Mobilitätswende: Buntes Bündnis fordert Bekenntnisse von Parteien vor Bundestagswahl
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In Bonn demonstrieren Menschen für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr.
© Quelle: imago images/Dominik Bund
München. Es ist ein in seiner gesellschaftlichen Breite seltener Zusammenschluss. Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende nennt sich die Gruppierung aus Naturschutz- und Sozialverbänden, Gewerkschaften und evangelischer Kirche, die Parteien vor der Bundestagswahl Ende September zu entsprechenden Bekenntnissen animieren will.
„Die Flutkatastrophe hat gezeigt, dass es nicht zehn vor, sondern 15 Minuten nach zwölf ist”, sagt Richard Mergner als bayerischer Chef des Bund Naturschutz mit Blick auf jüngste Verwüstungen am Rhein. „Aber wir sind immer noch zu sehr aufs Auto fixiert”, ergänzt die Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, Nicole Schley.
Die Vertreterinnen und Vertreter des bundesweiten Bündnisses äußern sich zuerst in Bayern, weil die CSU in den vergangenen zwölf Jahren den Bundesverkehrsminister gestellt habe, ohne dass etwas von einer Mobilitätswende zu spüren gewesen sei. Zudem trage Bayern als ausgesprochenes Autoland besondere Verantwortung dafür, dass sich nun etwas ändert.
„Wir wollen das Soziale aber nicht gegen das Ökologische ausspielen”, betont Mergner. Das unterstreicht auch Bayerns IG-Metall-Chef Johann Horn: „Klimaneutrale Antriebe erhalten Arbeitsplätze in der Autoindustrie.” Das heutige Beschäftigungsniveau könne gesichert werden, wenn ausreichend neue Infrastruktur für batterie- und wasserstoffelektrisches Fahren und vorausschauend auch für das Recycling großer Autobatterien aufgebaut und staatlich gefördert würden.
Kein Straßenausbau ohne Klimaprüfung
Der Forderungskatalog des Bündnisses ist lang und teuer. Er reicht von einem Tempolimit über eine Klimaverträglichkeitsprüfung für jeden Straßenausbau bis zu barrierefreien Bahnhöfen. Die gebe es selbst im reichen Bayern nur an jeder zweiten Haltestelle, rügt Schley. Wenn aber Senioren oder Seniorinnen, Behinderte oder Familien mit Kinderwagen anhaltend Probleme hätten, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, bleibe die Mobilitätswende aus.
Im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) würden bis 2030 rund 100.000 neue Beschäftigte benötigt, rechnet wiederum die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor. Doch Interessenten würden durch schlechte Bezahlung und ungünstige Arbeitszeiten abgeschreckt.
Die Gehälter im ÖPNV müssten steigen, auch durch ein Tariftreuegesetz für den ÖPNV, heißt das. Zugleich müsse der ÖPNV für Geringverdienende bezahlbar bleiben. Klimaschutz dürfe nicht zum Elitenprojekt werden. Daran schließt sich die Forderung nach flächendeckenden Sozialtickets für Arme an, wie es sie in manchen Gemeinden schon gibt. Auf dem Land müsse für Bus und Bahn ein Stundentakt subventioniert werden.
Wir haben aber genug Geld, wir müssen es nur besser einsetzen und umverteilen.
Richard Mergner, Vorsitzender Bund Naturschutz in Bayern
Kein Hehl macht das Bündnis daraus, dass das alles viel kostet. „Wir haben aber genug Geld, wir müssen es nur besser einsetzen und umverteilen”, sagt Mergner. Allein 30 Milliarden Euro jährlich würden hierzulande heute in subventioniertes Flugbenzin, Dienstwagenpauschalen und andere klimaschädliche Förderung gesteckt. Würde die Summe für klimafreundliche Mobilität verwendet, wäre einiges erreicht.
Höherer CO₂-Preis und Mobilitätshilfe
Umverteilen will das Bündnis auch an anderer Stelle etwa durch höhere Preise für Kohlendioxid (CO₂) und Mobilitätshilfen für Einkommensschwache oder durch höhere Steuern für Firmen und Spitzenverdienende. Es ist deshalb kein Wunder, dass sie sich weniger durch das Wahlprogramm von CDU/CSU als durch die von Grünen und Linken repräsentiert sehen. Es sollten sich aber alle demokratischen Parteien von den Forderungen angesprochen fühlen, sagen die Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses. „Wir können nicht nur von Klimaschutz reden und dann nichts tun”, betont Schley.