Italiens Fluggesellschaft: Die Alitalia ist tot, es lebe die Alitalia
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Ein Flugzeug der italienischen Fluggesellschaft Alitalia steht auf einem Flughafen hinter einem Zaun. Am Donnerstag ging der letzte Flug der Airline Alitalia von Sardinien nach Rom.
© Quelle: Antonio Calanni/AP/dpa
Rom. Das hat es in der Geschichte der zivilen Luftfahrt vermutlich noch nie gegeben: Vom Flughafen Mailand-Linate aus hebt am Freitag um 6.20 Uhr das erste Flugzeug einer neuen Airline ab, von der man am Tag ihrer Lufttaufe noch nicht weiß, wie sie heißt. In Ermangelung des Namens wurde auf den weißen Rumpf des Airbus A320 der Schriftzug „Born in 2021″ (geboren im Jahr 2021) gepinselt, in großen Lettern und in den italienischen Nationalfarben grün, weiß und rot.
Nachfolge statt Weiterführung
Bekannt ist immerhin, wie die Gesellschaft heißt, die den Flieger geleast hat: Es ist die im Dezember 2020 von der italienischen Regierung aus der Taufe gehobene Italia Trasporto Aereo (Ita). Sie befindet sich zu 100 Prozent in Staatsbesitz und tritt die Nachfolge der Alitalia an, die am Donnerstagabend ihren Flugbetrieb nach 75 Jahren eingestellt hat.
Die Bezeichnung Nachfolge ist wichtig: Die italienische Regierung will den Eindruck vermeiden, dass es sich bei der neuen Fluggesellschaft einfach einmal mehr um eine Weiterführung der alten Alitalia mit einer neuen staatlichen Finanzspritze handelt.
EU-Kommission macht „starke Diskontinuität“ zur Bedingung
Die EU-Kommission hatte eine „starke Diskontinuität“ zur Bedingung gemacht, um der Gründung von Ita und dem staatlichen Startkapital von 1,35 Milliarden Euro überhaupt grünes Licht zu geben. Zu oft, fand man in Brüssel, sei das fliegende Milliardengrab Alitalia in den vergangenen Jahren schon mit Steuergeldern gerettet worden, ohne dass sich bei der italienischen Airline irgendetwas zum Besseren geändert habe.
Zuletzt war die Alitalia im Jahr 2017 gescheitert; seither unterstand sie diversen Sonderkommissaren und wurde nur mit staatlichen Finanzspritzen von insgesamt 1,8 Milliarden Euro in der Luft gehalten. Die Übernahme des bisherigen Namens Alitalia wäre natürlich mit der Forderung nach „Diskontinuität“ wenig kompatibel.
Vom Bruch ist beim Neustart wenig zu sehen
Doch die Ita-Führung unter dem ehemaligen Fiat-Chrysler-Spitzenmanager Alfredo Altavilla bewirbt sich intensiv darum: Laut Medienberichten hat Altavilla den Regierungskommissaren, die den Markennamen an den Meistbietenden verhökern wollen, 50 Millionen Euro dafür geboten.
In einer ersten Auktionsrunde, bei der ein Mindestgebot von 290 Millionen Euro aufgerufen wurde, war dies zu wenig – doch jetzt läuft die zweite Runde, und es ist anzunehmen, dass der Preis in Richtung 50 Millionen sinken wird. Es ist ja außer Ita weit und breit kein anderer Interessent für die Marke Alitalia in Sicht.
Unabhängig davon, ob Ita nun den Namen erwerben kann oder nicht: Mit dem von der EU verlangten Bruch mit der Alitalia-Vergangenheit ist zumindest heute, beim Neustart, wenig zu sehen. Aus der Konkursmasse der Alitalia hat Ita vorerst die Flugzeuge inklusive deren Lackierung, einen Teil der Start- und Landerechte sowie den Flugcode AZ übernommen; das Personal trägt die gleichen Uniformen wie bei der Alitalia.
Weniger Flieger, weniger Personal, weniger Lohn
„Die neue Gesellschaft ist nichts anderes als die alte Alitalia“, hat Iata-Direktor Willie Walsh schon vor fünf Monaten kritisiert. „Ich arbeite seit 42 Jahren in der Branche und kann mich nicht erinnern, wie viele Versionen der Alitalia ich dabei schon erlebt habe. Jedenfalls ändert sich diese Airline nie.“ In dieser brutalen Form stimmt dies aber nicht. Denn was sich zweifellos geändert hat, ist die Größe: Im Jahr 2017, bei der Unterstellung unter die Sonderkommissare, verfügte die Alitalia noch über 118 Flugzeuge, die Flotte von Ita besteht dagegen nur noch aus 52 Fliegern.
Auch der Personalbestand wurde stark reduziert: Von bisher 10.500 auf 2800 Angestellte, deren Gehälter bei Ita außerdem massiv gekürzt wurden. Ita-Präsident Altavilla hat aber ehrgeizige Wachstumsziele: Sowohl die Zahl der Flugzeuge als auch die der Angestellten soll bis 2025 verdoppelt werden; bereits im Jahr 2023 soll Ita in die Gewinnzone fliegen. Die Alitalia hatte dies im Jahr 2002 zum letzten Mal geschafft und seither 11 Milliarden Euro an Verlusten eingeflogen.
Beim Fliegen sind auch Emotionen im Spiel
Experten sind skeptisch, ob Altavillas optimistische Rechnung aufgehen wird. Die Pandemie wird der Luftfahrtbranche weiterhin zusetzen, und in Italien haben sich längst ausländische Billigflieger etabliert, welche die Konkurrenz in einen ruinösen Preiskampf zwingen. Ryanair hat auf italienischen Routen 2018 laut der italienischen Flugfahrtbehörde Enac fast 38 Millionen Passagiere transportiert; Alitalia kam auf knapp 22 Millionen.
Ita oder eben die neue Alitalia werden einen schweren Stand haben. Aber beim Fliegen sind eben immer auch Emotionen mit im Spiel, selbst bei so abgeklärten Zeitgenossen wie Mario Draghi. Der ehemalige EZB-Chef, der seit Februar Italien regiert, bezeichnete die Alitalia unlängst als „eine Art Familie – eine etwas teure Familie, aber eben doch Familie“.