Lieferdienste boomen in der Corona-Krise
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Flaschenpost liefert Getränke nach Hause.
© Quelle: picture alliance / Flashpic
Hannover. Vor der Corona-Krise hatten es Lebensmittellieferdienste in Deutschland schwer. So ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung AlixPartners aus dem vergangenen Jahr, dass nur jeder vierte Verbraucher überhaupt schon mal Lebensmittel im Internet bestellt hat. Das hat sich geändert, seitdem die Corona-Regeln Einkäufe mitunter kompliziert machen. Außerdem sehen viele den Supermarkt als mögliche Ansteckungsquelle, wenn sich zum Beispiel zu Stoßzeiten viele Menschen gleichzeitig in der Obst- und Gemüseabteilung tummeln.
Das Alternativangebot war bereits am Markt, aber wenig etabliert. Lieferdienste gibt es mittlerweile in fast allen größeren Städten, vielfach auch im Umland. Doch das Angebot ist für Verbraucher unübersichtlich. Je nach Region stehen unterschiedliche Anbieter zur Verfügung – zu den Größten zählen der Lieferdienst von Rewe, der Anbieter Getnow, der seine Produkte vom Partner Metro bezieht, und der Onlinesupermarkt Picnic. Kleinere Liefergebiete haben der Edeka-Lieferdienst Bringmeister und Amazon Fresh. Außerdem gibt es mit den Start-ups Flaschenpost und Durstexpress relativ neue Getränkelieferdienste am Markt, die ihr Angebot stetig auch auf andere Warengruppen ausweiten.
Extreme Nachfrage führte zu langen Lieferzeiten
Die große Nachfrage zum Höhepunkt der Pandemie im März und April konnten viele Lieferdienste gar nicht stillen. So waren die Zustellautos von Getnow zwei Wochen im Voraus ausgebucht. Auch Picnic-Kunden mussten mehr als eine Woche auf ihre Bestellung warten.
Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet und die Lieferzeiten angeglichen. Das liegt auch daran, dass die Anbieter massiv in ihre Infrastruktur investiert haben. So hat Getnow nach Angaben von Marketing- und Vertriebschef Thorsten Eder seine Mitarbeiterzahl seit Jahresbeginn um 40 Prozent erhöht, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden. Picnic hat die Mitarbeiterzahl ebenfalls um 400 auf rund 1000 erhöht. Und Mitarbeiter werden weiter gesucht.
Getnow ist aktuell in 121 Städten und in über 90 Gemeinden aktiv. Der Kunde kann sich je nach Postleitzahl einen zwei- bis fünfstündigen Zeitslot auswählen, innerhalb dessen die Waren nach Hause geliefert werden. Ähnlich läuft es beim Konkurrenten Rewe, der in 75 Städten ausliefert, und dem Onlinesupermarkt Picnic, der 30 Städte in Nordrhein-Westfalen anfährt.
Nachhaltige Trendwende
Experten rechnen damit, dass der Trend zur Internetbestellung von Lebensmitteln auch nach Corona anhalten wird. “Dass derzeit viele der Händler ihre Infrastruktur massiv ausbauen, zeigt ja, dass die Unternehmen weiter mit einer hohen Nachfrage rechnen”, sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Er glaubt an eine nachhaltige Trendwende: “Kunden, die die Lieferdienste einmal ausprobiert haben und zufrieden sind, werden tendenziell dabeibleiben. Aber sicherlich nicht in der Höhe wie im März und April.”
Das deckt sich mit den Beobachtungen von Getnow-Vertriebschef Eder: “Wir sehen deutlich mehr Neukundenanmeldungen stabil über die letzten Monate.” Besonders aus der Altersgruppe der über 50-Jährigen hätten die Bestellungen angezogen, konkretisiert er.
Unterschied Lieferdienst und Paketversand
Die Lebensmittel- und Getränkelieferdienste haben ihre eigenen Autos und bringen die Waren direkt zum Kunden. Auch Obst und Gemüse, gekühlte und Tiefkühlprodukte sind meist kein Problem, weil die Anbieter entsprechende Verpackungen und Kühlakkus nutzen. Davon zu unterscheiden ist der Paketversand, den zum Beispiel die Drogerieketten dm und Rossmann anbieten. In dem Fall werden die Waren mit einem Versanddienstleister verschickt und sind entsprechend erst ein paar Tage später beim Kunden. Auch Rewe bietet in einigen Städten, in denen der eigene Lieferdienst noch nicht am Markt ist, Paketsendungen an – das Sortiment ist allerdings begrenzt, es werden nur haltbare und keine gekühlten Lebensmittel angeboten.
Abseits der großen Bringdienste mit ihrem breiten Warensortiment gibt es noch viele spezialisierte Angebote. Dazu zählt zum Beispiel das Unternehmen Morgengold, das frühmorgens Brot und Brötchen an die Haustür der Kunden liefert. Über neunzig Franchisebetriebe in Deutschland und Österreich sind mittlerweile an Bord. Vielen bekannt sind außerdem Gemüsekisten von Höfen aus der Region. Außerdem bieten viele regionale Milcherzeuger Milch im Abo an – die gewünschte Menge wird dann einmal die Woche nach Hause geliefert.
Abos für Windeln und Toilettenpapier
Solche Modelle gibt es auch für andere Waren des täglichen Bedarfs – so haben zum Beispiel einige Windelhersteller entsprechende Abos im Programm. Je nach Präferenz kommt dann alle zwei, drei oder vier Wochen ein Windelpaket nach Hause. Ähnliche Abos gibt es auch schon für Toilettenpapier, Tampons, Rasierklingen und Socken.
Sind Lieferdienste also die Zukunft? Klar ist: Sie können komfortabel sein, weil sie Wege sparen und Verbrauchern Schlepperei abnehmen. Auf der anderen Seite steigt so unweigerlich das Müllaufkommen – denn zum Umkarton kommen bei Lebensmittellieferungen noch spezielle Schutzfolien und Kühlakkus, die ebenfalls entsorgt werden müssen.
RND