Ladenetz und Batterie­fertigung: Was den Durchbruch der Elektromobilität bremst

Das Ziel von einer Million Elektro­fahrzeugen bis 2020 hat Deutschland deutlich verfehlt.

Das Ziel von einer Million Elektro­fahrzeugen bis 2020 hat Deutschland deutlich verfehlt.

Beim Umstieg auf elektrische Antriebe bei Fahrzeugen war Deutschland einmal vorn dabei: Bereits 2010 setzte die Bundesregierung das Beratergremium Nationale Plattform Elektromobilität mit Spitzenvertreterinnen und ‑vertretern aus Industrie, Politik, Wissenschaft, Verbänden und Gewerkschaften ein.

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Als Ziel gaben die Fachleute aus: „eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2020“. Zwar beschloss der Bundestag 2015 das erste deutsche Elektro­mobilitäts­gesetz, doch schon im Mai 2017 musste Bundeskanzlerin Angela Merkel eingestehen, dass das angestrebte Ziel der Nationalen Plattform Elektro­mobilität wohl nicht erreicht werde.

Strenge EU-Vorgaben ließen die Zahl der Elektroautos in Deutschland steigen

Bis Ende 2020 waren nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts 589.752 elektrisch angetriebene Pkw in Deutschland zugelassen: 309.083 reine Elektrowagen, 279.861 Plug-in-Hybrid-Autos und 808 Pkw mit Brennstoffzellen. Die anvisierte Million wurde also deutlich verfehlt – aber gerade 2020 verlief die Entwicklung sehr dynamisch: Die Zahl der Elektro­autos stieg um 126,2 Prozent, die Plug-in-Hybride legten sogar um 173,9 Prozent zu.

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Geschuldet war das auch den strengen EU-Vorgaben: So durfte 2020 die gesamte Neuwagen­flotte eines Herstellers im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid (CO₂) pro Kilometer ausstoßen – das war ohne einen deutlich höheren Anteil an E‑Fahrzeugen an den verkauften Autos nicht zu schaffen. Weil milliardenschwere Strafzahlungen drohten, gab es auf Elektroautos großzügige Preisnachlässe. Hinzu kamen Kaufanreize durch die Bundesregierung.

Die massive gesetzliche und finanzielle Unterstützung für den Kauf von Elektroautos zeigt, dass die Technologie kein Selbstläufer ist. Dabei wird sie im Kampf gegen den Klimawandel dringend gebraucht. Denn während die Treibhausgas-Emissionen von 1990 bis 2017 in den meisten Sektoren wie Energie­erzeugung, Industrie und Landwirtschaft nach EU-Angaben teilweise deutlich sanken, stiegen sie im Verkehrs­sektor weiter an.

Lückenhafte Infrastruktur schreckt viele Interessenten ab

Nach einer Studie von McKinsey & Company von Anfang 2020 haben 51 Prozent der befragten Deutschen beim letzten Autokauf ein Elektroauto zwar ernsthaft in Erwägung gezogen. Doch nur 3 Prozent von ihnen haben tatsächlich eines gekauft. Als Grund für den Verzicht nannten 36 Prozent Unsicherheit gegenüber der Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Batterie und fehlende Lade­möglichkeiten.

Inzwischen tut sich bei den Ladestationen recht viel. Im Oktober 2020 nahm die Nationale Leitstelle Lade­infra­struktur in Berlin ihren Dienst auf. Sie soll unter anderem dafür sorgen, dass bis Ende 2021 in Deutschland 50.000 Schnell- und Normal­ladesäulen stehen. Anfang Juli waren es 45.369. Bis Ende 2023 soll zudem ein öffentliches Schnell­ladenetz mit 1000 Standorten entstehen.

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Für Johannes Pallasch, Co-Leiter der Leitstelle, hat der Aufbau der Lade­infra­struktur etwas vom Henne-Ei-Problem: Es werden wenige E‑Autos gekauft, weil die Infrastruktur noch sehr lückenhaft ist. Andererseits lohnt es sich wirtschaftlich kaum, Ladesäulen zu errichten, weil es nur wenige E‑Autos in Deutschland gibt.

Doch selbst wenn Investoren vorhanden sind, gibt es Probleme: „Oft ist es schwierig, überhaupt einen Standort für eine Ladesäule zu finden, denn in den meisten Städten ist alles funktional verplant“, sagt Pallasch.

Künftig will die Leitstelle kommunale Infrastruktur­manager und ‑managerinnen schulen. „Wir brauchen einfach Leute, die sich vor Ort um den Ausbau der Infrastruktur kümmern“, betont er. Vertreter der Kommunen hätten besser Zugang zu möglichen Flächen für Ladesäulen und könnten auch Standorte ausschreiben. Bislang sei der Aufbau der Ladeinfra­struktur keine kommunale Pflichtaufgabe.

Politik muss beim Ausbau der Elektro­mobilität nachlegen

Der Vorsitzende des Verkehrs­ausschusses des Deutschen Bundestags, Cem Özdemir, sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht: „Wer immer noch über das Ob der Elektro­mobilität diskutiert und nicht über das Wie, der verschläft natürlich auch den Ausbau der Ladeinfra­struktur!“ Ein Teil der deutschen Politikerinnen und Politiker komme offenbar mit der Geschwindigkeit des Wandels nicht mit. Dabei sei es höchste Zeit, die Weichen für die Elektro­mobilität zu stellen, sonst verliere der Automobil­standort Deutschland schnell den Anschluss an die Vorreiter bei elektrischen Antrieben.

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Als Maßnahme fordert Özdemir, die Subventionen für fossile Kraftstoffe zurückzufahren: „Wir müssen die Diesel­subventionen abbauen.“ Selbst Volkswagen-Chef Herbert Diess halte Diesel für zu billig, so Özdemir.

Pallasch sieht noch mehr politischen Handlungs­bedarf: So würde es schon helfen, das Installieren einer Ladesäule zu entbürokratisieren. Von der langen Zeitdauer, bis Baugenehmigung, Genehmigung für die Netzanschlüsse und andere Dokumente vorlägen, seien Investoren oft genervt.

Dem pflichtet Wolfgang Ketter vom Energie­wirtschaftlichen Institut der Universität Köln (EWI) bei. Der Wissenschaftler hat längere Zeit in den Niederlanden gelebt und erzählt, wie einfach das Beantragen einer Ladesäule dort schon vor zehn Jahren war: „Der Energieversorger hat mich gefragt, wohin er die Ladesäule setzen soll, und hat es dann einfach getan.“

Mit Smartphone-Apps die Elektro­mobilität erleichtern

Ketter hat mit seinem Team im vergangenen Jahr die Mobilität von 600 Menschen untersucht. Mit einer Smartphone-App zeichneten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Wegstrecken ein Jahr lang minuten- und metergenau auf. Die Auswertung ergab, dass die weitaus meisten Wegstrecken nicht länger als 20 Kilometer sind. Und nur wenige Fahrten hatten eine Distanz über 80 Kilometer. Solche Reichweiten decken moderne Elektroautos problemlos ab. Die sogenannte Reichweitenangst – also die Sorge, die Batterie reiche nicht bis zum Ziel oder zur nächsten Ladesäule – ist demnach meist unbegründet.

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Auch Smartphone-Apps können die Elektromobilität erleichtern. Etliche Apps zeigen bereits die Ladesäulen auf einer Route an. Und nach Auffassung der Kölner Forscherinnen und Forscher können Apps noch mehr. „Künftige Apps könnten den Nutzern je nach Bedürfnis und Vorhaben Mobilitäts­alternativen aufzeigen: Auto, Bahn, Fahrrad, E‑Roller oder auch zu Fuß“, sagt Muhammed Demircan aus Ketters Team.

Auch das Bezahlen per App halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für wünschenswert. Denn zurzeit ist der Strommarkt an den Ladesäulen extrem zersplittert. Im Mai 2020 ergab eine Studie des Marktforschungs­unternehmens EuPD Research, dass es an deutschen Ladesäulen 288 Tarife von 194 Anbietern gebe. Hier tue mehr Einheitlichkeit not. „So etwas Ähnliches wie Paypal fürs Internet müsste es auch für die Ladesäulen geben“, überlegt Demircan.

Ketter glaubt zudem, dass die schwankende Stromerzeugung durch erneuerbare Energien auch die Strompreise für die Endkundinnen und Endkunden bald stärker schwanken lasse. Dann könnten Apps regelmäßig abgleichen, wie der Ladestand eines geparkten E‑Autos aussieht und wann der günstigste Tarif für das Laden verfügbar ist. Die Stromer könnten sogar Teil eines intelligenten Stromnetzes werden, indem sie als Zwischenspeicher bei viel Solar- und Windstrom genutzt würden.

Umweltfreundlichere Batterie­fertigung ohne Lösungsmittel

Das Speichern elektrischer Energie ist immer noch ein Knackpunkt bei der Elektro­mobilität. Die Energiedichte von Benzin ist 35-mal höher als die von modernen Lithium-Ionen-Batterien. Hinzu kommt, dass für den Batteriebau Substanzen wie Lithium und Grafit benötigt werden, die teilweise unter ökologisch problematischen Bedingungen abgebaut werden. Auch erfordert die Batterie­fertigung viel Energie, sodass Elektroautos zwar keine Abgase ausstoßen, aber doch einen nicht geringen ökologischen Fußabdruck durch ihre Herstellung aufweisen.

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Batterien umwelt- und klima­freundlicher fertigen will das Advanced Battery Technology Center (ABTC) des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden. In einem Projekt geht es um die Herstellung von Elektroden – jenen Bauteilen, an denen beim Laden und Entladen der Batterie die entscheidenden elektrochemischen Prozesse ablaufen.

Bei ihrer Fertigung kommen bei heutigen Standard­verfahren teure und häufig giftige Lösungs­mittel zum Einsatz. Diese Lösungs­mittel müssen anschließend in Trocknungs­strecken unter hohem Energie­aufwand wieder entfernt werden. „Wir haben deshalb ein Produktions­verfahren ohne Lösungs­mittel entwickelt“, sagt Holger Althues, IWS-Abteilungs­leiter chemische Oberflächen- und Batterie­technik. Dabei wird das aktive Material der Elektrode mit einem speziellen Binder vermischt und anschließend als Beschichtung auf eine Metallfolie gewalzt. Der aufwendige Trocknungsschritt entfällt, und die Anlagengröße kann gegenüber herkömmlicher Technologie drastisch reduziert werden.

Das Fraunhofer-IWS testet das Verfahren (Dry Transfer Electrode Coating, DRYtraec) mittlerweile mit mehreren Industrie­partnern. „Der Aufbau von Fabriken zur Batteriezell­produktion in Europa wird immer konkreter, und die Reduktion des CO₂-Fußabdrucks wird für den Erfolg ein entscheidendes Kriterium sein“, sagt Althues. Die aktuelle Entwicklung sei „extrem dynamisch“.

Althues bezieht diese Einschätzung auf die Batterie­technik. Doch man kann sie auf das gesamte Spektrum der Elektro­mobilität übertragen.

RND/dpa

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