Preise sind Knappheitssignale und müssen wirken
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Erneuerbare Energien sorgen dauerhaft für niedrigere Preise.
© Quelle: dpa
Was ist los derzeit auf dem Strommarkt? Die Preise an der Börse explodieren. Einerseits liegt das daran, dass immer das teuerste Kraftwerk den Preis bestimmt: Beim geltenden „Merit-Order-Prinzip“ („Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“) wird der Strombedarf gedeckt, indem zunächst das Kraftwerk mit den niedrigsten Grenzkosten zugeschaltet wird. Weitere, teurere folgen, und am Ende bestimmt das letzte Kraftwerk, das zur Bedarfsdeckung benötigt wird, den Preis. Das sind derzeit vor allem teure Gaskraftwerke.
Frankreichs AKWs sind das Problem
Der extreme Anstieg des Strompreises ist aber Ausdruck eines funktionierenden Marktes, der Preis bildet sich durch Angebot und Nachfrage. Und beim Angebot gibt es derzeit Knappheiten. Nicht durch Deutschland, wie manche meinen. Vor allem Frankreichs Atomkraftwerke verursachen das Stromproblem. Von den 56 Meilern sind derzeit knapp die Hälfte am Netz, weil die anderen marode sind oder durch den Klimawandel zu wenig Kühlwasser zu Verfügung steht.
Schnell gibt es Forderungen, „den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln“, den Preisbildungsmechanismus auszuhebeln oder aber den Strompreis zu deckeln. Doch gerade der Strompreisdeckel ist die Ursache des Problems: In Frankreich werden die Strompreise subventioniert, was dazu führt, dass zu wenig Strom eingespart wird.
Das Problem wird so verschärft. Preise sind immer Knappheitssignale, die wirken müssen. Auch die „Merit-Order-Funktion abschaffen“ ist nicht so einfach. Der Preisbildungsmechanismus funktioniert, und die Anforderungen an das künftige Marktdesign sind vielschichtig.
Das Strommarktdesign muss in der Tat überarbeitet, reformiert werden, und zwar vor allem deshalb, weil das jetzige System nicht in der Lage ist, den klimapolitisch notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss sich am Markt lohnen, es sind Speicher, Lastmanagementsysteme und unterschiedliche Marktflexibilitäten wie auch Nachfrageanpassungen nötig.
Fundamentale Änderungen müssen europaweit einheitlich sein
Beispielsweise würden sogenannte Carbon Contracts for Difference bei aktuell explodierenden Strombörsenpreisen Kundinnen und Kunden nicht so stark belasten, da die „Übergewinne“ gar nicht erst entstehen würden. Aber derart fundamentale Marktanpassungen müssen in Europa einheitlich vereinbart werden. Eine „Entkopplung des Gaspreises vom Strompreis“ durch „Anpassung der Merit Order“ ist kurzfristig weder machbar noch sinnvoll.
Aber: Man kann durch den Markt erreichen, dass der Strompreis sinkt. Nämlich vor allem dann, wenn deutlich mehr erneuerbare Energien im Angebot sind, die mit null Grenzkosten die Angebotskurve nach rechts verschieben und die teuersten Grenzkraftwerke (aktuell Gas) aus dem Markt drängen. Oder aber durch eine Nachfragesenkung.
Drei Schritte aus der Misere
Der Ausweg aus der Misere ist somit: 1. Wir benötigen dringend mehr Kapazitäten, die dauerhaft billigen Strom produzieren. Das geht nur mit mehr erneuerbaren Energien, deren Kapazitäten in ganz Europa schnell erhöht werden müssen. Das kann schnell gehen, wenn der politische Wille da ist. Erneuerbare Energien senken den Strompreis dauerhaft.
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2. Nicht Preise müssen gedeckelt werden, sondern die Kosten. Besser als Strompreisdeckel sind zielgerichtete Entlastungen für Haushalte und Unternehmen.
3. Mittelfristig muss es eine Reform des EU-Strommarkts in Richtung Carbon Contracts for Difference geben. Das würde nicht nur Planungssicherheiten für Anbieter bringen, sondern auch Stromkunden und -kundinnen entlasten. Eine solche Reform muss erarbeitet werden, damit Preissprünge, wie wir sie derzeit erleben, künftig nicht mehr auftreten.
Claudia Kemfert ist Energieprofessorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit anderen über den grünen Umbau der Wirtschaft.
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