Inflation im Juli leicht gesunken – doch Geringverdiener weiter stark betroffen
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Wie viel kostet der Warenkorb? Besonders Lebensmittel bleiben teuer.
© Quelle: Fabian Sommer
Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli leicht gesunken: Um durchschnittlich 7,5 Prozent verteuerten sich Waren und Dienstleistungen im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im Juni hatte die Inflationsrate noch bei 7,6 Prozent gelegen. Damit hat die Teuerung den zweiten Monat in Folge etwas nachgelassen.
Allerdings betonten die Wiesbadener Statistiker die Wirkung von Sondereffekten: Sowohl im Juni als auch im Juli dürften das 9-Euro-Ticket und der sogenannte Tankrabatt die Inflation gedämpft haben, weil es die beiden Maßnahmen im jeweiligen Vorjahresmonat noch nicht gab. Wie sich dies genau ausgewirkt hat, lasse sich aber noch nicht darstellen.
Erneut sind vor allem Energie und Lebensmittel teurer geworden: Die Preise für Öl, Gas, Strom und Kraftstoffe zogen im Vergleich zum Juli vergangenen Jahres um 35,7 Prozent an. Lebensmittel legten im Schnitt um 14,8 Prozent zu. Bei Dienstleistungen betrug der Preisauftrieb lediglich 2 Prozent.
Große Belastung für ärmere Menschen
Die Ökonomin Silke Tober vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) warnte angesichts der neuen Inflationszahlen vor Belastungen vor allem für ärmere Menschen: „Da sich Wohnenergie und Nahrungsmittel besonders deutlich verteuert haben, sind Haushalte mit geringeren Einkommen weiterhin überproportional stark von der Inflation betroffen“, sagte Tober dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Ihr zufolge zeichnet sich außerdem ab, dass die Inflation hoch bleibt - oder sogar noch einmal anzieht, wenn im September das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt auslaufen. Wie groß der Effekt sein wird, ist unklar. Schätzungen von Fachleuten zufolge könnten die beiden Maßnahmen während ihrer Laufzeit die Inflation um bis zu einen Prozentpunkt gedrückt haben.
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Höherer Leitzins: Diese sechs Fakten sollten Anleger jetzt kennen
Mit der ersten Anhebung des Leitzinses nach elf Jahren greift die Europäische Zentralbank tief in unser aller Leben ein. Zwar besteht endlich wieder die Aussicht auf Guthabenzinsen bei der Geldanlage auf Sparkonten. Zugleich verteuern sich aber auch Kredite und Darlehen in einem lange Zeit nicht gekannten Ausmaß.
Auch betonte Tober, dass weitere Preissprünge nicht ausgeschlossen sind: „Die Risiken sind aufwärtsgerichtet und die künftige Inflationsentwicklung hängt aktuell vor allem von den Auswirkungen des Ukrainekriegs ab.“
Weniger Unternehmen wollen höhere Preise
Andere Wissenschaftler erwarten allerdings, dass die Teuerung bald nachlässt: Laut dem Münchener Ifo-Institut sind die Preiserwartungen hiesiger Unternehmen zum dritten Mal in Folge gesunken. In den kommenden Monaten wollen demnach noch 47,4 Prozent von ihnen die Preise erhöhen, im Juni waren es noch 52,9 Prozent. „Die Preise dürften zwar weiter steigen, allerdings wird sich das Tempo verlangsamen“, sagte Ifo-Prognosechef Timo Wollmershäuser.
Damit hat die Inflation ihren Hochpunkt voraussichtlich erreicht und wird im Verlauf der zweiten Jahreshälfte allmählich zurückgehen.
Timo Wollmershäuser, Ifo-Prognosechef
„Damit hat die Inflation ihren Hochpunkt voraussichtlich erreicht und wird im Verlauf der zweiten Jahreshälfte allmählich zurückgehen“, erklärte Wollmershäuser. Er betonte zugleich, dass sich die Preiserwartungen der Unternehmen erst mit einigen Monaten Verzögerung bei Verbraucherpreisen bemerkbar machen.
Lebensmittel werden auch in Zukunft teurer
Eine Ausnahme bildet nach seinen Angaben der Lebensmitteleinzelhandel: Dort planen den Ifo-Umfragen zufolge alle Unternehmen weitere Preissteigerungen. Im Detail könne man das nicht bewerten, erklärte dazu der Handelsverband Deutschland. Indirekt wies der HDE aber Vorwürfe der Preistreiberei zurück: „Generell stehen alle Einzelhändler in Deutschland in einem intensiven Wettbewerb miteinander“, erklärte ein Sprecher. Höhere Kosten könnten deshalb meist nicht einfach an Kundinnen und Kunden weitergegeben werden. „Das wirkt im Ergebnis preis- und inflationsdämpfend.“
Insgesamt rechneten Fachleute zuletzt mit einer aufs Jahr gerechneten Inflationsrate in Deutschland zwischen 6,7 und 7,9 Prozent - wobei letztere Schätzungen die jüngsten sind, die EU-Kommission hatte sie im Juli veröffentlicht. Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es seit Wiedervereinigung noch nie. In den alten Bundesländern gab es ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974. Damals stiegen die Ölpreise infolge der ersten Ölkrise stark.
Auch zeigen Studien, unter anderem vom IMK, dass die Inflation bislang weniger Wohlhabende stärker belastet als Reiche: Einkäufe und Ausgaben einer Familie mit geringem Einkommen hatten sich demnach im Juni im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent verteuert, die einer wohlhabend alleinstehenden Person um 6,3 Prozent. Bei Familien mit durchschnittlichen Einkommen habe die haushaltsspezifische Teuerung bei etwa 7,4 Prozent gelegen.
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