptschul-Abschluss aber auch einen Leistungsanspruch: Während im Freistaat grundsätzlich zentrale Prüfungen stattfänden, sei dieses bei einem großen Teil der Bundesländer nicht der Fall.
Nirgendwo sonst holen so viele Abgänger ihren Abschluss nach
Immerhin werden nirgendwo in Deutschland mehr Schulabschlüsse als in Sachsen nachgeholt. So nutzen jedes Jahr rund 2500 Jugendliche die Möglichkeit, beispielsweise in einem Berufsvorbereitungsjahr oder an einer Abend-Oberschule ihren Haupt- oder Realschulabschluss nachzuholen. Das führt dazu, dass in Sachsen laut Kultusministerium 95 Prozent der 20- bis 30-Jährigen zumindest über einen Hauptschul-Abschluss verfügen – bundesweit sind es 93,2 Prozent.
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Berufsbegleiter und Praxisberater sollen in Schulen helfen
Damit künftig mehr Jugendliche einen Abschluss während ihrer Schulzeit schaffen, setzt der Freistaat gemeinsam mit der Arbeitsagentur mehr als 200 Berufseinstiegsbegleiter an Förderschulen und in Hauptschul-Klassen ein. Hinzu kommen 300 Praxisberaterinnen und Praxisberater. Daneben wurde unter anderem das Projekt „Produktives Lernen“ für abschlussgefährdete Schüler initiiert. Die Arbeitsagentur verweist zudem auf die Jugendberufsagentur sowie Nachhilfeunterricht, der Auszubildenden bezahlt werden kann.
Nichtsdestotrotz kann eine Lehre auch ohne Abschluss begonnen werden: etwa in der Hauswirtschaft, Landwirtschaft, Gastronomie oder im Handwerk. Laut der Industrie- und Handelskammer Leipzig schaffen 60 bis 70 Prozent der Schulabbrecher, die eine Ausbildung beginnen, einen Berufsabschluss.