Ampelentwurf für Klimaschutz-Sofortprogramm: noch nicht fertig – aber schon kritisiert
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Protestaktion von Klimaaktivisten und ‑aktivistinnen vor dem Bundeskanzleramt in Berlin (Archivbild).
© Quelle: imago images/Bernd Friedel
Frankfurt am Main. Die Bundesregierung will mit mehr Steuerbegünstigungen und Kaufprämien für elektrische Fahrzeuge den Weg freimachen, um doch noch die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Hinzukommen soll ein Ausbau der Ladeinfrastruktur – auch für Nutzfahrzeuge. Die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene und auf Wasserstraßen und ein Verbot von Dumpingpreisen im Flugverkehr soll ferner angegangen werden. Dies geht aus dem Entwurf des Klimaschutz-Sofortprogramms hervor, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Doch schon jetzt gibt es unter Umweltschützenden massive Zweifel, ob das Maßnahmenpaket reicht.
Finanzminister Lindner sieht keine Fortsetzung von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket
Lindner äußerte sich gegen eine Fortsetzung des Tankrabatts und 9-Euro-Tickets, da gestiegene Preise auf Dauer nicht mit Staatsgeld ausgeglichen werden können.
© Quelle: dpa
Zusammen mit dem sogenannten Osterpaket zur Intensivierung der Energiewende soll das Sofortprogramm zu dem Instrument werden, mit dem die selbst gesteckten ambitionierten Ziele geschafft werden. Alle dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen sollen bis zum Jahresende beschlossen sein.
Der vorliegende Entwurf, datiert mit „Stand 20.06.22″, dürfte noch nicht die endgültige Version des Sofortprogramms sein, das das Kabinett nach bisherigen Planungen im Juli beschließen will.
Sorgenkind Verkehrssektor
Im Verkehrssektor ist der Druck besonders groß. Denn trotz Pandemie wurden hier im vergangenen Jahr bei der Minderung der CO₂-Emissionen die Ziele deutlich verfehlt. Das entspricht einer langfristigen Tendenz. So ist im Entwurf zu lesen, dass die Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum von 2010 bis 2019 um gut 7 Prozent gestiegen sind.
„Für das Erreichen des Sektorziels 2030 ist eine ambitionierte Minderung auf 85 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente und damit um etwa 48 Prozent gegenüber 1990 erforderlich“, heißt es in dem Papier. Um dorthin zu kommen, wird die Elektromobilität in den Fokus gerückt: „Wir werden steuerliche Erleichterungen für die Nutzung von elektrischen Pkw und Nutzfahrzeugen schaffen.“
Dazu soll zählen, dass die Sonderabschreibung für Firmenwagen (50 Prozent vom Wert des Autos können beim Finanzamt schon im ersten Jahr steuermindernd geltend gemacht werden) von 2023 bis 2026 ausschließlich für vollelektrische Fahrzeuge (BEV) gilt. Und nur noch für Autos, „die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben“, soll ab 1. Januar 2023 die staatliche Kaufprämie gezahlt werden – damit sind im Wesentlichen die BEV gemeint.
Lindner lehnt Förderung der E-Mobilität ab
Ob das Bestand haben wird, ist derzeit offener denn je. Denn es gibt innerhalb der Ampelkoalition Diskussionsbedarf. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, Subventionen für E‑Fahrzeuge en gros zu streichen.
Da stellt sich unter anderem die Frage, ob das auch für das Förderprogramm für klimafreundliche Lkw und die dazugehörige Ladeinfrastruktur gilt. Denn laut Sofortprogrammentwurf hat sich das Verkehrsministerium bereits dafür ausgesprochen, diese Projekte, die eigentlich 2024 auslaufen, bis 2028 zu verlängern. Das Ministerium wird vom Freidemokraten Volker Wissing geführt.
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Jährlich 3 Milliarden Euro mehr für den Schienenverkehr
Die Stärkung der Schiene ist ein weiterer Schwerpunkt, sowohl beim Personen- als auch beim Güterverkehr. Für einen schnellen Hochlauf der Investitionen sollen jährlich mindestens zusätzlich 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.
Damit will die Regierung auch erreichen, dass es mehr kombinierten Verkehr – das Zusammenspiel von Lkw und Eisenbahn – geben wird und mehr Flughäfen ans Schienennetz angebunden werden, um Kurzstreckenflüge zu reduzieren. Derweil kann die Bundesregierung beim Kampf gegen Dumpingpreise von Billigfliegern nur an die EU appellieren, bestehende Regeln zu verschärfen.
Verkehrsminister Wissing muss schnell handeln
Wie schnell sich das alles in einen geringeren CO₂-Ausstoß ummünzt, ist offen. Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, betont, dass Wissing allein schon wegen des Verfehlens der 2021-Ziele per Gesetz verpflichtet ist, „jetzt bis zum 13.7. Maßnahmen vorzulegen, die dazu geeignet sind, die gesetzlich vorgeschriebenen CO₂-Höchstmengen im Verkehr in diesem und den Folgejahren einzuhalten“.
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Volker Wissing (M.), FDP-Politiker sowie Bundesminister für Verkehr und Digitales, will den Zugverkehr in Deutschland erheblich ausbauen.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Hilgenberg hat erhebliche Zweifel, ob dies noch gelingen kann: Mit Blick auf die wieder gestiegene Verkehrsnachfrage und den „kontraproduktiven Tankrabatt“ sei für 2022 eine erneute Überschreitung zu erwarten.
Die Kritik des Verkehrsexperten geht noch weiter: „Was wir bislang vom Klimaschutz-Sofortprogramm im Verkehr gesehen haben, wird nicht ausreichen, um die verkehrlichen Sektorziele zukünftig einzuhalten.“ Maßnahmen, die schnell zu einem CO₂-Rückgang im Verkehr führen, fehlten bislang weitgehend.
Experte fordert Tempo 100 auf Autobahnen
Hilgenberg fordert konkret ein generelles Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen, die Einführung autofreier Sonntage und die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene. Unmittelbar an das Ende der 9-Euro-Ticket-Kampagne, also von September an, müsse die bundesweite Einführung eines 365-Euro-Tickets gekoppelt werden.
Auch die Abschaffung von Diesel- und Dienstwagenprivileg (es geht hier jeweils um steuerliche Vorteile), eine Kfz-Steuer mit Lenkungswirkung, ein Bonus-Malus-System beim Neuwagenkauf (das sich am CO₂-Ausstoß orientiert) und die Abschaffung der Steuerbefreiung von Kerosin müsse jetzt angegangen werden.
Denkfabrik befürwortet Pkw-Maut
In eine ähnliche Richtung zielen die Vorschläge gleich mehrerer Denkfabriken. So empfehlen die Fachleute von Agora Verkehrswende eine umfassende Steuerreform „für faire Preise im Straßenverkehr“. Besonders E-Autos sollen davon profitieren. Dazu zählt die Umwandlung der Entfernungspauschale – da diese ans Einkommen gekoppelt ist, haben Besserverdiener am meisten davon.
BUND wie Agora machen sich stattdessen für fixe Erstattungen pro Kopf stark, die für Haushalte mit kleinem Geldbeutel die stärksten Effekte zeigen würden. Zu den Agora-Vorschlägen gehört auch die Einführung einer Pkw-Maut, um künftige Einnahmeausfälle bei der Energiesteuer auf Diesel und Benzin auszugleichen – mit dem Hochlauf der Elektromobilität wird diese Quelle für Staatseinnahmen zusehends versiegen.
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